Gastbeitrag
It’s the education, stupid!

Der Zusammenhang zwischen Bildung, Wirtschaftswachstum und individuellen Einkommenschancen ist positiv. In Deutschland sind die Schülerkompetenzen noch einmal deutlich gesunken. Ausgaben und Klassengröße sind weniger relevant als Prüfungssysteme und Schulautonomie.

Gute Bildung ist eine wesentliche Voraussetzung für Wachstum und Wohlstand einer Volkswirtschaft. Dies gilt insbesondere für Deutschland als rohstoffarmes und alterndes Land. Gute Bildung ist auch die Basis für individuelle Lebenschancen. Umso mehr erschrecken die jüngsten PISA-Testergebnisse, nach denen die Lese- und Mathematikkompetenzen 15-jähriger Schülerinnen und Schüler aktuell niedriger liegen als vor 20 Jahren. Die Politik sollte daher der Bildung höchste Priorität einräumen. Sie sollte die Bildungsqualität durch landesweite Tests regelmäßig überprüfen, den Schulen mehr Autonomie einräumen, die Qualität der Lehre verbessern, digitales Lernen und digitale Kompetenzen stärker fördern und die Bildungschancen benachteiligter Kinder deutlich verbessern.

Internationale Studien legen nahe, dass es einen deutlichen positiven Zusammenhang zwischen der Bildung bzw. dem Kompetenzniveau von Schülerinnen und Schülern und den Wachstumsraten von Volkswirtschaften gibt. So dürfte der aktuell verzeichnete deutliche Rückgang der Schülerkompetenzen bis zum Ende des Jahrhunderts einen Verlust von 14 Billionen Euro an Wirtschaftsleistung nach sich ziehen. Bildung ist aber auch zentral für die individuellen Einkommensperspektiven. So erhöht jedes Bildungsjahr das persönliche Einkommen um 10 Prozent und senkt das Risiko, arbeitslos zu werden. Besser ausgebildete Absolventinnen und Absolventen sind für Unternehmen interessanter, weil sich die höhere Qualifikation in höherer Wertschöpfung widerspiegelt, die wiederum mit einer höheren Entlohnung einhergeht.

Vor diesem Hintergrund gibt der Bildungsstand in Deutschland Anlass zu größter Sorge. Nach den aktuellen PISA-Ergebnissen liegen die Mathematik- und Lesekompetenzen der Schülerinnen und Schüler im Vergleich zu 2019 ein ganzes Schuljahr zurück, u.a. bedingt durch Schulschließungen und Distanzunterricht während der Corona-Pandemie. Der Negativtrend hat allerdings bereits früher eingesetzt: bereits seit etwa 2010 sinken die Schülerleistungen in Mathematik, Naturwissenschaften und Lesen wieder, nachdem sie sich infolge des sog. PISA-Schocks – als Deutschland 2001 im internationalen Ranking nur einen Platz im unteren Mittelfeld erreichte – deutlich verbessert hatten. Ein Rückgang der Bildungskompetenzen ist zwar in allen Schülergruppen zu verzeichnen, benachteiligte Kinder sind jedoch besonders betroffen. Hier zeigt sich erneut die große und persistente Bildungsungleichheit in Deutschland.

Angesichts dieser Befunde gilt es für die Politik, schnellstmöglich gegenzusteuern und das Bildungssystem in Deutschland so zu reformieren, dass es nachhaltige Kompetenzsteigerungen bei Schülerinnen und Schülern gewährleistet. Dass dies möglich ist, hat die politische Reaktion auf den PISA-Schock 2001 gezeigt. Bildungspolitik rückte national, aber insbesondere in den für Bildungspolitik zuständigen Bundesländern ganz nach oben auf die Prioritätenliste und führte in den darauffolgenden rund zehn Jahren zu deutlich verbesserten Testergebnissen der Schülerinnen und Schüler. Der seit Anfang der 2010er Jahre zu verzeichnende Rückgang der Schülerleistungen lässt sich zum Großteil nicht auf veränderte Grundgesamtheiten zurückführen. Es scheint vielmehr so, als seien das Thema Bildung und die Erkenntnisse des PISA-Schocks in den langen Jahren stetig wachsenden Wohlstands vor der Corona- und Energiekrise wieder in den Hintergrund getreten.

Die fehlende Konsequenz, mit der sich die Bundesländer zuletzt dem Thema gewidmet haben, könnte damit zusammenhängen, dass allen Lippenbekenntnissen zum Trotz, wonach Bildungsföderalismus zum Wettbewerb um die besten Lösungen führe, ein umfassender Vergleich der Bildungsergebnisse über Bundeslandgrenzen hinweg nicht erwünscht ist. Und wo Daten und Erkenntnisse fehlen, wird entweder der Status quo (weiter)gelebt oder es wird (weiter) nach jeder Wahl auf Kosten der Schülerinnen und Schüler experimentiert, um ein neues, besseres Bildungssystem zu finden.

Was die internationale Bildungsforschung zeigt, ist, dass ein alleiniges „Mehr“ an Aufwendungen im Bildungsbereich nicht automatisch zu besseren Ergebnissen führt – unabhängig vom Ausgangsniveau der bestehenden Bildungsausgaben pro Kopf. Auch die Klassengröße spielt keine wesentliche Rolle für die Schülerleistungen. Vielmehr sind es qualitative Faktoren und insbesondere die Prüfungssysteme, die einen entscheidenden Unterschied machen. Generell schneiden diejenigen Länder in internationalen Vergleichen besser ab, die auf standardisierte externe Test oder zentralisierte Examen setzen und gleichzeitig den Schulen Entscheidungsautonomie gewähren. Darüber hinaus scheint es sich auszuzahlen, verpflichtende frühkindliche Angebote noch stärker in den Fokus zu rücken, weil dadurch gerade Kinder aus bildungsfernen Familienverhältnissen bereits vor Beginn der eigentlichen Schulzeit von gemeinsamen Erfahrungen profitieren. Auch können im späteren Schulverlauf Mentoring-Programme helfen, benachteiligte Jugendliche gezielt beim Einstieg in den Arbeitsmarkt zu unterstützen.

Wer es ernst meint damit, Deutschlands Zukunftsfähigkeit im internationalen Wettbewerb zu sichern und individuelle Lebenschancen zu verbessern, muss das Thema Bildung in den Mittelpunkt rücken. Dies ist eine Aufgabe, der sich Politik, Verwaltung, Gesellschaft, Schulen und Familien gleichermaßen stellen müssen. An bildungsökonomischer Evidenz mangelt es dabei nicht. Vielmehr gilt es, die wissenschaftlichen Erkenntnisse konsequent umzusetzen und ein evidenzbasiertes, lernendes Bildungssystem zu schaffen.

Hinweis: Dieser Policy Brief entstand auf Grundlage des ECONWATCH-Meetings „Individuelle Lebenschancen und gesellschaftlicher Wohlstand: Vorfahrt für Bildung“ mit Prof. Dr. Ludger Wößmann (ifo Zentrum für Bildungsökonomik und Ludwig-Maximilians-Universität München).

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