Angesichts des kräftigen Rückgangs der Auftragseingänge im Bausektor im Verlauf des vergangenen Jahres dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, dass auch die Produktion deutlich fällt. Dies gilt umso mehr, als immer mehr Unternehmen über zu wenige Aufträge klagen und die Zahl der Stornierungen deutlich zugenommen hat. Da sich an den schlechten Rahmenbedingungen vorerst nichts ändern wird, dürfte der Bausektor maßgeblich dazu beitragen, dass die deutsche Wirtschaft im Winterhalbjahr schrumpfen wird.
Auftragseingänge eingebrochen …
Viele Jahre war der Bausektor in Deutschland eine Boombranche, die sich vor Aufträgen nicht retten konnte. Dies hat sich in den vergangenen eineinhalb Jahren durchgreifend geändert. Denn seit Anfang 2022 sind die Auftragseingänge deutlich gefallen und lagen im Durchschnitt von Mai bis Juli – den drei letzten verfügbaren Monateswerten – knapp 15 Prozent unter ihrem Niveau im ersten Quartal 2022.
Besonders getroffen hat es dabei den Hochbau, also den Bau von Wohnimmobilien sowie gewerblicher Immobilien (Büros, Werkshallen etc.), bei denen die Aufträge zuletzt fast um ein Viertel niedriger waren als Anfang 2022 (Abb. 1). Hingegen sind die Auftragseingänge im Tiefbau, die häufig von staatlicher Seite kommen, kaum zurückgegangen. Sie waren auch dafür verantwortlich, dass die Auftragseingänge des gesamten Bauhauptgewerbes zuletzt wieder zugenommen haben, während sich die Aufträge im Hochbau gerade einmal auf niedrigem Niveau stabilisiert haben.

… wegen höherer Zinsen und deutlich gestiegener Kosten
Nach den Gründen für diesen Absturz der Auftragseingänge im Hochbau muss man nicht lange suchen. So haben die deutlich gestiegenen Zinsen die Finanzierungskosten für Neubauprojekte oder für den Kauf einer Immobilie drastisch erhöht. Die Preise von Wohnimmobilien sind zwar seit Frühjahr 2022 bereits um zehn Prozent gefallen, was aber bei weitem noch nicht ausreicht, um die höheren Zinsen zu kompensieren. Gleichzeitig haben die niedrigeren Preise aber zusammen mit dem massiven Anstieg der Baupreise (also der Kosten beim Bau einer Immobilie) den Neubau von Wohnimmobilien unattraktiver gemacht. So hat sich das Verhältnis von Wohnimmobilienpreisen und Baupreisen in den vergangenen eineinhalb Jahren deutlich verschlechtert und ist derzeit so unattraktiv wie zuletzt vor gut zehn Jahren (Abb. 2).

Kaum Besserung der Rahmenbedingungen in Sicht
Beide Belastungsfaktoren dürften vorerst bestehen bleiben. So wird die EZB ihren Leitzins zwar wohl nicht weiter anheben, mit Zinssenkungen ist angesichts einer im kommenden Jahr wahrscheinlich hartnäckig über dem EZB-Ziel liegenden Teuerung aber nicht zu rechnen. Darum dürften die Renditen von längerlaufenden Staatsanleihen und damit auch die Zinsen von Hypothekendarlehen allenfalls etwas fallen. Somit wird der Erwerb von Wohnimmobilien für viele potenzielle Erwerber wohl nur allmählich wieder leichter zu finanzieren sein, wenn die Einkommen der privaten Haushalte zulegen.
Auch bei den Baupreisen ist nur mit einer allmählichen Entspannung zu rechnen. Zwar hat sich deren Anstieg zuletzt deutlich verlangsamt, und die abnehmende Nachfrage dürfte die Bauunternehmen zunehmend zu Preiszugeständnissen zwingen. Allerdings sind die höheren Kosten zu einem beträchtlichen Teil auch auf höhere Materialkosten zurückzuführen, die nur langsam abnehmen werden. Zudem sind auch die Lohnkosten deutlich gestiegen, was den Spielraum für Preiszugeständnisse ebenfalls verringert. Folglich ist bei den Baukosten nur mit einer allmählichen Entspannung zu rechnen. Vor diesem Hintergrund mögen sich die Auftragseingänge zwar auf ihrem aktuell niedrigen Niveau stabilisieren, mit einer nachhaltigen Erholung ist aber vorerst nicht zu rechnen.
Produktion bisher weitgehend stabil, …
Bisher haben die geringeren Bauaufträge kaum auf die Produktion im Bauhauptgewerbe [1] durchgeschlagen. Stattdessen hat sich diese in den vergangenen zwei Jahren kaum verändert (Abb. 3). Ähnliches gilt für die Bauinvestitionen. Sieht man von witterungsbedingten Ausschlägen ab, liegen diese gerade einmal zwei bis drei Prozent unter ihren Höchstständen.

