5G-Frequenzen: Verschenken – nicht versteigern

Am 19. März startete die Versteigerung der 5G-Frequenzen durch die Bundesnetzagentur. Den künftigen Nutzern wird damit das Tor geöffnet für Datenübertragungsraten bis zu 20 GB/s und dem Bundesfinanzminister stehen Versteigerungserlöse in Milliardenhöhe ins Haus. Das freut die Netzbetreiber und auch den Finanzminister, aber aus gesamtwirtschaftlicher Sicht bleibt die Freude eher verhalten.

In den Gerichtsverfahren im Vorfeld der Versteigerung ging es vorrangig um die Frage, welche Auflagen die künftigen Frequenzinhaber übernehmen müssen. Die drei großen Netzbetreiber in Deutschland wehrten sich vor allem gegen die vorgesehenen Verpflichtungen zum flächendeckenden Ausbau ihrer LTE-Netze und gegen die Auflage, mit anderen Anbietern über die entgeltliche Mitnutzung der künftigen 5G-Infrastruktur verhandeln zu müssen. Diese Klagen hat das Kölner Verwaltungsgericht zu Recht abgewiesen.

Wesentlich relevanter erscheint es aus ökonomischer Sicht, die Versteigerung insgesamt in Frage zu stellen. Denn Frequenzen sind kein knappes Gut mehr. Das war einmal anders. In Zeiten des analogen Radios konnte man beispielsweise die von Radiosendern benötigen Bandbreiten noch per Hand ermessen, indem man den gewünschten Sender durch Drehen am Frequenzregler zunächst nur leise und mit Rauschen hören konnte, bis er schließlich klar zu empfangen war. Heutige digitale Radiosender sind entweder klar oder gar nicht zu empfangen, das heißt sie benötigen nur noch ein extrem schmales Frequenzband, um Interferenzprobleme zu vermeiden.

Ähnlich ist die Entwicklung in anderen Funkbereichen verlaufen, etwa beim Polizeifunk, beim See- und Flugfunk oder bei Funkmikrofonen. Zwar nimmt die Nachfrage nach Frequenzen im Zeitablauf rasch zu, aber die zusätzlichen Kapazitäten, die infolge der immer schmaler werdenden Frequenzbänder pro Nutzung frei werden, nehmen tendenziell noch rascher zu. Es fällt also eine erhebliche „digitale Dividende“ an.

Wem gehört diese Dividende? Dem Finanzminister bzw. der  Bundesnetzagentur, die durch künstliche Frequenzverknappung monopolistische Versteigerungserlöse einfahren können? Oder der Allgemeinheit, die die Frequenzen bei kostenfreier Zuteilung optimal ausnutzen könnte? Aus ökonomischer Sicht gibt es keinen Zweifel, dass es gesamtwirtschaftlich unsinnig ist, ein freies Gut zu bepreisen. Preise sind Knappheitsindikatoren, und wo keine Knappheit vorliegt, sollte es auch keinen Preis geben. Andernfalls käme es zu einer suboptimalen Nutzung der betreffenden Ressource, und mögliche Wohlstands- und Beschäftigungsgewinne würden vertan.

Auf dem ersten Blick mag es verwundern, dass die drei großen Netzbetreiber in Deutschland vor den Verwaltungsgerichten nicht auf kostenlose Zuteilung der für 5G benötigten Frequenzen geklagt haben. Doch der 5G-Standard hätte dann für dieses enge Oligopol seine Exklusivität verloren. Zwar hat mittlerweile neben den Klageparteien Deutsche Telekom, Vodafone und Telefónica auch 1&1 Drillisch sein Interesse an der Versteigerung der 5G-Frequenzen verkündet, aber selbst nach diesem für viele Beobachter überraschenden Schritt bleibt das Oligopol überschaubar. Das ist gut für die etablierten Unternehmen und für den Finanzminister,  aber nicht für die Gesellschaft insgesamt.

Derzeit spricht sich auch VERDI für eine kostenlose Frequenzverteilung aus, aber nicht mit dem Ziel, den Wettbewerb zu fördern, sondern um ihn zu beschränken. Sie möchten eine begrenzte Anzahl von Frequenzen freihändig an die drei Platzhirsche vergeben und 1&1 Drillisch völlig von der Vergabe ausschließen. Dadurch würden sowohl der Wettbewerb als auch die breite Nutzung der 5G-Frequenzen in Deutschland erst recht behindert.

