Gastbeitrag
DFL Rechtevergabe
Es braucht einen geeigneten Ordnungsrahmen!

Mitte Juni ist die neue Runde der Rechtevergabe zu Ende gegangen. Es geht um die Übertragungsrechte an den Spielen der ersten und zweiten Bundesliga, die zentral durch die DFL für alle Vereine dieser beiden Ligen vergeben wird. Es hat sich fast nichts geändert: Sky wird weiterhin die Spiele am Samstag übertragen, DAZN ist Freitag und Sonntag dran. Damit kann DAZN seine Position stärken. Für Fußballfans bedeutet dies aber einmal mehr, dass sie in Zukunft wohl mindestens zwei Abos für die Fußball-Bundesliga werden abschließen müssen.

Polemisch ließe sich sagen, dass die Vergabe der Medienrechte dem Trauerspiel der Fußball-Bundesliga in Corona-Zeiten nicht ungleich ist. So wie die Vereine ihren wahren Charakter offenbaren, indem sie nur für sich selbst spielen, so dient auch die Bündelung der Rechtevergabe durch die DFL allein dem Zweck der Einnahmenmaximierung unter dem Deckmantel einer vermeintlichen Fanverbundenheit.

Eigentlich erbringen die Vereine die Leistungen eines Spiels, womit ihnen auch das Recht an der Vermarktung zusteht. Im Rahmen einer sogenannten Verpflichtungszusage willigt das Bundeskartellamt regelmäßig ein, dass die Vereine ihre Angebote in der DFL bündeln, um so ein einheitliches und zentral zu vermarktendes Produkt zu schaffen. Ein solches Vermarktungskartell, die sogenannte Zentralvermarktung, führt zu höheren Preisen für die Übertragungsrechte, welche direkt von den Medienunternehmen, indirekt aber vom Zuschauer getragen werden: Die erfolgreichen Medien müssen die hohen Kosten für die Übertragungsrechte durch vermehrte Werbung, höhere Abopreise und/oder eine Verschlechterung des sonstigen Programmes weitergeben (wo dann Kosten gespart werden müssen). Dem Nachteil der Kartellierung, die den Wettbewerb zwischen den Vereinen um Medienverträge aussetzt, stehen sog. Koordinierungseffekte gegenüber, beispielsweise durch einen hohen Übertragungsstandard des Produkts Bundesliga, aufeinander abgestimmte Spielpläne und einem Umverteilungssystem von umsatzstarken zu schwächeren Vereinen.

Das Problem ist aber dreierlei: Erstens ist die Zentralvermarktung für die Realisation der Koordinierungseffekte überhaupt nicht notwendig. Es wäre durchaus denkbar, dass die DFL wie bisher zentral für alle Vereine der ersten und zweiten Bundesliga den Spielplan sowie einen gemeinsamen Standard für die Qualität der Übertragung festlegt. Doch warum soll die DFL dann auch die Übertragung übernehmen bzw. die Übertragungsrechte zentral vermarkten? Den Vereinen könnte es genauso überlassen werden, die Übertragung zu sichern. Entweder in house durch Eigenproduktion oder durch Ausschreibung der Dienstleistung am Markt. So gäbe es eine klare Trennung zwischen dem Regelsetzer, der DFL, und den Wettbewerbern, die sich am Markt behaupten können.

Zweitens findet eine Umverteilung der Einnahmen aus der Zentralvermarktung nur zum Teil statt. Die Einnahmen werden nämlich keinesfalls gleich verteilt oder überwiegend an die schwächeren Vereine ausgeschüttet. Ganz im Gegenteil, der sportliche Erfolg der vergangenen Saisons bestimmt im Wesentlichen die Ausschüttung, so dass die Großen stets erheblich mehr erhalten als die Kleinen. Und dies, obwohl die Großen bei den anderen Einnahmen ohnehin schon bevorteilt sind und deutlich mehr durch Sponsoren, Merchandising und internationale Wettbewerbe verdienen. Die finanzielle Schieflage zwischen Großen und Kleinen wird durch die Zentralvermarktung also nur bedingt gemildert.

Drittens ist das ganze Verfahren höchst intransparent und wenig an ordnungspolitische Prinzipien angelehnt. Im Zentrum steht die DFL, die nicht nur die Regeln für das Auktionsverfahren festlegt, sondern auch als Spieler selbst in das Verfahren eingreift. Dies ist ein ordnungspolitischer Fauxpas ersten Grades. Schiedsrichter und Spieler sollten nie in einer Person auftreten.

Zwar ließe sich erwidern, dass das Bundeskartellamt im Rahmen der Verpflichtungszusagen eine Art Mitspracherecht hat. Dies ist sicherlich nicht ganz von der Hand zu weisen. Wer allerdings um die Machtverhältnisse kennt, die bei solchen Beratungen eine Rolle spielen, weiß, dass die Frage der Ressourcenverteilung eher für die Unternehmensinteressen sprechen, bei allen guten Bemühungen Seiten des Amtes. Dies wird noch klassisch durch die ungleiche Informationslage verstärkt. Ökonomen sprechen von asymmetrischer Information, so dass ein Fall des regulatory capture, also des Einspannens der Behörde für die eigenen Belange, nicht immer von der Hand zu weisen ist.

So ist denn auch das, was rechtzeitig über die Ausgestaltung der Rechtevergabe bekannt ist, wenig erbaulich. Für die jeweils laufenden Runden ist das: fast nichts. Bis auf eine Pressemitteilung des Bundeskartellamts gab es vor Ablauf der Auktion diesen Monat kaum offizielle Informationen.

