Nahezu jeder von uns ist ständig auf digitalen Plattformen unterwegs, und vielen von uns ist unwohl dabei, wie sehr wir dabei den digitalen Netzwerken ausgeliefert sind. Die EU-Kommission will den Plattformbetreibern Grenzen setzen und hat sich dafür eine neue Waffe zugelegt: den Digital Markets Act (DMA). Nach langem Vorlauf wird dieses Gesetz jetzt schrittweise in die Praxis umgesetzt. Wie ist die Grundidee des DMA und wie sind die Erfolgsaussichten, damit den Wettbewerb in der digitalen Wirtschaft wirksam zu schützen?
Marktmacht in der digitalen Wirtschaft
Die Kontrolle von Marktmacht gehört zu den Kernaufgaben der Wettbewerbspolitik. In der digitalen Wirtschaft ist das aber nicht ganz einfach. Hier gründet sich Marktmacht oftmals nicht auf monetäre Größen, sondern auf proprietäre Datensätze, die es den betreffenden Unternehmen erlauben, das Marktgeschehen nach ihren Vorstellungen zu gestalten. Marktbeherrschung muss deshalb auf digitalen Märkten grundsätzlich anders beurteilt werden als auf analogen Märkten. Eine besondere Rolle spielen dabei mehrseitige Märkte. Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass verschiedene Nutzergruppen über eine gemeinsame Plattform interagieren, wobei der Nutzen für die eine Gruppe steigt, wenn die Nutzerzahl der anderen Gruppe zunimmt. Dieses Phänomen wird als indirekte Netzwerk-Externalität bezeichnet.
Ein illustratives Beispiel stellt die Buchungsplattform Booking.com: Die eine Nutzergruppe sind die Reisenden, die eine Unterkunft reservieren möchten. Die andere Gruppe sind die Hotels (oder andere Anbieter von Unterkünften wie Apartments, Ferienwohnungen usw.). Beide Gruppen treffen auf der von Booking.com bereitgestellten Plattform zusammen. Der Wert dieser Plattform ist für die Reisenden umso höher, je mehr Hotels ihre Dienstleistungen auf der Plattform anbieten. Und für die Hotels ist der Wert der Plattform umso höher, je mehr Reisende die Plattform nutzen. Das sind die indirekten Netzwerk-Externalitäten.
Ein wettbewerbspolitisches Grundproblem von Plattformen liegt darin, dass sie wesentliche Eigenschaften natürlicher Monopole aufweisen: Wer sich beispielsweise als Reisender für ein bestimmtes Buchungsportal entscheidet, wird im Zweifel das Portal wählen, in dem die meisten Hotels gelistet sind. Und wer als Hotelier nach einem für ihn geeigneten Portal sucht, wird sich für jenes entscheiden, das die meisten Reisenden anzieht. Große Portale haben deshalb einen Wettbewerbsvorteil gegenüber kleineren, und zwar auf beiden Seiten des Markts. Im angelsächsischen Sprachgebrauch wird diese Marktform auch als „winner-take-all“ bezeichnet. Die traditionelle Anti-Trust-Politik versagt hier, weil sich eine einmal erreichte dominante Position im Markt selbst verstärkt. Eine Fusionskontrolle oder eine administrative Aufspaltung von Monopolunternehmen durch Entflechtung würde ins Leere laufen und könnte eine Wiederauferstehung der Monopole (an derselben oder an anderer Stelle) auf Dauer kaum verhindern. Außerdem würde sie zu Ineffizienzen führen, da ein Nebeneinander von mehreren Unternehmen innerhalb eines natürlichen Monopolmarkts die gesamtwirtschaftlich vorteilhaften Netzwerk-Externalitäten schmälern würde. Es bleibt der Wettbewerbspolitik also kaum etwas anderes übrig, als sich mit den Monopolisierungstendenzen abzufinden und vorrangig auf das Instrument der Missbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen zu setzen.
Der Digital Markets Act
Als Grundlage für einen solchen Ansatz erließ die Europäische Kommission im Jahr 2022 den Digital Markets Act (DMA). Das Gesetz wurde am 14. September 2022 vom Europäischen Parlament und vom Rat verabschiedet und am 12. Oktober 2022 als Verordnung 2022/1925 im Amtsblatt der EU verkündet. Es trat im September 2022 in Kraft und ist prinzipiell seit 2. Mai 2023 anwendbar.