… aber Auftragsbestände offensichtlich weitgehend abgebaut
Offensichtlich haben die Bauunternehmen ihre Produktion in den vergangenen Monaten dadurch stabil gehalten, dass sie ihre in den vergangenen Jahren während des Booms aufgebauten Auftragsbestände abgearbeitet haben. Auf den ersten Blick scheint hier auch noch ein beträchtlicher Puffer vorhanden zu sein. So sind nach den Zahlen des Statistischen Bundesamtes (und auf Basis unserer Saisonbereinigung) die Auftragsbestände des Bauhauptgewerbes immer noch deutlich größer als vor dem Boom der vergangenen zehn Jahre, obwohl sie zuletzt um 14% gefallen sind (Abb. 4).

Ähnlich wie in der Industrie ist es allerdings fraglich, ob diese Bestände an Aufträgen tatsächlich die fehlenden Neuaufträge dauerhaft ausgleichen können. So waren im vom Nachfrageeinbruch besonders betroffenen Wohnungsbau die Auftragsbestände im zweiten Quartal bereits 25 Prozent niedriger als bei ihrem Ende 2021 erreichten Hoch. Dieser deutliche Rückgang der Auftragsbestände in dieser wichtigsten Untergruppe mag auch eine Erklärung dafür sein, dass bei der Ifo-Umfrage inzwischen eine deutliche Mehrheit der Unternehmen ihre Auftragsbestände als „zu klein“ bezeichnet (Abb. 5). Eine weitere Erklärung mag sein, dass bei der offiziellen Statistik wohl begonnene Projekte mit dem Teil erfasst werden, der noch nicht ausgeführt ist, während bei der Ifo-Umfrage wahrscheinlich viele Unternehmen nur auf die Projekte schauen, die noch nicht in Angriff genommen wurden. Aber gleichgültig, wie die Unternehmen zu diesem Urteil kommen: Bei einem weiterhin schwachen Auftragseingang dürften sie über kurz oder lang ihre Produktion herunterfahren.

Stornierungen …
Dies gilt umso mehr, als immer mehr Unternehmen offensichtlich mit der Stornierung von Aufträgen konfrontiert werden. Inzwischen berichten bei der Ifo-Umfrage mehr als 20% der befragten Unternehmen, dass ihre Tätigkeit hierdurch behindert wird. Im Jahr 2021 hatte dieser Anteil noch deutlich unter 5% gelegen (Abb. 6).

… und Finanzierungsprobleme machen Unternehmen das Leben noch schwerer
Zudem berichten immer mehr Unternehmen bei der Umfrage von Finanzierungsproblemen (Abb. 7). Es ist nicht klar, ob dies in erster Linie auf die höheren Zinsen zurückzuführen ist oder ob sich die wirtschaftliche Lage der Unternehmen so verschlechtert hat, dass die Banken sich bei der Kreditvergabe zurückhalten. In der Tendenz wird es aber die Bauproduktion drücken, wenn mehr Unternehmen Probleme haben, ihre nächsten Projekte zu finanzieren.

Deutlicher Rückgang der Bauproduktion drückt BIP
Somit spricht vieles dafür, dass die Bauproduktion und damit auch die Bauinvestitionen in den kommenden Monaten deutlich zurückgehen werden. Das genaue Ausmaß dieses Minus lässt sich aus den derzeit vorliegenden Daten nicht verlässlich abschätzen, aber ein Rückgang von insgesamt zehn Prozent erscheint aus unserer Sicht realistisch. Dies würde angesichts eines Anteils der Bauinvestitionen am Bruttoinlandsprodukt von 12 Prozent dieses für sich genommen um mehr als 1 Prozent fallen lassen. Hinzu kommen indirekte Effekte auf den privaten Konsum, da weniger Neubauten der Erfahrung nach auch weniger Käufe von Möbeln und anderen Einrichtungsgegenständen bedeutet. Zudem würde der bei einem solchen Rückgang der Investitionen zu erwartende Verlust von Arbeitsplätzen die verfügbaren Einkommen drücken und somit den Konsum zusätzlich belasten. Damit dürfte die Krise am Bau dazu beitragen, dass die Wirtschaftsleistung in Deutschland im Winterhalbjahr weiter schrumpfen wird.
[1] Die Statistik unterteilt den Bausektor in das Bauhauptgewerbe und das Ausbaugewerbe. Da die Auftragseingänge nur beim Bauhauptgewerbe erhoben werden, haben wir zum Vergleich auch nur diesen Teil der Bauproduktion herangezogen. Für die Vorgehensweise spricht auch, dass die Zahlen zum Ausbaugewerbe und damit auch die Zahlen zum gesamten Baugewerbe die tatsächliche Entwicklung wohl eher unterzeichnen. Denn bei der Erhebung der Daten werden nur Unternehmen mit mindestens 20 Beschäftigten befragt. Durch die Abschaffung des Meisterzwangs im Jahr 2004 ist aber gerade im Ausbaugewerbe der Anteil der kleineren Unternehmen mit einer geringeren Mitarbeiterzahl stetig gestiegen. Dies ist wohl auch die Erklärung dafür, dass die Produktion im Ausbaugewerbe seit Beginn ihrer Erhebung im Jahr 2010 im Trend leicht gefallen ist, was angesichts des Baubooms der vergangenen Jahre wenig plausibel erscheint.
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