Gastbeitrag
Weniger Sozialisierung wagen!
Ökonomische Anmerkungen zur Polizeikosten-Debatte im Profifußball

Die Streitfrage

Spiele im deutschen Profifußball werden vielfach durch Lärm, Staus, Müll und Krawalle begleitet. Da von diesen negativen Begleiterscheinungen nicht nur die Fußballklubs und Stadionbesucher betroffen sind, sondern auch Gesellschaftsmitglieder, die überhaupt nicht Teil der Wirtschaftstransaktion „Eintrittskarte-gegen-Geld“ sind, stellen diese Begleiterscheinungen aus ökonomischer Sicht negative externe Effekte dar (siehe z.B. Daumann 2012, 2018; Höfer & Mause 2015). Seit geraumer Zeit wird darüber diskutiert, ob es gerechtfertigt ist, dass der allgemeine Steuerzahler für die an Spieltagen anfallenden Kosten für Polizeieinsätze aufkommen muss. Dieser Kurzbeitrag zeigt, dass die Hauptargumente, die von den Verteidigern der Polizeikosten-Sozialisierung (insb. Klubs und deren Verbände) seit Jahren gebetsmühlenartig vorgebracht werden, aus ökonomischer Perspektive nicht stichhaltig sind, um eine Kostenbeteiligung des Profifußball-Gewerbes abzuwehren (ausführlicher hierzu Mause 2020).

Die ökonomische Analyse, dies sei bereits vorweggenommen, stützt die juristische Position, die im Rahmen des Rechtsstreits Bundesland Bremen vs. Deutsche Fußball Liga GmbH (DFL) das Oberverwaltungsgericht Bremen (02/2018) sowie – letztinstanzlich – das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig (03/2019) vertreten haben, wonach die Anbieter der kommerziellen Veranstaltung „Profifußball-Spiel“ unter bestimmten Bedingungen an den Polizeikosten beteiligt werden können (siehe BVerwG 2019). Im konkreten Fall stellte das Bundesland Bremen der DFL im April 2015 erstmals eine Polizeigebühren-Rechnung in Höhe von 425.718,11 Euro für ein Derby SV Werder Bremen vs. Hamburger SV zu, um sich den bei derartigen „Hochrisikospielen“ anfallenden polizeilichen Mehraufwand bezahlen zu lassen. Gebührenbescheide für weitere „Hochrisikospiele“ mit Werder-Beteiligung folgten. Nach der Niederlage vor dem Bundesverwaltungsgericht beglichen die DFL und Werder Bremen im Herbst 2019 die Bescheide. Allerdings war dies nicht das Ende der Polizeikosten-Debatte, da – Stand heute – noch offen ist, ob andere Bundesländer der Bremer Gebührenerhebungspraxis folgen werden. Zudem geht es bislang lediglich um eine Kostenbeteiligung des Profifußballs an Polizeieinsätzen bei sog. „Hochrisikospielen“. Und außerdem erwägen die Vereine bzw. die DFL eine weitergehende juristische Prüfung des Sachverhalts vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.

Das „großer Steuerzahler“ Argument

Verteidiger der Polizeikosten-Sozialisierung weisen häufig darauf hin, dass Profiklubs bereits in beträchtlichem Umfang Steuern zahlen, so dass sich jede Diskussion über zusätzlich zu zahlende Polizeieinsatzgebühren erübrige. Nach Angaben der DFL (2014b) haben die Vereine der 1. und 2. Bundesliga z.B. in der Saison 2012/2013 insgesamt Steuern und Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 850 Mio. Euro gezahlt, womit die in dieser Saison angefallenen fußballbedingten Polizeikosten in Höhe von ca. 100 Mio. Euro (DPolG 2014) abgegolten bzw. durch das Profifußball-Gewerbe selbst finanziert seien. Aus ökonomischer Sicht ist diese einfache Berechnung jedoch zu einfach. Denn wie viele andere Wirtschaftsunternehmen auch, müssen Fußballvereine Steuern zahlen, wenn sie mit ihren geschäftlichen Aktivitäten Einnahmen erzielen. Der Staat verwendet die Steuerzahlungen der Fußballbranche, zusammen mit den Steuerzahlungen vieler anderer Unternehmen und Bürger, nicht nur zur Finanzierung von öffentlichen Ausgaben im Zusammenhang mit Profifußball (z.B. Polizeieinsätze, Stadien, ÖPNV), sondern auch für Staatsausgaben in verschiedenen anderen Bereichen (Sozialausgaben, Straßenbau, Landesverteidigung usw.). In der finanzwissenschaftlichen Literatur werden Steuern üblicherweise definiert als Zwangsabgaben an den Staat bzw. „öffentliche Abgaben ohne rechtlichen Anspruch auf Gegenleistung“ (Zimmermann et al. 2017, S. 335). Die Fußballindustrie oder andere Steuerzahler haben demnach keinen Anspruch darauf, selbst zu bestimmen, für welche spezifischen Zwecke (z.B. zur Deckung der Kosten für fußballinduzierte Polizeieinsätze) ihre Steuerzahlungen vom Staat verwendet werden sollten. Aus finanzwissenschaftlicher Perspektive rechtfertigt die Tatsache, dass die Fußballbranche bereits in beträchtlichem Umfang Steuern zahlt, also nicht, dass sich dieser Wirtschaftszweig einem Finanzierungsmodell entziehen möchte, wonach – wie es z.B. in Frankreich, der Schweiz und Großbritannien bereits praktiziert wird (siehe Trauthig 2014) – die Veranstalter kommerzieller Fußballspiele an den an Spieltagen anfallenden Kosten für Polizeieinsätze in Form von zu zahlenden Polizeigebühren beteiligt werden.