Eine Schlüsselrolle im DMA nehmen die sogenannten Torwächter (gatekeeper) ein. Sie sind definiert als Betreiber von Online-Plattformen, die einen erheblichen Einfluss auf den Binnenmarkt haben. Dafür nennt das Gesetz eine Reihe von Vermutungskriterien: (1) Umsatz des Plattformbetreibers von mindestens 7,5 Mrd. Euro pro Jahr, (2) mindestens 454 Millionen aktive Endnutzer pro Monat und mindestens 10.000 aktive gewerbliche Nutzer, (3) gefestigte Marktposition in den letzten drei Jahren. Torwächter sind verpflichtet, ihren gewerblichen Nutzern Zugang zu den Daten zu gewähren, die auf den Plattformen generiert werden. Und sie müssen die Möglichkeit erhalten, ihre Angebote zu bewerben und Verträge mit Kunden außerhalb der Plattform zu schließen. Außerdem ist es den Torwächtern untersagt, auf ihren Plattformen die eigenen Angebote im Ranking zu bevorzugen oder die Endnutzer zu tracken, um ohne deren Einwilligung gezielte Werbung zu schalten.
Erste Anwendungen
Nachdem die Kommission noch eine Durchführungsverordnung zu dem Gesetz erlassen hatte, begann sie im Jahr 2024 damit, das Gesetz in der Praxis anzuwenden. Als erster Schritt wurden sechs Unternehmen als Torwächter benannt: Alphabet, Amazon, Apple, ByteDance, Meta und Microsoft. Im Mai 2024 kam das schon angesprochene niederländische Buchungsportal Booking.com hinzu. In der Folgezeit ging es allerdings noch nicht darum, die Torwächter dazu zu bringen, ihre neuen gesetzlichen Verpflichtungen einzuhalten, sondern es mussten zunächst einmal die Einwände der betroffenen Unternehmen gegen ihre Einordnung als Torwächter abgearbeitet werden.
Diese hatten im März 2024 ihre Berichte vorgelegt, nach denen sie ihrer Ansicht nach nicht als Torwächter zu klassifizieren seien. Tatsächlich entschied die Kommission zugunsten von Microsoft, die Suchmaschine Bing, der Browser Edge und der Werbedienst Microsoft-Advertising seien keine Torwächter, obwohl die Schwellenwerte der oben genannten Vermutungskriterien erfüllt waren. Auch das Netzwerk X sowie die Werbedienste X-Ads und TikTok-Ads wurden nicht mehr als Plattformen eingestuft. Erfolglos blieb dagegen der Versuch von ByteDance, sein Netzwerk TikTok insgesamt aus der Torwächter-Regulierung herauszunehmen. Die diesbezügliche Klage des chinesischen Unternehmens (mit Sitz auf den Kaimaninseln) wurde vom Europäischen Gericht Erster Instanz zurückgewiesen. Das Urteil ist allerdings noch vor dem EuGH anfechtbar. Vorläufig beigelegt wurde dagegen die Auseinandersetzung mit Booking.com um dessen jahrzehntelang praktizierte Bestpreisklausel, die es Hotelbetreibern untersagte, ihre Angebote außerhalb der Plattform preisgünstiger zu vermarkten. Im Jahr 2024 gab Booking.com diese Praxis einvernehmlich auf.
Im Juni 2024 teilte die Kommission mit, die Regeln zur Steuerung des App-Stores von Apple seien mit dem DMA nicht vereinbar, da sie unabhängige App-Entwickler behinderten. Im Juli 2024 leitete die Kommission ein Verfahren gegen Meta ein, da das Werbemodell Pay or Consent die Nutzer dazu zwinge, in die Zusammenführung ihrer personenbezogenen Daten einzuwilligen. Weitere Verfahren wurden gegen Alphabet wegen der Bevorzugung eigener Angebote in seinem App-Store und wegen der Selbstbevorzugung bei der Google-Suche eingeleitet. Kritisch überprüft die Kommission auch die Vorinstallation von Browsern und die Behinderung ihrer Deinstallation (zu den Einzelheiten siehe European Commission: Report on Competition Policy 2025. COM(2025) 181 final. Brüssel, 25. April 2025, S. 29 ff.)
