„Arbeitsplätze liquidieren, Vorräte liquidieren, die Farmer liquidieren, Immobilien liquidieren, die Fäulnisse aus dem System waschen“, so lautete das Credo von Andrew Mellon, dem amerikanischen Finanzminister in der Frühzeit der Großen Depression unter Präsident Herbert Hoover. Dieser Auffassung liegt die Überzeugung zugrunde, dass die Krise eine Chance zur Katharsis, zur Reinigung ist. Diese These vertrat schon in den 20er und 30er Jahren des letzten Jahrhunderts die österreichische Schule der Nationalökonomie. Zyklen im Wirtschaftsleben entstehen danach vor allem durch eine verfehlte Geldpolitik (zum Beispiel zu niedriger Zinsen). Das wiederum führt dazu, dass sich die Produktionsstruktur ändert (zum Beispiel zu kapitalintensiv wird, oder, wie jetzt, einen Immobilienbubble produziert). Einer solchen verfehlten Politik könnte nichts Besseres passieren als eine Rezession, damit sich die Produktionsstruktur wieder anpasst. Voraussetzung dafür ist aber, dass die Rezession sich austoben kann. „Man muss alle Versuche, die Auswirkungen der Marktpreise auf die Produktion zu unterbinden, unterlassen.“ (Ludwig von Mises)
Nahezu einhellig herrscht heute die Überzeugung, dass jene radikal Haltung der damaligen Regierung die Welt nur noch tiefer in die Krise der Großen Depression getrieben hat und maßgeblich dazu beigetragen hat, dass Vertrauen lange Jahre nicht mehr zurückkehrte. Dabei mag es sogar sein, dass die Lehre Mellons und Mises’ richtig ist: Allein es ist schwer, die Menschen davon zu überzeugen, die Kosten für diese Radikalkur zu tragen.
In einer Art stillschweigender Übereinkunft hat sich die Welt dazu entschieden, mittels massiver staatlicher Interventionen auf die Wiederherstellung von Vertrauen zu dringen. Wer zerstörtes Vertrauen wiederherstellen will, muss selbst in Vorleistung gehen, auch wenn die Vernunft dagegen spricht. Vertrauen hat einen irrationalen Akt zur Voraussetzung, sagt die neue Vertrauensforschung. Wenn alle sich zurück halten, keine Waren kaufen und keine Kredite vergeben, muss einer anfangen. Und wenn es nicht die Bürger sind, dann muss es der Staat machen. „Spring doch einfach“, lautet die Devise des dänischen Philosophen Søren Kierkegaard. „Just do it“, heißt salopp der Slogan des Turnschuhherstellers Nike. Tatsächlich kommt das Vertrauen ohne dieses existentialistische, man könnte auch sagen irrationale, Moment schwerlich aus: Eine Sicherheit, dass das Vertrauen sich auszahlt, gibt es nicht: Unsicherheit und Verletzlichkeit bleiben. William James, der Begründer des philosophischen Pragmatismus und der Religionspsychologie, spricht von einem „Willen zum Glauben“ (will to believe). Wer den Sprung wagt, so die existentialistische Terminologie – oder gar Theologie – wird erfahren, dass das Vertrauen erwidert wird. Dass es sich bewährt, wird erst dem bewusst, der es wagt. Erst im Vertrauen lässt sich Vertrauen herstellen. Es setzt das, wovon es lebt, bereits voraus. Glaube und Vertrauen sind miteinander verwandt.
Kein Wunder, dass der Impetus des „Einer muss ja anfangen“ zur Legitimation des Bailout werden konnte: Sünder für ihre Sünden auch noch zu belohnen führt eigentlich nur in den moral hazard: in die Aufforderung, auch das nächste mal wieder zu sündigen, weil man sich ja darauf verlassen kann, dass am Ende ein anderer einen auffängt und man selbst nicht für dem Schaden behaftet wird. Wer freilich nach dem Zweiten Weltkrieg Angst den moral hazard hätte vermeiden wollte, der hätte den Deutschen nicht den Marshallplan schenken, sondern den Morgenthauplan oktroyieren müssen: die gnadenlose Deindustrialisierung des Landes als Strafe für die Vergehen. Morgenthau ist die polit-moralische Wendung von Andrew Mellons Formel, man solle die Fäulnisse aus dem System waschen.
