In der dynamischen und komplexen Wirtschaftswelt sind Unternehmertum und Wirtschaftsrechnung zentrale Elemente, die das Funktionieren der Marktwirtschaft ermöglichen. Beide Konzepte sind entscheidend für den Erfolg einzelner Unternehmen sowie für das allgemeine wirtschaftliche Wachstum und die Innovationsfähigkeit der Volkswirtschaft. Während die Betriebswirtschaftslehre (BWL) diese Aspekte umfassend behandelt, spielen das Unternehmertum und die Wirtschaftsrechnung in der Volkswirtschaftslehre (VWL) häufig eine untergeordnete Rolle.
Unternehmertum und Wirtschaftsrechnung als zentrale Steuerungsinstrumente
Unternehmertum ist der Motor für Innovation, Wettbewerbsfähigkeit und wirtschaftliches Wachstum. Es sind Unternehmer, die kreative Ideen in wirtschaftlich tragfähige Lösungen umsetzen und dabei oftmals hohe Investitionsrisiken eingehen. Die Wirtschaftsrechnung hingegen liefert ihnen die erforderlichen Daten, um informierte Entscheidungen zu treffen oder den Erfolg ihres Geschäftsmodells zu beurteilen. In betriebswirtschaftlichen Studiengängen erwerben angehende Fach- und Führungskräfte die notwendigen Fähigkeiten, um diese beiden Bereiche effektiv abzudecken und zu kombinieren. In der unternehmerischen Praxis zeigt sich, dass das Scheitern junger Unternehmen in manchen Fällen weniger auf den Ideenreichtum der Gründer als auf ein unzureichendes Verständnis der Unternehmensrechnung und der entsprechenden Kommunikation gegenüber Kapitalgebern zurückzuführen ist, was ihre sonst häufig übersehene Bedeutung untermauert.
Der Fokus der VWL: Gleichgewichte ohne Unternehmer
Während sich große Teile der Betriebswirtschaftslehre mit den Unvollkommenheiten realer Entscheidungssituationen beschäftigen und entsprechende Instrumente für einen adäquaten Umgang entwickelt haben, liegt ein Schwerpunkt der Standard-VWL auf der Analyse von Gleichgewichten. Die üblichen Modelle betrachten Märkte und deren Interaktionen unter der Annahme, dass diese gleichgewichtigen Zustände stabil sind. In einem solchen Gleichgewicht sind Unternehmertum und Wirtschaftsrechnung nicht von Bedeutung, da keine Ungleichgewichte oder Preisdifferenzen bestehen, die potenzielle unternehmerische Chancen bieten könnten. Ein solches Gedankengebäude kann zu einem unzureichenden Verständnis der Funktionsweise realer Märkte führen. Das Ignorieren unternehmerischer Aktivitäten und der zugrundeliegenden Entscheidungsprozesse schränkt die Fähigkeit der VWL ein, reale wirtschaftliche Dynamiken zu erfassen, insbesondere in Zeiten der Unsicherheit.
Die Rolle der Gewinnermittlung
Eine bemerkenswerte Ausnahme bildet die österreichische Schule der Volkswirtschaftslehre, auf die sich bereits Eugen Schmalenbach, der Begründer der akademischen BWL vielfach stützte. Diese Schule, vertreten durch Ökonomen wie Ludwig von Mises und Friedrich von Hayek, betont sowohl die Bedeutung des Unternehmertums als auch die Rolle der Wirtschaftsrechnung. Israel Kirzner, ein Schüler von Mises, untersucht, wie Unternehmer die verschiedenen Produktionsfaktoren koordinieren und vorhandene Ressourcen effizient nutzen. Es lässt sich zeigen, dass die klassische unternehmerische Gewinnermittlung hierbei eine entscheidende Rolle spielt: Gewinne entstehen, wenn Preisunterschiede zwischen Beschaffungs- und Absatzmärkten bestehen. Findige Unternehmer, die solche Gelegenheiten identifizieren, werden gemäß ihrem Beitrag zur besseren Koordination dieser Märkte durch Gewinne belohnt. Diese Betrachtung der Gewinnermittlung als Indikator für unternehmerisches Handeln wird in der modernen Wirtschaftstheorie oft vernachlässigt, was zu einer Oberflächlichkeit im Verständnis von Marktmechanismen führt.
