Jährlich neue Jahrhundertsommer, Wirbelstürme und Überflutungen – die Auswirkungen des Klimawandels werden immer deutlicher sichtbar und beeinflussen das Leben und die Gesundheit der Menschen weltweit. In Wirtschaft, Gesellschaft und Politik hat sich weitgehend die Erkenntnis durchgesetzt, dass ein konsequentes Gegensteuern erforderlich ist, um die Lebensgrundlagen auch für künftige Generationen zu bewahren. Trotz z. T. sehr ambitionierter Ziele, jährlicher Klimakonferenzen und durchaus beachtlicher Anstrengungen in manchen Ländern steigen die globalen CO2-Emissionen weiter an. Weltweit gesehen klafft in Sachen Klimaschutz eine Ambitions- und Implementierungslücke. Wesentlicher Grund dafür ist, dass es für Klimaschutzanstrengungen für den einzelnen bzw. ein einzelnes Land wenig Anreiz gibt, da der Nutzen allen zu Gute kommt, während die Kosten dort zu tragen sind, wo in Klimaschutz investiert wird. Die große Herausforderung besteht daher darin, ein international abgestimmtes Vorgehen für Klimaschutzanstrengungen zu vereinbaren. Anstelle von rein nationalen oder regionalen Anstrengungen, die teuer und wenig effektiv sind, sollte auf globale, reziproke Ansätze gesetzt werden, welche internationale Kooperation anregen. Der G7-Klimaclub ist in dieser Hinsicht ein wichtiger Schritt. Daneben sollten staatliche und private Akteure deutlich stärker in Forschung und Entwicklung investieren, um innovative Lösungen zu entwickeln und die Kosten für Klimaschutz zu senken.
Klimatische Veränderungen nehmen weltweit sowohl was Anzahl als auch was Intensität angeht stetig zu und führen zu Ernteausfällen, Überflutungen oder Waldbränden, welche die Lebensgrundlage der Menschen bedrohen. Obgleich internationale Organisationen seit vielen Jahren auf die Gefahren des Klimawandels hinweisen, tun sich staatliche Akteure schwer, dem globalen Phänomen mit globalen Lösungen zu begegnen. Stattdessen werden weltweit (wenn auch mit unterschiedlicher Geschwindigkeit und unterschiedlichem Ambitionsniveau) auf einzelstaatlicher Ebene oder im Rahmen der Europäischen Union vielfältige Klimaschutzmaßnahmen ergriffen. Dies geschieht jedoch häufig ohne ausreichende Rücksicht darauf, wie dies die Anreize zum Klimaschutz in anderen Ländern beeinflusst, und es schwächt die Verhandlungsposition gegenüber weniger ambitionierten Staaten. So können besonders strenge Vorschriften zur Vermeidung von Emissionen oder der Schädigung der Umwelt in einer Region dazu führen, dass sich relevante wirtschaftliche Aktivitäten fortan auf andere Regionen konzentrieren. Neben potenziell negativen wirtschaftlichen und damit einhergehenden sozialen Auswirkungen in der Ursprungsregion ist dem Klima damit nicht geholfen, denn eine regionale Verlagerung der Emissionen macht global betrachtet keinen Unterschied; sie kann im Endeffekt sogar zu steigenden Emissionen führen: Wandern energieintensive Industrien beispielsweise aus Europa ab, würde kurzfristig die Nachfrage nach fossilen Energieträgern zurück gehen, was zu weltweit sinkenden Preisen führen würde. Somit entstünden in anderen Regionen Anreize, diese Energieträger stärker zu nutzen. Dies würde zu einem globalen Anstieg der CO2- oder Methan-Emissionen führen, wenn dort weniger strikte Energieeffizienzstandards gelten als in Europa.
Um ambitionierte Klimaschützer vor Ausbeutung zu bewahren und Kooperationsanreize für weniger ambitionierte Klimaschützer zu setzen, sollten globale Regeln basierend auf Reziprozität vereinbart werden. Diese sollten bestimmte, möglichst transparente und leicht vergleichbare Verpflichtungen für alle festschreiben. Ein Beispiel ist ein CO2-Mindestpreis. Spieltheoretisch betrachtet führen reziproke Ansätze zu effektiveren und effizienteren Lösungen als freiwillige Selbstverpflichtungen, die zwar einhergehend mit hohen Kosten das (nationale) Gewissen beruhigen, die globale Situation jedoch nicht ändern. Wenn der Klimawandel jedoch als globale Herausforderung von allen handelnden Akteuren ernst genommen wird, kann eine geteilte gegenseitige Verpflichtung im Sinne von: „Wenn Du mehr machst, strenge ich mich auch mehr an“ dazu führen, dass die jeweiligen Kosten für den Einzelnen geringer sind und das Gesamtergebnis für alle besser ausfällt. Ein Vorbild dafür liefern beispielsweise internationale Zollvereinbarungen, die allen Kooperationspartnern gleichermaßen einen Mehrwert bieten, da weltweit verbindliche Regeln ein „Race to the bottom“ verhindern.
Neben verbindlichen reziproken Lösungen auf globaler Ebene sollten staatliche und private Akteure gleichzeitig verstärkt nach innovativen technischen Lösungen suchen, um dem Klimawandel zu begegnen. Anreizsysteme sollten dahingehend ausgerichtet sein, dass die größten Emissionseinsparungen oder Effizienzgewinne unabhängig von der eingesetzten Technologie belohnt werden – so entwickeln sich innovative Märkte und die Politik läuft nicht Gefahr, (zu) einseitig auf bestehende Lösungen zu setzen. Durch einen Fokus auf F&E und Innovation könnte sich beispielsweise Europa neben den USA als grüner Leitmarkt für Klima(anpassungs)-technologien entwickeln. So könnten auch die anfallenden Kosten durch den Export klimafreundlicher Produkte und Service-Leistungen ausgeglichen werden.
Klimaschutz effektiv voranzubringen, ist ein gewaltiges Kooperationsproblem. Die Aussichten, globale Zusammenarbeit z. B. durch einen weltweiten CO2-Preis zu erreichen, sind angesichts zunehmender geopolitischer Spannungen und nationaler Entscheidungen wie zum Inflation Reduction Act in den USA nicht die besten. Dennoch sollten die Anstrengungen zur internationalen Kooperation verstärkt werden, etwa über den G7-Klimaclub. Denn letztlich werden nationale Maßnahmen auf die Dauer nur auf Akzeptanz stoßen, wenn sie nicht als einseitige Belastung wahrgenommen werden.
Hinweis: Dieser Policy Brief entstand auf Grundlage des ECONWATCH-Meetings „Klimakooperation: Wie weltweiter Klimaschutz gelingen kann“ mit Prof. Dr. Axel Ockenfels (Universität zu Köln).
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