Der Marshallplan ist das glatte Gegenteil solcher Strafaktionen. Er setzt komplett andere Anreize. Sein Signal ist der starke Vertrauensbeweis, dass es sich – trotz allem – lohnt, wieder von vorne anzufangen. Auch für die Sünder. „Bailouts sind humanitäre Aktionen“, meint Robert Shiller (The Subprime Solution): „Sie sind Aktionen zur Herstellung von Vertrauen.“ Das ist eine gewagte These, die hinzuzufügen vergisst, dass sich diese Herstellung von Vertrauen des Geldes der Steuerzahler – oder der von nachfolgenden Generationen zurück zu zahlenden Schulden – bedient, die niemals gefragt wurden, ob sie zu solch vertrauensbildenden Maßnahmen auch bereit seien. Für Shiller ist der Marshallplan das große Vorbild der staatlichen Bailouts in der Finanzkrise.
Tatsächlich erfüllt der Marshallplan alle Bedingungen des Kierkegaardschen Sprungs. Es ist der riskante Versuch zur Wiederherstellung von Vertrauen. Das stimmt umso mehr, als die Wirtschaftshistoriker uns darüber belehren, dass – rein ökonomisch – das Wirtschaftswunder der Nachkriegsjahre auch ohne jenes 1948 vom US-Kongress verabschiedete Hilfsprogramm zustande gekommen wäre. Es hätte das Geld nicht gebraucht, damit Deutschland wieder auf die Beine kam. Dazu waren (Stichwort: Ludwig Erhard) andere Dinge erforderlich. Aber es hat das Vertrauen gebraucht, damit es überhaupt erst wieder los- gehen konnte.
Die Frage nach der Legitimation des Bailout bleibt die offene Wunde der heutigen Finanz- und Wirtschaftskrise: Mises oder Keynes heißt die große Frage. Während der klassische Liberalismus dem interventionistischen Rettungseingriff mit viel Geld zutiefst misstraut, weil er institutionelle Anreize zu Sorglosigkeit und Wiederholungstatbeständen auf Kosten anderer Leute setzt, bezichtigen Neo-Keynesianer (wie Robert Shiller) die Liberalen (und übrigens auch die Sozialisten) des Moralismus, der im Wirtschaftsleben nichts verloren habe: Denn sie dächten in Kategorien von „Strafe“ und „Läuterung“, wo es vor allem um die Funktionsfähigkeit von Finanz- und Wirtschaftssystemen gehen dürfe und um einen starken Vertrauensimpuls gehe. Man kann es sich, weil zu teuer, gar nicht leisten, das ganze Management der Finanzindustrie unter gehen zu lassen, weil dort in den vergangenen Jahren die Besten gelandet sich und man gerade die Besten der Besten wieder für den Neuanfang braucht (Vgl. Daron Acemoglu: The crisis of 2008: structural lessons for and from economics. CEPR Policy Insight No. 28, Januar 2009.).
Weil die Akteure dies aber wissen, ist die Androhung von Strafe für verantwortungsloses Handeln relativ zahnlos. Anstatt die Sünder der Strafe des Marktes in Form einer Depression zu überantworten (und mit ihnen viele „unschuldigen“ Bürger), sei es eben besser, pragmatisch Kosten und Nutzen des Bailouts abzuwägen und technokratisch sich für die rasche, Vertrauen bildende Intervention zu entscheiden, lautet die keynesianische Theologie. Tatsächlich ist offen, ob die Welt, aus der verständlichen Angst, die Fehler der Großen Depression zu wiederholen, heute nicht in die Wiederholungsvermeidungsfalle läuft. Sie hat womöglich die Fehler von damals vermieden, damit aber womöglich neue Fehler begangen.
- Ordnungspolitische Denker heute (3)
Was wir von Wilhelm Röpke lernen sollten – und was lieber nicht. - 26. Januar 2014 - Über den Umgang mit Unsicherheit und Offenheit
Erfahrungen eines Wirtschaftsjournalisten nach fünf Jahren Finanz- und Wirtschaftskrise - 29. Oktober 2013 - Ungleichheit heute (15)
Ungleichheit und Gerechtigkeit: Was hat das miteinander zu tun? - 2. August 2013
Mir ist wirklich unverstaendlich wie selbst von Autoren in wirtschaftsliberalen Blogs scheinbar vollkommen unkritisch der Mythos uebernommen wird, Hoovers Praesidentschaft waere von laissez-faire Kapitalismus gepraegt gewesen. Roosevelt mag noch sozialistischer gewesen sein, aber letztlich war sein „New Deal“ nur die Fortfuehrung der Politik die Hoover begonnen hatte.