Ein hoffnungsloser Kampf?
Manche Beobachter belächeln den Kampf der EU-Kommission mit den Digitalplattformen, der ihnen wie der Kampf von Don Quichotte gegen die Windmühlenflügel erscheint. In Bezug auf die finanziellen Dimensionen ist das jedoch eine Fehleinschätzung. In der Vergangenheit hat die Kommission wiederholt saftige Sanktionen gegen Konzerne aus Drittländern verhängt, wobei manche der verhängten Strafzahlungen mehrstellige Milliardenbeträge ausmachten und damit die Konzerngewinne spürbar schmälerten. Im Mittelpunkt stand dabei immer wieder Alphabet bzw. sein Unternehmensvorgänger Google. Aber auch Apple, Microsoft und andere Konzerne mussten zum Teil empfindliche und selbst für diese Unternehmen deutlich spürbare finanzielle Sanktionen des EU-Wettbewerbskommissariats einstecken. Der jüngste Fall ist die im Mai 2025 gegen TikTok verhängte Strafzahlung von 530 Mio. Euro wegen der unerlaubten Weiterleitung der Daten irischer Nutzer nach China.
Ein Schwachpunkt liegt allerdings in der oftmals sehr langen Verfahrensdauer, denn die Entscheidungen der Kommission können selbstverständlich gerichtlich überprüft werden, und zwar in der Regel zunächst vor dem Europäischen Gericht Erster Instanz und dann vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH). Bis zum Abschluss solcher Verfahren vergehen oftmals mehrere Jahre. Da digitale Märkte durch einen raschen Wandel geprägt sind, werden die wettbewerbsschützenden Maßnahmen der Kommission oftmals erst wirksam, wenn sich die Marktstrukturen längst völlig verändert haben. Für die Konkurrenz, die vor dem Machtmissbrauch geschützt werden soll, kommt dieser Schutz oftmals zu spät.
Ein Beispiel: Im Fall des Steuerstreits zwischen der Kommission und Irland, in dem es um wettbewerbsverzerrende Steuervorteile für Apple ging, erging die erste Entscheidung der Kommission bereits im Jahr 2016. Endgültig bestätigt wurde sie erst im September 2024 durch Urteil des EuGH. In dem Fall ging es immerhin um Steuerrückzahlungen von Apple in Höhe von 13 Mrd. Euro (siehe dazu den Beitrag von Henning Klodt: Apple für’n Ei? vom 3. September 2016 in diesem Journal).
Und immer wieder Trump
Eine größere Gefahr für die wirksame Durchsetzung des DMA geht allerdings von dem Handelskonflikt zwischen der EU und den USA aus. Dem US-Präsidenten Donald Trump ist es ein Dorn im Auge, dass sich der DMA in der praktischen Anwendung vorrangig gegen US-Konzerne richtet. Er argumentiert, das Gesetz stelle eine Diskriminierung von US-Unternehmen dar, und erwartet deshalb von der EU eine möglichst moderate Handhabung des Gesetzes. Zusätzlich verschärft wird der Konflikt durch Erwägungen Frankreichs und des EU-Parlaments, eine Digitalsteuer für Plattformen einzuführen, die wiederum hauptsächlich US-Unternehmen treffen würde.
Die EU-Kommission erklärte im Juli 2025 vorsorglich, sie plane keine Erhebung von Abgaben auf Digitalunternehmen. Aber sie bekräftigte zugleich, sie werde von der konsequenten Anwendung des DMA nicht abweichen. Inwieweit letztere Ankündigung tatsächlich eingehalten werden wird, dürfte schwer zu beurteilen sein, da die Kommission einen sehr breiten Ermessensspielraum hat, wo und wie sie den DMA konkret durchsetzen möchte. Sollte es in diesem oder jenem Fall zu einer weniger strikten Anwendung des DMA kommen, wird für Außenstehende kaum zu beurteilen sein, ob Sachargumente oder Rücksichtnahmen auf den US-Präsidenten ausschlaggebend dafür waren.
- Digital Markets Act
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