Die Rolle der Investitionsrechnung
Die von Joseph Schumpeter betonte Funktion des Unternehmers als kreativer Zerstörer spielt in der Österreichischen Schule ebenfalls eine große Rolle. Unternehmer tragen demnach zur wirtschaftlichen Dynamik bei, indem sie bestehende Strukturen disruptiv verändern und Innovationen einführen. Bei der Vorbereitung solcher unternehmerischer Entscheidungen, die den Übergang von einem Gedanken zur Umsetzung manifestieren, spielt die betriebswirtschaftliche Investitionsbewertung eine zentrale Rolle, da sie den Unternehmern hilft, Projekte hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Vorteilhaftigkeit zu beurteilen und jene Innovationen voranzutreiben, die zur kreativen Zerstörung des Status Quo führen können.
Kreative Zerstörung, wie sie Schumpeter beschreibt, wird durch eine fundierte Investitionsbewertung unterstützt, die die Unternehmer dazu befähigt, zukünftige Chancen zu erkennen und aktiv zu nutzen. Die BWL stellt Instrumente bereit, die adäquate Investitionsbewertung auch unter Unsicherheit ermöglichen und dem Unternehmer insofern bei der Bewältigung unternehmerischer Realität unterstützen. Dies steht im Gegensatz zur typischen neoklassischen Betrachtung, die oft annimmt, dass Märkte in einem idealen Zustand der Gleichgewichtigkeit operieren.
Fazit: Eine ganzheitliche Perspektive auf die Marktwirtschaft
Die Verbindung von Unternehmertum und Wirtschaftsrechnung ist entscheidend für ein tiefgehendes Verständnis der Marktwirtschaft. Während die BWL die praktischen Werkzeuge an die Hand gibt, um in der Unternehmenspraxis erfolgreich zu sein, sollte die VWL den theoretischen Rahmen bieten, in dem die volkswirtschaftliche Funktion dieser Praktiken deutlich wird. Ein Integrationsansatz, der beide Perspektiven vereint, könnte zu einem umfassenderen Verständnis der Mechanismen der Marktwirtschaft führen und somit die wirtschaftliche Entwicklung fördern.
In einer sich ständig verändernden Welt ist das Verständnis für die Rolle von Unternehmern und die Anwendung der Wirtschaftsrechnung wichtiger denn je. Nur durch die Kombination dieser beiden Konzepte können wir die Treiber des wirtschaftlichen Fortschritts erkennen und nutzen. Beide Bereiche sind in der Praxis untrennbar miteinander verbunden; eine Vernachlässigung eines Aspekts kann das gesamte ökonomische Verständnis beeinträchtigen. Insofern ist es offensichtlich, dass sowohl Unternehmer als auch die entsprechenden Instrumente der Wirtschaftsrechnung unerlässlich sind, um die Herausforderungen der heutigen Zeit zu meistern und eine nachhaltige wirtschaftliche Zukunft zu gestalten.
Literaturverweis
Braun, E., & Follert, F. (2024). The calculating entrepreneur — The role of economic calculation in supporting alertness and creative destruction. Managerial and Decision Economics, https://doi.org/10.1002/mde.4341.
Wichtiger, bildender Beitrag finde ich. Die Kalkulationsfähigkeit der Unternehmer in Wettbewerbsmärkten ist eine essentielle Fähigkeit, um dort zu bestehen und ihren Kunden gerecht zu werden. Ich habe den Eindruck, dass heute dieses Grundverständnis nicht annähernd hinreichend genug vorhanden ist, weil Unternehmen bzw. Marktwirtschaft und Staat leichthin als Größen betrachtet werden, die als austauschbar angesehen werden. Wenn es der Markt und das oder die Unternehmen nicht richten, muss eben „der“ Staat einspringen.
Angesprochen ist damit das Koordinationsproblem, das ein Merkmal österreichischen Denkens ist. Meine Gedanken zum Unterschied der Koordination von Markt und Staat kann man bei Interesse in diesem Working Paper nachlesen: Kooperation statt Weisung https://forum-freie-gesellschaft.de/kooperation-statt-weisung/