Hier Hoovers eigene Worte 1932:
„We might have done nothing. That would have been utter ruin. Instead we met the situation with proposals to private business and to Congress of the most gigantic program of economic defense and counterattack ever evolved in the history of the Republic. We put it into action…. No government in Washington has hitherto considered that it held so broad a responsibility for leadership in such times…. For the first time in the history of depression, dividends, profits, and the cost of living, have been reduced before wages have suffered…. They were maintained until the cost of living had decreased and the profits had practically vanished. They are now the highest real wages in the world.
Creating new jobs and giving to the whole system a new breath of life; nothing has ever been devised in our history which has done more for … „the common run of men and women.“ Some of the reactionary economists urged that we should allow the liquidation to take its course until we had found bottom…. We determined that we would not follow the advice of the bitter-end liquidationists and see the whole body of debtors of the United States brought to bankruptcy and the savings of our people brought to destruction.“
Unter laissez-faire verstehe ich etwas anderes…
Abgesehen davon sprechen Sie den vielleicht wichtigsten Punkt der oestereichischen Schule zwar kurz an, uebergehen die Implikationen jedoch leider.
Sie schreiben „Zyklen im Wirtschaftsleben entstehen danach vor allem durch eine verfehlte Geldpolitik (zum Beispiel zu niedriger Zinsen). Das wiederum führt dazu, dass sich die Produktionsstruktur ändert (zum Beispiel zu kapitalintensiv wird, oder, wie jetzt, einen Immobilienbubble produziert).“
Der „Austrian Business Cycle Theorie“ zufolge, ist die derzeitige Krise also eine direkte Folge genau der Politik, die nun zu ihrer Loesung erneut herangezogen wird. (z.B. kuenstliche Senkung der Zinsen unter das natuerliche Marktniveau ect.)
Selbst wenn wir mit unseren sogenannten „Konjunkturpaketen“ also die Krise abfedern koennten, ist die Konsequenz zwingend die Entstehung der naechsten Blase usw. Im besten Fall waere uns also kurzfristig geholfen.
Die Kernfrage muss aber sein, wie wir langfristig das Wechselspiel aus Boom und Bust verhindern koennen.
Genau hier bietet die oestereichische Schule der Nationaloekonomie ein Theoriegebaeude, dass nicht nur in der Lage war die jetzige Krise vorherzusagen, sondern insbesondere Wege aufzeigt kuenftige Krisen zu verhindern.
Da möchte ich meinem Vorredner beipflichten:
1) Folgte Hoover alles andere als österreichischen Rezepten. Roosevelt natürlich noch viel weniger.
2) Stimmt die Grundthese in dem Posting nicht: Die aktuelle Politik schafft kein Vertrauen, sondern zieht die notwendigen (und zwangsläufigen) Anpassungen nur in die Länge. Selbst wenn das komplette Bankensystem verstaatlicht wird und der Staat selber davon nicht bankrott gehen sollte, selbst dann würde der Realwirtschaft keine Kredite mehr im vorherigen Maße gegeben werden. Der Finanzplatz ist die falsche Baustelle.
Statt die Anpassungen in die Länge zu ziehen sollte der Staat
a) Sie beschleunigen, zum Beispiel durch schnelle Insolvenzverfahren für Banken und Unternehmen. Wie zum Beispiel vorgeschlagen durch Luigi Zingales, Kenneth Rogoff und anderen. Siehe
http://verlorenegeneration.wordpress.com/2009/01/31/rettung-der-banken-ohne-staatsgeld-3/
b) Die Bürger, insbesondere die finanzschwachen, vor den zwangsläufigen(!) Auswirkungen schützen.
Wir können den Kopf in den Sand stecken vor der Tatsache, dass alle ihren Lebensstandard reduzieren müssen, aber es wird uns nicht helfen. Wir müssen es trotzdem tun. Und wenn der Staat nicht alles Geld in das schwarze Loch namens Bankensystem steckt, kann er seinen Bürgern auch morgen noch Renten und ALG2 zahlen.
Sehr geehrter Herr Hank,
ich schätze viele Ihrer Beiträge. Ein Beispiel ist Ihr kluger Artikel in der FAZ vor ziemlich genau fünf Jahren: „Märkte lernen besser als Staaten“. Umso unverständlicher bleibt mir Ihr obiger Versuch einer szientistischen Selbstamputation.