Der Schaden, den die Generation Smartphone dadurch nimmt, ist überschaubar. Denn 5G ist ohnehin nur bedingt geeignet, auf breiter Basis im Mobilfunk eingesetzt zu werden. Zwar könnte es künftig durchaus möglich sein, in Ballungszentren ganze Spielfilme in Sekundenschnelle auf das Handy zu laden (wenn das betreffende Handy das denn mitmacht). Aber eine flächendeckende Versorgung mit 5G-Diensten erscheint auf absehbare Zeit als illusorisch, zumal die dafür nötige Errichtung ganzer Wälder neuer Sendemasten kaum umsetzbar sein dürfte.

Ursächlich dafür sind die relativ hohen Frequenzen von 3,4 GHz bis 3,8 GHz, die jetzt in die 5G-Versteigerung gehen. Der Mobilfunk in Deutschland nutzt dagegen derzeit Frequenzen von 0,7GHz bis 2,6 GHz. Hohe Frequenzen sind gut für hohe Datenübertragungsraten, aber schlecht für die Reichweite. Je kleiner die jeweiligen Funkzellen sind, desto mehr Sendemasten werden benötigt und desto teurer wird die flächendeckende Netzabdeckung. Aus diesem Grund will die Bundesnetzagentur die 5G-Betreiber ja auch nicht dazu verpflichten, 5G flächendeckend anzubieten, sondern sie sollen die Verpflichtung übernehmen, parallel zum 5G-Netzaufbau ihre vorhandenen LTE-Netze flächendeckend auszubauen.

Aus diesem Grund erscheint auch die Hoffnung verfrüht, 5G könnte maßgeblich zum Durchbruch des autonomen Fahrens im Straßenverkehr beitragen. Zwar ist diese Technologie auf extrem hohe und rasche Datenübertragung angewiesen (wie sie 5G ja bietet), aber auch auf eine räumliche Reichweite, die dem Straßennetz entspricht. Impulse sind deshalb allenfalls für den ÖPNV innerhalb der Ballungszentren zu erwarten, da das Streckennetz räumlich eingegrenzt werden kann.

Die wichtigsten Anwendungsschwerpunkte der 5G-Netze werden auf absehbare Zeit in der industriellen Fertigung liegen, wo die Möglichkeiten zum Echtzeit-Datenaustausch beträchtlich steigen könnten. Die Bundesnetzagentur will dafür ein Band von 100 MHz aus der Versteigerung herausnehmen und lokalen Nutzern zuteilen. Das ist ein wichtiger Schritt in die  richtige Richtung, aber er fällt viel zu klein und zaghaft aus.

Besser wäre es gewesen, der Bundesfinanzminister hätte auf die Versteigerungserlöse verzichtet und durch kostenfreie Frequenz-Zuteilung eine wesentlich breitere 5G-Nutzung ermöglicht. Die Einnahmeausfälle für den Fiskus hätten zumindest gemindert werden können, wenn im Gegenzuge manche gegenwärtigen und künftig zu erwartenden Subventionsprogramme zur Förderung der Digitalisierung im Zeitalter der Industrie 4.0 redundant geworden wären. Vielleicht ist man ja bei kommenden Frequenzvergaben klüger. Die Gelegenheit wird sich bieten, da die Mobilfunk-Frequenzen immer nur auf Zeit vergeben werden.

Henning Klodt

3 Antworten auf „5G-Frequenzen: Verschenken – nicht versteigern“

  1. Wie können Frequenzen „freie Güter“ sein, wenn das benötigte Frequenzband nicht beliebig klein aufgeteilt werden kann?

  2. Vielen Dank für Ihren Kommentar.
    Damit der Marktpreis auf null fällt, reicht es aus, wenn die verfügbare Menge die maximal nachgefragte Menge übersteigt. Beliebige Teilbarkeit ist dafür nicht nötig.
    Tatsächlich prüft die Bundesnetzagentur, ob die Frequenzen tatsächlich knapp sind. dabei stellt sie aber die Bereiche, die anderen Nutzungen zugewiesen sind, nicht auf den Prüfstand. Rundfunk und Fernsehen beispielsweise bekommen viel mehr Frequenzen zugewiesen als sie tatsächlich nutzen.

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