Wenig überrascht wurde die diesmalige Runde ähnlich ausgestaltet wie vor vier Jahren. Offen ist aber beispielsweise, mit welcher Begründung das Alleinerwerbsverbot modifiziert wurde oder was die Ratio für die neue Definition der Rechtepakete ist. Warum gilt die Vorgabe für die Nicht-Exklusivität diesmal für zwei Pakete, früher nur für eins? Warum nicht gleich für alle drei oder vier Live-Pakete? Warum wird nicht eine nicht-exklusive Vermarktung umgesetzt, die den Wettbewerb definitiv zu Gunsten der Kunden anheizen könnte?

Während die Aufteilung der Übertragungsrechte in mehrere jeweils exklusive Live-Pakete für die Zuschauer einigermaßen unproblematisch ist, würden alle im freien TV landen, so ändert sich das mit Pay-TV and Streamingdiensten. Je mehr Pakete unterschiedliche Käufer finden, umso mehr Abonnements und Verträge muss der Fan erwerben und managen. Damit wird der Zuschauer durch das Kartell gleich zweimal benachteiligt: durch den höheren Preis, der indirekt an ihn weiter gereicht wird, und durch die höheren Transaktionskosten der multiplen Subskriptionen. Damit wird deutlich, was die DFL in der Corona-Krise auch schon an ganz anderer Stelle offenbarte: Sinn und Zweck des Zentralvermarktungskartells ist ausschließlich die Interessenwahrung der Liga; die Fans und Konsumenten haben dafür zu zahlen.

Die Entscheidung des Bundeskartellamts zur letzten Vergaberunde lässt solche Fragen leider unbeantwortet. Insbesondere bleibt offen, was eigentlich durch das Vermarktungskartell geschützt werden soll. So wird in der Entscheidung nur auf die Medienmärkte und die Zuschauermärkte abgezielt. Der Eindruck bleibt aber, dass es eigentlich um die (Spieler-) Märkte der Vereine geht. Das Kunststück soll gelingen, einige Vereine international konkurrenzfähig zu halten, ohne das Interesse an einer spannenden nationalen Bundesliga zu ersticken.

Solch ein Ziel ist legitim. Nur sollte es dann auch klar formuliert und dargestellt werden, wie es am besten zu erreichen ist. Ist nicht die achtfache Meisterschaft der Bayern und die doch recht große Langeweile in der Bundesliga – zumindest was die Meisterschaft angeht – ein Beleg dafür, dass Reformen notwendig sind?

Dies wird verstärkt durch den Eindruck, dass das Alleinerwerbsverbot – durchgesetzt durch das Bundeskartellamt nach Leitlinien der Europäischen Kommission – eher zu steigenden Ausgaben seitens der Fans geführt hat, zumindest dann, wenn die Fans alle Spiele eines Spieltags live sehen wollen. Wirklicher Wettbewerb wurde bisher nicht induziert.

Außerdem: Wenn das Ziel die internationale Wettbewerbsfähigkeit ist, dann sollte dies auch klar formuliert werden. Hierzu ist ein ordnungspolitischer Ansatz notwendig, der basierend auf zuvor festgelegten Kriterien (bspw. sportliche Ausgeglichenheit, internationale Wettbewerbsfähigkeit, Qualitätsniveau) darstellt, wie diese Ziele am besten erreicht werden können – und das beinhaltet auch eine wettbewerbliche Ausgestaltung der Märkte. Das Bundeskartellamt ist mit seiner Expertise natürlich einzubinden. Gleichzeitig würde es von der Last der ewigen Fallprüfung alle paar Jahre befreit. Die Vergabe der Rechte stünde auf einem soliden Sockel.

Es ist also an der Zeit, das Marktdesign zur Rechtevergabe ordnungspolitisch abzusichern, damit wettbewerbliche Anforderungen erfüllt werden können. Zu diskutieren wäre beispielsweise, ob eine Einzelvermarktung, die so mit einem Umverteilungssystem gekoppelt wird, das auch schwächere Vereine mit exzellenter Arbeit wirkliche Chancen hätten, nicht Potentiale freilegt, die die Zentralvermarktung momentan zukleistert. Besonders die kleinen Vereine könnten davon profitieren, denn sie hätten eine viel bessere Möglichkeit, die eigene Fanbasis gezielt (d.h. günstig) anzusprechen und auch auszubauen. Leistung würde sich wirklich wieder lohnen. Die Mehrseitigkeit der Märkte dämpft ohnehin die Anreize auf der Zuschauerseite über das Ziel hinauszustoßen. Warum wollen wir diesen Wettbewerb nicht zulassen? Gründe der Fairness können es nicht sein, denn eine starke Unwucht in den Rechteerlösen lassen sich ja trotzdem durch Umverteilung lösen. Die Vergabe ausschließlich nicht-exklusiver Übertragungsrechte könnte zudem sicherstellen, dass Fans nicht zu multiplen Streaming-/PayTV-Abonnements gezwungen werden.

Zum anderen würde die Rolle der DFL klarer definiert werden können. Soll sie Schiedsrichter sein oder Spieler? Beides zusammen geht jedenfalls nicht. Das ist gegenwärtig vielleicht zum Vorteil der dicken Fische, aber um die geht es eben nicht ausschließlich. Wettbewerbliche Prinzipien müssen gerade auch im kommerziellen Sport gelten. Es wird Zeit, die Potentiale des Wettbewerbs im Profifußball freizulegen.

Andreas Polk und Oliver Budzinski
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