Ende 2021 warnten Autoren der Schweizer Großbank UBS, dass die Wohnungspreise in Frankfurt am Main am stärksten von ihren fundamental gerechtfertigten Werten entfernt seien – weltweit. In einer ähnlich konzipierten Studie aus dem Jahr 2019 wurde München als die Stadt mit den weltweit größten Verwerfungen auf den Wohnungsmärkten ausgewiesen, die Autoren sprechen selbst von den größten Risiken für Immobilienblasen. Von einer Immobilienblase wird üblicherweise dann gesprochen, wenn die realisierten Preise für eine durchschnittliche Immobilie nicht mehr durch fundamentale Bestimmungsfaktoren wie Einkommensentwicklung, Bevölkerungsentwicklung, Zinsentwicklung oder Fertigstellungszahlen erklärt werden können. Häufig wird als zusätzliches Merkmal herangezogen, dass aufgrund dieser Dynamik Immobilien zunehmend mit Fremdkapital finanziert werden müssen.
In der Tat sind typische Übertreibungsindikatoren wie die Relation aus Wohnungspreisen zu Einkommen oder Mieten in fast allen deutschen Städten in den letzten zehn Jahren erheblich gestiegen. Gemäß den Daten der Bundesbank ist der Index für die Erschwinglichkeit (Relation aus Kaufpreisen zu Einkommen) binnen zehn Jahren um 50 Indexpunkte gestiegen, der Indikator für die Rentabilität (Relation aus Kaufpreisen zu Jahresmieteinnahmen) um 30 Indexpunkte. Immerhin signalisieren die meisten Indikatoren für die Wohnungsfinanzierung, dass überwiegend vorsichtig finanziert wird. Zwar wachsen die Kreditbestände der deutschen Banken für die Wohnungsbestände bis zum aktuellen Rand beschleunigt, um zuletzt rund 7% gg. Vj., doch weil weiterhin von den Haushalten zügig getilgt wird, bleibt deren Verschuldung in der Nähe des langjährigen Mittelwertes, und die Ausgaben für Zinszahlungen als Anteil an den verfügbaren Einkommen sind sogar weniger als halb so hoch als im Jahr 2004. Dies veranschaulicht einen zentralen Aspekt, der bei vielen Diskussionen um Immobilienblasen wenig beachtet wird, dass die Entwicklung der Zinsen ein fundamentaler Bestimmungsfaktor für die Wohnungspreise ist, weil die Finanzierung erleichtert wird, und weil festverzinsliche Alternativen für Anleger, die an planbaren Auszahlungen interessiert sind, an Bedeutung verlieren. Insofern kommen Analysten eher zu dem Ergebnis, dass es eine spekulative Übertreibung auf Wohnungsmärkten gibt (Blase), je geringer das Gewicht der Zinsdynamik in ihrem Indikatorenset ist.
Weil das Platzen einer Blase schwierig vorherzusagen ist, da ja spekulative, also behavioristische Elemente wichtig sind, ist es sinnvoll, eine mögliche zukünftige Entwicklung unter der Annahme zu beginnen, dass die Preise (weitgehend) durch die fundamentalen Faktoren inklusive der Zinshöhe und -entwicklung, erklärbar seien. Denn dann lassen sich die bereits einsetzenden Veränderungen ebenfalls in fundamental gerechtfertigten Preisveränderungen übertragen. Für 2022/2023 sind hier (mindestens) sechs Entwicklungen plausibel oder sogar schon eingetreten – drei belastende und drei schubgebende Faktoren.
Fangen wir mit den Belastungsfaktoren an: Erstens, die seit Jahren angekündigte Zinswende ist nun eingetreten. Wohnungsfinanzierungen haben sich seit Ende 2021 um rund 200 Basispunkte verteuert. Bei konstanter Tilgung sinkt der maximal darstellbare Hauspreis für Erstkäufer mit geringem Eigenkapital allein durch diesen Effekt rasch um einen sechsstelligen Betrag. In einem Immobilienbewertungsmodell, in das die erwarteten Mieteinsparungen diskontiert werden, und bei denen der Diskontfaktor aus einem risikolosen Zinssatz und einem (zunächst) konstanten Risikozuschlag besteht, müssen bei unveränderter Mietänderungserwartung also die Preise sinken, wenn der risikolose Zins steigt. Hinzu kommt zweitens, dass es angesichts der aktuellen Unsicherheiten und der Diskussion über Immobilienmarktrisiken diskutiert werden muss, ob die Annahme, der Risikozuschlag sei auch künftig konstant, belastbar ist. Mehren sich Rezessionssorgen, wächst auch der Druck auf Wohnungsmärkte und dies könnte einen höheren Zuschlag und damit einen noch höheren Diskontfaktor rechtfertigen. Höhere konjunkturelle Risiken bedeuten zusätzlich, dass c.p. Mietsteigerungen schwerer durchzusetzen sind, die Immobilienpreise könnten also zusätzlich unter Druck geraten, weil die Mieterwartungen nach unten angepasst werden könnten. Drittens stehen privaten Haushalten aufgrund der hohen Inflationsraten geringe Budgets für eine Tilgung zur Verfügung. Eine Anpassungsreaktion könnte darin bestehen, die Tilgungsraten zu reduzieren, doch damit wird letztlich das Zinsänderungsrisiko in der Zukunft gravierender und müsste in einer Risikobetrachtung berücksichtigt werden. Diese drei Faktoren wirken eindeutig preisdämpfend.
