Während Norwegen schon 2025 keine Verbrennerautos mehr neu zulassen will, hat sich die deutsche Ampelkoalition im Sommer darauf verständigt, ab 2035 nur noch solche Pkw zuzulassen, die mit synthetischen Kraftstoffen, sogenannten E-Fuels, fahren. Hintergrund ist unter anderem die von der Europäischen Union anvisierte Klimaneutralität des Kontinents bis 2050.
Nach dem Willen der EU-Kommission sollen künftig nur noch klimaneutrale Fahrzeuge auf den Markt kommen. Doch hilft ein faktisches Verbrennerverbot überhaupt, dem Klima zu helfen? Während Markus Lienkamp die Elektromobilität als einzige Option zur Reduzierung von CO2 ansieht und das Verbot lieber früher als später einführen würde, bezweifelt Hans-Werner Sinn, dass durch die Verbannung dieser Motor-Art der Umwelt gedient ist, weil stattdessen andere Länder auf der Welt das Öl nachfragen würden.
Pro: Markus Lienkamp
Prof. Dr. Markus Lienkamp war 15 Jahre bei der Volkswagen AG tätig. Seit 13 Jahren leitet er den Lehrstuhl für Fahrzeugtechnik an der TU München und forscht an den Themen Elektromobilität, Autonomes Fahren und Mobilität. Aus dem Lehrstuhl wurden bisher acht Start-ups gegründet.
Hauptargumente
Um das Pariser Klimaabkommen zu erfüllen, muss der Verkehr CO2-frei werden. Die einzige technische und betriebswirtschaftlich tragbare Option sind Elektrofahrzeuge. Diese stoßen in einer Lebenszeitbetrachtung bei Umstellung der Energieversorgung auf CO2-freie Energien erheblich weniger CO2 aus wie die heutigen Verbrenner. Synthetische Kraftstoffe sind zu teuer und sind in der gesamtheitlichen Umweltbilanz schlechter als fossile Kraftstoffe. Wasserstoff ist im Pkw-Bereich nicht bezahlbar.
Ursachen
Verbrennungsmotoren können vom CO2-Ausstoß nicht weiter optimiert werden. Die CO2-Reduktion um 90% bis 2050 des Pariser Klimaabkommens erfordert bei 20 Jahren Lebensdauer den Ausstieg aus dem Verbrenner bis zum Jahr 2030.
Probleme
Als Ingenieure haben wir als CO2-freie Option nur Wasserstoff (25 % Wirkungsgrad), Elektromobilität (80 %) und synthetische Kraftstoffe (15 %). Aufgrund der Wirkungsgradketten ist nur die Elektromobilität ab Fahrleistungen oberhalb von 5000 Kilometern pro Jahr bezahlbar. Elektrofahrzeuge werden bei hohen Laufleistungen immer wirtschaftlicher. Allerdings haben diese einen hohen mineralischen Ressourcenverbrauch. Die einzige Lösung sind geteilte Elektrofahrzeuge oder der Verzicht auf automobile Mobilität.
Politikvorschläge
Die Politik muss die einzig sinnvoll verfügbare CO2-freie technische Option des Elektrofahrzeugs konsequent fördern und nicht die Technologieoffenheit bis zum Sankt Nimmerleinstag als Mantra aufrecht erhalten. Deshalb muss die Politik einen klaren Ausstiegszeitpunkt bis 2030 für die Neuzulassung von Verbrennungsmotoren beschließen. Parallel dazu muss die Ladeinfrastruktur auf Basis von erneuerbaren Energien konsequent ausgebaut werden.
Contra: Hans-Werner Sinn
Prof. Dr. Dr. hc. mult. Hans-Werner Sinn ist Emeritus der LMU München. Er war Präsident des ifo Instituts, des Vereins für Socialpolitik und des Weltverbandes der Finanzwissenschaftler. Er hat ein umfangreiches Oeuvre wissenschaftlicher Fachveröffentlichungen erstellt.
Hauptargument
Da Öl auf den Weltmärkten handelbar ist, reduziert das europäische Verbrennerverbot den CO2-Ausstoß der Welt nur dann, wenn wir das nicht mehr benötigte Öl weiterhin kaufen und einlagern. Das tun wir aber nicht, sondern geben das Öl für andere frei. Zu fallenden Preisen wird es in andere Länder verkauft, wo es stattdessen verbrannt wird.
Ursache
Obwohl der Ölpreis wegen unterschiedlicher Konjunkturlagen auf der Erde wild herumsprang, hielten die Ölfeld-Besitzer seit Ende der letzten Ölkrise vor 40 Jahren starr an ihrem Abbaupfad fest. Der Minderverbrauch von Teilen der Welt wurden vollständig durch den Mehrverbrauch andernorts kompensiert. Nur Covid war eine Ausnahme. Erstmals wurde die Ölproduktion reduziert, weil die Nachfrage überall fiel. Covid ist ein natürliches Experiment, das die Wirksamkeit eines Klimaklubs beweist, während die Stabilität des Abbaupfades zuvor die Unwirksamkeit des Unilateralismus in der Klimapolitik beweist.
Folge
Das Verbrennerverbot senkt den weltweiten CO2-Ausstoß nicht. Es erhöht ihn sogar, wenn wenigstens ein Teil des Zusatzstroms für die E-Autos aus Braunkohle gewonnen wird. Denn sie wird nicht auf den Weltmärkten gehandelt. Wegen Putin wurde der Wiedereinstieg in die Braunkohle von der Bundesregierung beschlossen.
Politikimplikation
Das Verbrennerverbot ist eher das Ergebnis einer raffinierten Industrie-, denn einer rationalen Klimapolitik. Wirksam für das Klima wäre es, die Braunkohle zu versiegeln und einen weltweiten Klimaklub mit bindenden Mengenbeschränkungen für alle zu gründen, der durch einen Handel mit Emissionsrechten koordiniert wird. Wenn auch das nicht gelingt, muss Europa höhere Deiche bauen, denn die bloße Selbstkasteiung durch ein unilaterales staatliches Verbot von Ölimporten hilft dem Klima nicht, zumal damit ein negatives Exempel für die weniger grün gesinnten Länder der Welt statuiert wird.
Hinweis: Pro & Contra wurde zusammengestellt von Jörg Rieger, Würzburg. Es erscheint in Heft 11 (2022) der Fachzeitschrift WiSt.
Ich würde ja beides machen: Aus dem Verbrenner und der Braunkohle aussteigen. Helfen würde es auch wenn man von Kohle auf hierzulande gefördertes Gas umsteigen würde, welches bsw mit Erneuerbarem Wasserstoff ergänzt wird.