Das Argument der privaten Sicherheitsausgaben

Die Vereine und ihre Verbände argumentieren oft, dass es ungerecht wäre, wenn sie Gebühren für Polizeieinsätze an Spieltagen zahlen müssten, da sie doch selbst bereits viel Geld dafür ausgeben, dass Fußballspiele für Stadionbesucher zu einem sicheren Sport-„Event“ werden. Nach Angaben der DFL (2011) investieren die Klubs der 1. und 2. Bundesliga jährlich mehr als 25 Mio. Euro in die Sicherheit der Stadionbesucher (z.B. Ausgaben für private Sicherheitsdienste, Fanbeauftragte oder sozialpädagogische Fanprojekte). Es ist sicherlich lobenswert, dass die Vereine bereits einiges an Geld ausgeben, um die negativen externen Effekte von Fußballspielen zu mindern und die Spiele für Besucher zu einem sicheren Sportereignis zu machen. Öffentlichkeitswirksame Hinweise der Klubs darauf, dass sie bereits mehr oder weniger viel Geld für private Sicherheitsmaßnahmen ausgeben, verhindern – wie Spieltag für Spieltag beobachtet werden kann – jedoch offensichtlich nicht, dass rund um die Spiele Dinge passieren, die Polizeieinsätze erfordern. Und es spricht aus ökonomischer Sicht nichts dagegen, die dabei anfallenden Polizeikosten den Veranstaltern der Spiele (d.h. Klubs und DFL) zumindest zum Teil in Rechnung zu stellen.

Das „öffentliche Sicherheit als Staatsaufgabe“ Argument

Verteidiger der Polizeikosten-Sozialisierung argumentieren oft, dass der Übergang zu einem Polizeigebühren-System „mit unseren verfassungsrechtlichen Grundsätzen nicht vereinbar [ist]. Die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit ist unabhängig von der Kassenlage der öffentlichen Haushalte allein Aufgabe des Staates […]. Denn der Polizeieinsatz dient der Wahrung der öffentlichen Sicherheit und damit dem Interesse der Allgemeinheit“ (DFL 2014a). Aus ökonomischer Sicht ist die Situation jedoch weniger klar. In dieser Hinsicht ist es wichtig, zwischen Polizeieinsätzen (a) auf dem Stadiongelände und (b) im öffentlichen Raum außerhalb dieses Geländes zu unterscheiden. Was das Stadiongelände betrifft, profitieren die Veranstalter und Besucher der kommerziellen Veranstaltung „Fußballspiel“ – und nicht die Gesellschaft als Ganzes – von der staatlichen Dienstleistung „Polizeieinsatz“. Die kostenfreie Nutzung dieser Dienstleistung kann als geldwerter Vorteil für die Vereine interpretiert werden, denn ohne die vom Steuerzahler finanzierte Polizeipräsenz müssten Klubs, die an Erlösen aus Ticketverkäufen interessiert sind, andere Wege finden, um (potentiellen) Stadionbesuchern glaubhaft zu signalisieren, dass ihre Sicherheit gewährleistet ist (z.B. durch Kostenaufwendungen für private Sicherheitsmaßnahmen). Wenn Vereine Polizeidienstleistungen nutzen, um Fußballspiele zu einem sicheren „Event“ zu machen, dann sollten Klubs aus finanzwissenschaftlicher Sicht auch dazu verpflichtet sein, eine Gebühr als Gegenleistung für die Inanspruchnahme dieser staatlichen Dienstleistung zu zahlen. Denn: „Gebühren sind vom Staat einseitig festgesetzte Abgaben, die bei Inanspruchnahme bestimmter staatlicher Leistungen erhoben werden“ (Zimmermann et al. 2017, S. 328). Anders ist die Situation außerhalb des Stadiongeländes zu beurteilen. Folgt man der finanzwissenschaftlichen Steuern-vs.-Gebühren-Unterscheidung, dann sind die Kosten für Polizeieinsätze an den Spieltagen im öffentlichen Raum vom Steuerzahler zu tragen, da alle Gesellschaftsmitglieder von Sicherheit und Ordnung im öffentlichen Raum profitieren.

