Donald Trump
Töter oder Totengräber der globalen Weltordnung?

Spätestens seit Gründung der Vereinten Nationen am 24. Oktober 1945 träumten wir den Traum einer rechts- und regelbasierten Weltordnung, in der die Schwachen vor Willkür geschützt sind und die Macht der Starken eingehegt ist. Dieser Traum erscheint mittlerweile nicht viel mehr als eine schöne Erinnerung. Dass Wladimir Putin oder Xi Jinping diesem Traum nachhängen, hat wohl noch nie jemand geglaubt. Aber zumindest  der Westen erschien uns als sicherer Hort für Träumer – bis zu Donald Trump. Er spielt immer wieder mit dem Gedanken, die NATO-Mitgliedschaft aufzukündigen, zieht sich aus verschiedenen UN-Organisationen zurück,  pfeift auf die Regeln der WTO und macht auch sonst keinen Hehl daraus, dass ihm Macht wichtiger ist als Regeln.

 Doch ist Trump tatsächlich derjenige, der die globale Weltordnung tötet? Oder ist er eher der Totengräber, der nur beerdigt, was ohnehin nicht mehr lebendig war? Nicht erst Trump, sondern bereits Barack Obama machte deutlich, dass Europa mehr für seine eigene Sicherheit sorgen müsse und nicht für alle Zeiten Trittbrettfahrer in der NATO sein könne. Auch im Nahen Osten haben sich die USA aus der Verteidigung westlicher Werte zurückgezogen, seit die dortigen Öl- und Gasvorkommen für sie nicht mehr so interessant erscheinen wie früher. Dazu dürfte das Fracking entscheidend beigetragen haben. Seit rund einem Jahrzehnt  ist das Land weitgehend autark bei Rohöl und Erdgas und war vorübergehend sogar zum Nettoexporteur dieser beiden Rohstoffe geworden. Der Rückzug der USA aus seiner Rolle als Weltpolizist ist allenthalben mit Händen zu greifen.

Auch der wenige Jahre nach der UNO gegründeten Welthandelsorganisation (WTO, damals noch unter dem Namen GATT) fehlt die US-Unterstützung schon seit längerem an allen Ecken und Enden. Sichtbarstes Zeichen dafür ist die sogenannte Doha-Runde, die im Jahr 2001 begann und bis heute nicht zum Abschluss gebracht werden konnte. Sämtliche acht vorangegangenen Welthandelsrunden der WTO (von der Genf-Runde 1947 über die Kennedy-Runde 1964 – 1967 bis zur Uruguay-Runde 1986 – 1994) waren von den Vereinigten Staaten initiiert und auf ihren Druck hin zu mehr oder weniger erfolgreichen Abschlüssen gebracht worden. Auch die Doha-Runde ging noch maßgeblich auf eine US-Initiative zurück, aber das Interesse des Landes an einem erfolgreichen Abschluss erlahmte bereits kurz nach Eröffnung der Verhandlungen.

Könnte es sein, dass eine funktionsfähige globale Weltordnung einen Hegemon voraussetzt, der aufgrund seiner Größe selbst maßgeblich von dieser Ordnung profitiert? Entsprechende Hinweise sind durchaus in der Geschichte zu finden. So ging die pax romana mit dem Römischen Reich unter und die pax britannica mit dem British Empire. Wir erleben vermutlich gerade den Untergang der pax americana, der das abnehmende relative Gewicht der USA in der Weltwirtschaft widerspiegelt und der weit vor Trumps beiden Amtszeiten einsetzte.

Die Mechanismen dahinter wurden bereits  im Jahr 1965 von Mancur Olson in seiner Logic of Collective Action beschrieben. Und in dem Aufsatz An Economic Theory of Alliances aus dem Jahr 1966 schreiben Olson und Zeckhauser: 

„In der NATO gibt es eine statistisch signifikante Korrelation zwischen der wirtschaftlichen Größe der Mitgliedsländer und dem prozentualen Anteil der Rüstungsausgaben am Sozialprodukt. Wie unser Model zeigt, lässt sich dies teilweise darauf zurückführen,. … dass einzelne Mitglieder einer Allianz oder einer internationalen Organisation einen Anreiz haben, Angebotsausweitungen eines kollektives Gut zu stoppen, lange bevor die Pareto-optimale Menge erreicht ist. Dies gilt insbesondere für kleinere Mitglieder, die wenig oder keine Anreize haben, zusätzliche Ausgaben für das kollektive Gut zu tätigen, wenn die größeren Mitglieder bereits so hohe Ausgaben geleistet haben, wie es in deren eigenem Interesse ist. Im Ergebnis werden die Lasten in disproportionaler Weise geteilt.“ Eigene Übersetzung nach Mancur Olson, Richard Zeckhauser (1966). An Economic Theory of Alliances. The Review of Economics and Statistics, 48 (3) pp. 266-279.

Den geopolitischen Bedeutungsverlust der USA hatten Olson und Zeckhauser noch nicht vorhergesehen. Aber ihr Modell bietet eine gute Erklärung dafür, weshalb das Land heute weit weniger an der globalen Weltordnung interessiert ist als in vergangenen Jahrzehnten. Die USA sind eben relativ zu anderen Ländern kleiner geworden und profitieren deshalb selbst nur noch zu einem geringeren Anteil von den Vorteilen einer solchen Weltordnung. Wenn diese These zutrifft, dann wäre die Hoffnung, mit dem Ende der zweiten Amtszeit von Trump werde der transatlantische Geist wiederauferstehen, eine Schimäre. Denn dass der Gigant von einst zu alter Größe zurückfindet, ist recht unwahrscheinlich.

Könnte die EU die vakante Rolle des Hegemon übernehmen? Sicherlich nicht in ihrer jetzigen Verfassung als Staatengemeinschaft, denn kein Akteur innerhalb dieser Gemeinschaft ist groß genug, um gemäß der von Olson beschriebenen Mechanismen genügend Anreize für eine Restaurierung der globalen Weltordnung zu haben. Also doch China?

 „Verehrtes Publikum, los, such dir selbst den Schluß! Es muß ein guter da sein, muß, muß, muß!“ Berthold Brecht, Der gute Mensch von Sezuan.

Blog-Beitrag zum Thema:

Henning Klodt (2018): Donald Trump: Lautsprecher eines schrumpfenden Giganten

Henning Klodt

Eine Antwort auf „Donald Trump
Töter oder Totengräber der globalen Weltordnung?

  1. Dann kann man nur hoffen, dass das Publikum nicht mit Dürrenmatt übereinstimmt:
    „Eine Geschichte ist dann zu Ende gedacht, wenn sie ihre schlimmstmögliche Wendung genommen hat.“ (Punkt 3 der 21 Punkte zu den Physikern)

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