Antigen-Corona-Schnelltests in privat organisierten lokalen Testzentren von geschultem Personal gelten als eine wichtige Maßnahme, die COVID-19 Pandemie in Deutschland unter Kontrolle zu bringen. Jede Person in Deutschland hat seit dem 21. März 2021 Anspruch auf mindestens einen solchen Bürgertest pro Woche. Über das Ergebnis eines Tests wird eine Bescheinigung ausgestellt, die es bei negativem Testergebnis erlaubt, Geschäfte und Restaurants aufzusuchen und an Veranstaltungen teilzunehmen. Bei positivem Ergebnis des Tests wird dies dem Gesundheitsamt mitgeteilt und es besteht Anspruch auf einen PCR-Test, um eine SARS-CoV-2-Infektion zu bestätigen oder zu widerlegen. Nach Angaben des Bundes der Steuerzahler werden bis zu 21 Euro pro Test gezahlt, 6 Euro für Sachkosten und 15 Euro für die Testdurchführung. Sollten sich tatsächlich alle Bürger einmal pro Woche testen lassen, kommt der Steuerzahlerbund auf Kosten von 630 Millionen Euro pro Monat.
Dass dieses Finanzierungsmodell Betrugsanreize bietet, ist recht einfach zu erkennen, insbesondere wenn es keine Kontrolle darüber gibt, ob die Tests vor Ort tatsächlich in entsprechender Höhe vorgenommen wurden. Unabhängig davon stellt sich die Frage, ob das Finanzierungsmodell dazu führt, dass ein Anreiz besteht, die tatsächlich infizierten Personen herauszufinden und nicht nur negative Testzertifikate auszustellen. Leider ist das nicht der Fall: Das gegenwärtige Finanzierungsmodell setzt Anreize, billiges Personal einzusetzen und die Zahl der Tests zu maximieren, wenn nicht sogar nur vorzutäuschen. Beim Gang durch die Innenstädte in Deutschland wundert man sich daher nicht, dass neben Apotheken und anderen fachkundigen Anbietern auch zahlreiche fachfremde Anbieter von Covid-Tests Testwillige mit Wattstäbchen, Spucktüten und Lollitests locken. Wenn jeder Test bezahlt wird, ist es kein Wunder, dass Anbieter Wert auf Quantität statt auf Qualität legen. Fatalerweise muss man davon ausgehen, dass es vielen Testwilligen auch nicht um einen korrekten Test geht, sondern um einen Persilschein zum Kneipenbesuch – was schlampiges Testen und Betrugsversuche begünstigt, weil der Kunde als Kontrollinstanz damit ausfällt.
Geht man davon aus, dass es die primäre Aufgabe der Schnelltests ist herauszufinden, wie viele Personen tatsächlich aktuell mit dem Coronavirus infiziert sind, ist die bisherige Finanzierung der Schnelltests kontraproduktiv. Ein anreizkompatibles Finanzierungskonzept, das ohne zusätzliche Kontrollmaßnahmen auskommen würde, besteht darin, nur solche Schnelltests zu bezahlen, die ein positives Ergebnis zeigen und anschließend mit einem positiven PCR-Test bestätigt werden. Der Betrag pro bestätigten positiven Test müsste dabei allerdings wesentlich höher sein als der bisherige Betrag von 21 Euro. Bei einer Positivrate der PCR-Tests von 5 Prozent der insgesamt durchgeführten Schnelltests könnte man – bei einem Monatsbudget von 630 Millionen Euro und 30 Millionen Tests im Monat – pro positiv bestätigten Schnelltest 420 Euro zahlen. Diese Finanzierung führt dazu, dass es einen starken Anreiz dafür gibt, Schnelltest mit qualifiziertem Personal sorgfältig durchzuführen. Vermutlich würde die Zahl der Teststellen sinken – das wäre dann aber eine Folge der Qualitätsverbesserung.
Eine Variante dieses Finanzierungssystems besteht darin, neben der Zahlung für positive Tests zunächst lediglich die Sachkosten in Höhe von 6 Euro pro Test zu bezahlen. Ausgegangen vom Testbudget in Höhe von 630 Millionen Euro pro Monat stünden nach Abzug der Sachkosten für 30 Millionen Tests im Monat, also 180 Millionen Euro, noch 450 Millionen Euro zur Verfügung zur Vergütung der Schnelltests. Bei der angenommenen Positivrate dieser Tests von fünf Prozent könnten 300 Euro pro Schnelltest gezahlt werden, der mit einen positivem PCR-Test bestätigt wird.
Was wären die möglichen Nachteile dieser Finanzierung? Zunächst würde die Zahl der Teststellen sinken. Insbesondere solche Teststellen, die nur wenige Tests durchführen (im Zweifelsfall aber viele Tests abrechnen), würden verschwinden. Auf die Testqualität würde sich das allerdings vorteilhaft auswirken, da insbesondere solche Stellen entfallen, die mit gering qualifiziertem Personal testen. Die Schnelltest-Trittbrettfahrer würden verschwinden. Damit würden auch automatisch die Betrügereien mit Scheintests zurückgehen, da es sich für die Erstattung von sechs Euro Sachkosten nicht lohnt, eine Teststelle zu betreiben. Ganz ausgeschlossen ist bei der Erstattung der Sachkosten der Betrug allerdings nicht, da auch die Abrechnung viel zu großer Testmengen noch lohnen kann, wenn man pro Test noch sechs Euro erhält. Will man Betrügereien ohne den Aufbau kostspieliger Kontrollen vollständig zurückführen, darf man nur positiv bestätigte Tests bezahlen.
Die geringere Zahl von Teststellen könnte allerdings dazu führen, dass insgesamt weniger Schnelltests durchgeführt werden. Das wäre hinsichtlich des Ziels, möglichst viele der vorhandenen unerkannten Infektionen zu entdecken, nur dann schädlich, wenn sich ausgerechnet diejenigen nicht mehr testen ließen, die ein höheres Infektionsrisiko haben. Davon ist nicht auszugehen. Und eine hohe Zahl von Tests hilft bei der Pandemie-Bekämpfung nicht, wenn diese Tests schlampig durchgeführt oder nur vorgetäuscht werden. Allerdings muss bei beiden Finanzierungsvarianten bei positivem Schnelltest ein PCR-Test vom Gesundheitsamt angeordnet werden, falls die Betroffenen sich nicht freiwillig diesem unterziehen wollen. Nicht zuletzt muss die Bezahlung der positiven Tests zeitnah angepasst werden, wenn sich die Inzidenz ändert – bei einer geringeren Zahl von positiven Tests muss man pro positiv- Ergebnis entsprechend mehr zahlen. Verglichen mit dem – oftmals wenig effektiven – Aufwand zur Entdeckung von Betrügereien und schlampigen Testprozeduren ein geringer Preis, der es wert ist.
Literatur
Bund der Steuerzahler (2021). Was kosten die Corona-Schnelltests die Steuerzahler? https://www.steuerzahler.de/aktuelles/detail/was-kosten-die-corona-schnelltests-die-steuerzahler/ [09.06.2021].
Eine vegleichsweise einfache Überprüfung ist das Versenden von Kontrollmitteilungen der erstattenden Stellen an die zuständigen Finanzämter, denn bei denen müssen die Erstattungen ja in den Steuererklärungen der Testbetreiber angegeben werden. Selbst wenn diese Praxis noch nicht eingeführt sein sollte, lässt sie sich problemlos nachholen. Dass diese nachgelagerte Kontrolle manchen Testschummler Sorgen machen sollte, habe ich merkwürdigerweise noch nirgends gelesen.