Gleichzeitig sind die Baupreise in den letzten Jahren stark gestiegen, zuletzt sogar beschleunigt. Bauträger und Projektentwickler werden versuchen, diese Kostensteigerungen durch höhere Preise zu kompensieren. Dies wird natürlich nicht beliebig gelingen, denn sonst stellt sich die Frage, warum die Preise nicht schon ohne die Kostensteigerungen erhöht worden waren.
– zum Vergrößern bitte auf die Grafik klicken –
Doch erstens dort, wo die Nachfrage im Neubausegment besonders unelastisch ist und wo die Haushaltseinkommen hoch sind, sind Preiserhöhungen plausibel. Dies wäre in Ballungsräumen mit sehr geringen Leerständen und niedriger Arbeitslosigkeit am ehesten der Fall. Auch dürften Vermieter versuchen, die hohen Inflationsraten an die Mieter weiterzugeben. Sofern indexierte Mietverträge vorliegen, ist dies am ehesten möglich. Ansonsten gelten hier die mietrechtlichen und wettbewerblich engen Preissetzungsspielräume der Vermieter. Falls eine Mietsteigerung durchsetzbar ist, wirkt dies im Bewertungsmodell preiserhöhend. Zweitens dürften nach den vollzogenen Lockerungsmaßnahmen 2022 und aufgrund des Kriegs in der Ukraine wieder (etwas) mehr Menschen nach Deutschland und damit in die deutschen Ballungsgebiete kommen. Dies wird den Wohnraum verknappen, insbesondere deswegen, weil drittens aufgrund der stark steigenden Zinsen und der hohen Baukostensteigerungen ein Rückgang der Wohnungsfertigstellungen zu erwarten ist. Gerade kleine und junge Projektentwickler und Bauträger, die nicht lange von dem zehnjährigen Boom profitieren konnten und die nur über wenige Projekte und Grundstücke verfügen, könnten gravierende Finanzierungsengpässe erleben und genötigt werden, Projekte oder Grundstücke voreilig abzustoßen. Insofern wirkt das dritte Argument für die Mietseite zwar kurzfristig mieterhöhend, doch für die Preisseite eher dämpfend.
Der Nettoeffekt dieser sechs Faktoren ist schwer ex ante zu ermessen, doch plausibel ist, dass der Zinseffekt dominiert. Letztlich könnten die Preise nur konstant bleiben, wenn die Mieten zusätzlich zu den bereits bestehenden Mieterwartungen um ebenfalls 200 Basispunkte jedes Jahr erhöht werden könnten. Angesichts der bestehenden Mietgesetze und der bereits zuvor umgesetzten Mieterhöhungen, lässt sich diese Annahme kaum auf die moderate Belebung der Zuwanderung und den geringen Anteil inflationsindexierter Mietverträge stützen.
Dass die Abwärtsrisiken wohl dominieren, lässt sich auch daran ablesen, dass die Kurse von deutschen Immobilienaktienunternehmen seit Monaten sinken. Natürlich ist dies nicht mehr als ein weiteres Indiz, denn Immobilienaktienunternehmen hängen immer auch an der allgemeinen Aktienkursentwicklung, doch natürlich berücksichtigen Aktienanalysten bei der Bewertung von Immobilienunternehmen auch die mögliche zukünftige Entwicklung der unterlegten Werte.
Abschließend bleibt also zu sagen, dass es nicht der Annahme einer spekulativen Übertreibung bedarf, um künftig mit einer zumindest deutlichen Verlangsamung des Preisauftriebs in Deutschland, wohl sogar mit Preisrückgängen, zu rechnen. Das bedeutet, behavioristische Aspekte könnten dieser Entwicklung eine zusätzliche Abwärtsdynamik geben, denn Anleger sind natürlich anfällig für Herdendynamiken. In diesem Sinne ist es auffällig, dass mit der Google Suchmaschine heute deutlich häufiger nach dem Begriff „Immobilienblase“ gesucht wird als vor der Pandemie und in der ersten Hälfte der 2010er Jahre. Sorgen wiegen manchmal schwerer als eine fundamentale Analyse, insofern spricht auch dieser Google-Indikator eher für mehr Vorsicht.
– zum Vergrößern bitte auf die Grafik klicken –
- Gut, dass sich der Sachverständigenrat ausführlich dem Thema Wohnen widmet - 21. November 2024
- Immobilienmärkte werden nur langsam transparenter - 8. Oktober 2024
- Erholung auf den Immobilienmärkten
Mühsam und uneinheitlich - 23. Juli 2024
Es wird definitiv eine Marktkorrektur und einige Tränen geben.
Zu viele Immobilien sind die letzten Jahre über Wert verkauft worden. Ebenso haben zu viele Interessenten Kredite bekommen, die sie bei einer Steigerung von nur 0.5 % der Zinsen gar nicht mehr bedienen können.
Allein hier in der Straße kenne ich schon 2 solcher Fälle.
Ich kann die Menschen aber auch nicht verstehen, sie leben als Mechaniker oder Büroangestellte nach dem Motto „koste es was es wolle“, ohne einmal plausibel zu rechnen, ob sie mit Anfang 40 ihre 700.000 EUR Kreditlast bis zur Rente überhaupt abzahlen können.
Dass Investoren teilweise Objekte schon abstoßen, weil die Rendite nicht mehr passt, zeigt doch schon, wo der Weg hingeht. Die Privatpersonen wird es dann wenige Monate später treffen.