Fazit

Festzuhalten ist, dass die Vereine und/oder ihre Verbände als Veranstalter der kommerziellen Veranstaltung „Fußballspiel“ aus ökonomischer Sicht zumindest die Kosten für Polizeieinsätze auf dem Stadiongelände zu tragen haben, während die Kosten für die polizeiliche Überwachung des öffentlichen Raums an den Spieltagen aus öffentlichen Mitteln bzw. vom Steuerzahler zu tragen sind. Diese Kostenaufteilung ist z.B. bereits gängige Praxis im Profifußball in Frankreich und Großbritannien. Wie das Beispiel der Sportveranstaltung Tour de France zeigt, kann der Staat in der Praxis natürlich von diesem finanztheoretischen Gebot abweichen. So müssen die Veranstalter dieses Radrennens, das offensichtlich größtenteils im öffentlichen Raum stattfindet, Polizeigebühren zahlen, weil es sich (a) um eine kommerzielle Veranstaltung handelt, und weil das dreiwöchige Rennen (b) für die französische Polizei einen beträchtlichen Mehraufwand verursacht, der ohne das Rennen nicht entstehen würde (Trauthig 2014). Beide Kriterien treffen auch für die Spiele im deutschen Profifußball zu. Was also getan werden könnte, ist, Klubs den an Spieltagen bei der polizeilichen Überwachung des öffentlichen Raums entstehenden Mehraufwand (z.B. zusätzliche Polizeipräsenz in Stadionnähe und in den von vielen Fußballfans frequentierten Bereichen der Stadt) in Rechnung zu stellen (so auch Höfer & Mause 2015; Daumann 2018). Diese Position wurde übrigens auch in dem eingangs skizzierten Rechtsstreit Bremen-vs.-DFL vom Bundesland Bremen vertreten und wurde im Februar 2018 durch das Oberverwaltungsgericht Bremen und im März 2019 durch das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig juristisch bestätigt (siehe BVerwG 2019). Abzuwarten bleibt, ob andere Bundesländer der nun in Bremen rechtsgültigen Gebührenregelung folgen werden, wonach der Profifußball in gewissem Umfang an den Kosten von Polizeieinsätzen bei sog. „Hochrisikospielen“ beteiligt wird. Zudem könnte die Kostenbeteiligung auf sämtliche Fußballspiele im Profibereich ausgedehnt werden.

Literatur

BVerwG (2019). Gebührenpflicht eines Veranstalters für besonderen polizeilichen Aufwand bei Hochrisiko-Veranstaltung. Urteil BVerwG 9 C 4.18 vom 29.03.2019.

Daumann, Frank (2012). Sollen Vereine die Kosten für Polizeieinsätze im professionellen Fußball tragen? Wirtschaftliche Freiheit: Das ordnungspolitische Journal vom 21.07.2012, http:// wirtschaftlichefreiheit.de/wordpress/?p=9713

Daumann, Frank (2018). Im Visier – Fußball-Bundesligisten sollten Kosten des Polizeiaufgebots zahlen. WiSt – Wirtschaftswissenschaftliches Studium 47(4), S. 1.

DFL (2011). Profifußball investiert jährlich rund 25 Millionen Euro in Sicherheitsmaßnahmen. Pressemitteilung vom 28.04.2011.

DFL (2014a). Ligaverband wird gegen Bremer Beschluss alle juristischen Möglichkeiten ausschöpfen. Pressemitteilung vom 22.07.2014.

DFL (2014b). Bundesliga-Report 2014: Die wirtschaftliche Situation im Lizenzfußball. Frankfurt am Main: DFL.

DPolG (2014). Sicherheit bei Fußballspielen: Zahl der Polizeikräfte sinnvoll anpassen. Pressemitteilung Deutsche Polizeigewerkschaft vom 26.09.2014.

Höfer, Dennis & Mause, Karsten (2015). Public Events as Public Bads. Homo Oeconomicus – Journal of Behavioral & Institutional Economics 32(3/4), S. 401-426. [PDF download]

Mause, Karsten (2020). Fußballspiele, Polizeieinsätze und Steuerzahler: Ökonomische Anmerkungen zur Polizeikosten-Debatte. List Forum für Wirtschafts- und Finanzpolitik, im Druck. [PDF download]

Trauthig, Julian (2014). Wer zahlt, wenn es kracht? Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 04.08.2014, S. 23.

Zimmermann, Horst; Henke, Klaus-Dirk & Broer, Michael (2017): Finanzwissenschaft: Eine Einführung in die Staatsfinanzen. 12. Aufl. München: Vahlen.

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