Gastbeitrag
Der Abstiegskampf des Exportweltmeisters

Die deutschen Warenexporte befinden sich in einem kontinuierlichen Abwärtstrend. Exportweltmeister ist Deutschland schon lange nicht mehr. Verantwortlich dafür dürften China und Deutschlands sinkende Wettbewerbsfähigkeit sein. Trumps Zollpolitik und ein langsameres Wachstum in Europa trüben den Ausblick sogar noch. Der Trend zu höheren Investitionen im Ausland und einer Deindustrialisierung im Inland dürfte sich fortsetzen.

Die realen Exporte sinken

Es ist nun 17 Jahre her, seitdem sich die deutsche Wirtschaft das letzte Mal „Exportweltmeister“ nennen konnte. Mittlerweile muss sich Deutschland mit dem dritten Platz hinter China und den USA abfinden. Unsere Analyse zeigt, dass hinter dem Abstieg im Exportranking ein bedrohlicher Trend liegt: Zwar sind die Exporte in aktuellen Preisen (nominal) in den Jahren 2021 und 2022 stark gestiegen, dies liegt aber nur an der hohen Inflation [1]. Preisbereinigt (real) sind die Exporte bereits seit 2018 gefallen (Abb. 1). Wir untersuchen, warum Deutschland immer weniger Waren exportiert und geben einen Ausblick.

Das Problem betrifft nur Deutschland

Eine mögliche Erklärung könnte sein, dass die Abnehmerländer weniger importieren, weil etwa ihre Wirtschaft stagniert. Dann müssten allerdings auch andere Länder Exportrückgänge verzeichnen. Dies ist aber nicht der Fall: Denn die Industriestaaten ohne Deutschland haben preisbereinigt ihre Warenexporte gesteigert (Abb. 2). Die wichtigsten Importeure von deutschen Produkten haben im Zeitraum von 2019 bis 2024 sogar insgesamt mehr Waren eingeführt – nur eben nicht aus Deutschland (Abb. 3). Besonders eklatant ist dieser Verlust von Marktanteilen in Asien. Deutschlands Exporte nach China sanken in dem Zeitraum von fünf Jahren preisbereinigt um mehr als ein Viertel. Chinas gesamte Importe stiegen hingegen. Auch die asiatischen Entwicklungsländer steigerten ihre Importe aus der Welt insgesamt um mehr als 20%. Die deutschen Exporte in diese Länder sanken aber um etwa 8%.

Die Wettbewerbsfähigkeit sinkt …

Ein wichtiger Grund für Deutschlands sinkende Exporte ist die fallende preisliche Wettbewerbsfähigkeit. In den 2000er Jahren haben deutsche Firmen noch stark von einem sehr langsamen Lohnwachstum profitiert, was ihnen eine kostengünstige Produktion erlaubte. Auch der Euro hatte im Zuge der Staatsschuldenkrise ab 2010 deutlich an Wert gegenüber anderen Währungen verloren, sodass die deutschen Waren aus der Perspektive von ausländischen Importeuren günstiger wurden.

Beide Trends haben sich seitdem aber umgekehrt: Ab 2012 haben sich die Lohnkosten je Arbeitnehmer um jährlich mindestens 2% erhöht. Der Wert des Euro hat sich seit 2015 stabilisiert und ist in der Tendenz sogar gestiegen. Die Bundesbank fasst beide Trends zusammen und berechnet, wie sich die effektiven Preise deutscher Waren für Importeure entwickelt („preisliche Wettbewerbsfähigkeit“). Seit 2015 werden deutsche Waren für Importeure wieder teurer (Abb. 4). Insbesondere gegenüber den asiatischen Exporteuren wie China, Südkorea und Japan verliert Deutschland damit Wettbewerbsfähigkeit.

Allerdings dürfte sich der Trend der Wettbewerbsfähigkeit aufgrund der gemeinsamen Währung und einer vergleichbaren Inflation in den anderen Euro-Ländern seit 2015 ähnlich entwickelt haben und dennoch sinken die deutschen Exporte schneller als die anderer Länder des Euroraums. Was belastet die deutsche Wirtschaft zusätzlich?

… vor allem gegenüber China

Der chinesische Markt ist für deutsche Exporteure wichtiger gewesen als für die anderen großen Euroländer. Im Vergleich zu den europäischen Nachbarn belastet ein sinkender Handel mit China die deutsche Volkswirtschaft damit besonders stark.

Der technologische Fortschritt in China hat dazu geführt, dass chinesische Unternehmen viele Waren – auch komplexere Maschinen – kostengünstiger produzieren können. In einer vergangenen Woche im Fokus hatten wir bereits von deutschen Unternehmen berichtet, die nun nicht mehr nach China exportieren, sondern direkt von Ort produzieren und ihre Kapazitäten dort mit reinvestierten Gewinne gesteigert haben. In China ansässige Maschinen- und Autobauer exportieren darüberhinaus zunehmend die Produkte in andere Staaten. Damit sinkt nicht nur die Bedeutung des chinesischen Marktes für deutsche Exporteure, sondern China hat sich zunehmend auch zu einem Wettbewerber für deutsche Exporteure auf Drittmärkten gewandelt.

Die zunehmende Konkurrenz durch China ist besonders gut im Autosektor zu beobachten: Viele Industriestaaten wie das Vereinigte Königreich, Japan, Italien und Spanien importieren deutlich weniger Autos und Autoteile aus Deutschland, haben aber die Importe in diesem Sektor aus China spürbar erhöht. Insgesamt könnte die sich wandelnde Rolle Chinas für knapp die Hälfte der deutschen Exportschwäche verantwortlich sein.

Eine Besserung zeichnet sich nicht ab

Ein Lichtblick für die deutschen Exporteure stellt die Geldpolitik dar. Denn die fallenden Leitzinsen in Europa und Amerika dürften dazu führen, dass Unternehmen weltweit deutsche Investitionsgüter wie Maschinen leichter finanzieren können und daher mehr davon nachfragen. Dieser positive Effekt der Geldpolitik dürfte aber durch eine Reihe belastender Faktoren überlagert werden:

1. Die Abschottung der USA durch Zölle erschwert den Export auf den letzten großen Absatzmarkt, der in den letzten fünf Jahren für deutsche Exporteure noch gewachsen ist. Trumps Zölle dürften die Ausfuhren aus der EU in die USA in den kommenden zwei Jahren um 20 bis 25% reduzieren.

2. Darüber hinaus dürfte die Nachfrage aus europäischen Partnerländern wie Frankreich und Italien in den kommenden Quartalen nachlassen, weil deren Volkswirtschaft durch geringere Staatsausgaben langsamer wachsen könnte als zuvor.

3. Die deutschen Standortbedingungen verteuern die Exporte.In den kommenden Jahren dürfte die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter spürbar sinken und die Lohnkosten damit weiter steigen. Auch ein Neustart im Kampf gegen Bürokratie ist unter der neuen Regierung nicht erkennbar. Damit bleiben deutsche Exporte im Vergleich teuer.

Somit bleiben die Aussichten für das Exportgeschäft für die kommenden Jahre trübe.

Fazit: Die Wirtschaft Deutschlands wird sich wandeln

Auch in Zukunft werden viele deutsche Unternehmen, gerade Weltmarktführer aus dem Mittelstand, erfolgreich exportieren können. Dennoch dürfte insgesamt die Bedeutung der Warenexporte für die deutsche Wirtschaft abnehmen. Freihandelsabkommen mit großen Entwicklungsländern wie Indien oder den südamerikanischen Staaten können diesen Prozess möglicherweise verlangsamen, aber nicht aufhalten.

Schon seit einiger Zeit verlagern Unternehmen Produktion ins Ausland. Dieser Trend zum Offshoring dürfte anhalten. In Deutschland bleiben Dienstleistungen rund um die Konzernzentralen zurück. Auch der demografische Wandel dürfte dazu führen, dass Serviceleistungen weiter an Bedeutung für Deutschlands Wirtschaft gewinnen – und die Bedeutung des verarbeitenden Gewerbes abnimmt. Das ist für sich genommen ein natürlicher Prozess von hoch entwickelten Volkswirtschaften. Seit dem Jahr 2000 hat der Anteil der Industrie am Bruttoinlandsprodukts beispielsweise in den USA und Frankreich abgenommen und liegt nun bei etwa 10%. In Deutschland nahm die Bedeutung des verarbeitenden Gewerbes in den letzten 30 Jahren zwar auch ab, aber nicht in der selben Geschwindigkeit wie in anderen Ländern und liegt nun mit 18% vergleichsweise hoch. Mit dem Abschwung der Exporte könnte sich der Trend zur Deindustrialisierung nun auch in Deutschland verschärfen.

[1] Zur Preisbereinigung unterscheiden wir die Warenexporte nach 1200 Produkten (Harmonized System Headings) und berechnen den Wert in Euro pro Tonne im Jahr 2015. Wir multiplizieren diesen Wert pro Tonne mit den in Tonnen gemessenen Warenmengen der Folgejahre. Diese Methode kann Qualitätsverbesserungen unterschätzen, dies trifft aber zu einem gewissen Grad auf alle Preisbereinigungsmethoden zu. Der daraus resultierende Trend für die realen Exporte Deutschlands liegt zwischen dem von Eurostat und des CPB Netherlands Bureau for Economic Policy Analysis.

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