Welcher Österreicher sieht eine Rezession als gerechte Strafe an? Selbst Rothbard beendet seine glänzende Darstellung „America’s Great Depression“ mit der Forderung eine rationale Schuldzuweisung vorzunehmen, allein deshalb, weil alle künftigen Depressionen wieder von Politikern, Bürokraten und „erleuchteten“ Ökonomen verursacht werden.
Gerade heute kommt es auf den Unterschied an: Aus sozialdemokratischer Sicht ist alles andere als das vermeintlich politisch Machbare eine „radikale Haltung“, insbesondere Prinzipientreue. Wann, wenn nicht jetzt, im Angesicht der größten Staatskrise seit den 30er Jahren, wollen wir den Menschen verdeutlichen, dass es darauf ankommt, das sachlich Notwendige durchzusetzen? Wollen Sie eine begrenzte, scharfe Bereinigung mit anschließender Erholung oder eine andauernde Depression? An Mises Diktum führt kein Weg vorbei: „Inflation is a policy that cannot last.“ Und die Dollars des Marshallplan haben und werden die Welt nicht retten, auch nicht in einer psychologischen Matrix.
Indes lässt sich aus Ihrem Schlusswort nur eine begrüßenswerte Folgerung ziehen: Die große Aufgabe unserer Zeit ist die Beseitigung des staatlichen Währungsmonopols. Erst dann ist dem Hokuspokus aus staatlich verursachten Krisen und staatlich gestiftetem Vertrauen zur Krisenüberwindung der Boden entzogen.
Mit freundlichem Gruß
Michael von Prollius
Zum New Deal noch folgender aktueller Hinweis in eigener Sache: http://www.libinst.ch/?i=kann-die-regierung-die-rezession-bekampfen
Rainer Hanks Beitrag wie die Diskussion reizen zu mehreren, zugegebenermaßen unzusammenhängenden Anmerkungen.
1. Mises oder Keynes?
Existiert diese Alternative wirklich? Die Wirkung großer Ökonomen bestimmt sich wesentlich durch ihre Fähigkeit, kompetente Nachfolger anzuziehen. Die hatte Keynes nach dem Zweiten Weltkrieg, während das Werk Mises‘ in die Hände von Sektierern fiel, die sich dann noch untereinander zerstritten. Mises ist schon deswegen keine Alternative, weil ihn praktisch keiner mehr kennt (außerhalb der Sekte), geschweige denn liest. Man muss nicht nur recht haben, man muss auch in der Lage sein, seine Lehren zu popularisieren.
2. Österreichische Konjunkturtheorie
Damit zusammenhängend beantwortet sich die Frage, warum die österreichische Konjunkturtheorie so wenige Anhänger hat. Dogmenhistorisch ist das einfach: Hayek verlor in der wichtigsten Zeit, der ersten Hälfte der dreißiger Jahre, eine theoretische Debatte gegen den Keynes-Jünger Sraffa, die Hayeks Renommée als Konjunkturtheoretiker ruinierte (dazu gibt es einen hervorragenden Überblicksartikel von Heinz D. Kurz). Nicht zufällig wendete sich Hayek danach (von seiner wenig beachteten Kapitaltheorie abgesehen) von der reinen ökonomischen Theorie der Sozialphilosophie zu. Damit war der „österreichische Lehrstuhl“ verwaist, weil die Österreicher Schumpeter und Haberler nicht bei Hayek waren und Mises – zurecht oder zu unrecht – im Abseits stand. Es ist durchaus richtig, dass sich in der amerikanischen Mises-Nachfolge kundige Ökonomen wie Roger W. Garrison an einer geschlossenen österreichischen Konjunkturtheorie versuchten, aber was immer ihre Meriten sein mögen – wegen des Sektencharakters der Misesianer in Auburn/Alabama bekam dies kaum einer in der realen Welt mit.
Zum theoretischen kam das empirische Debakel. Es gibt viele ökonomische Erklärungen der Weltwirtschaftskrise der Dreißiger – aber niemand Geringerer als Haberler hat festgestellt, dass die Weltwirtschaftskrise „österreichisch“ überhaupt nicht erklärbar war.
Ich denke, die meisten Ökonomen würden konstatieren, dass dies für die aktuelle Krise genauso ist. Sicher hat die lockere Geldpolitik der Fed eine Rolle gespielt, sicher gab es eine dadurch fehlgeleitete Produktion billiger Häuser in Amerika. Aber reicht das als Erklärung für eine globale Finanz- und Wirtschaftskrise? Ist die Tatsache, dass die amerikanischen Autokonzerne marktferne Produkte herstellten, das Ergebnis einer falschen Geldpolitik? Es gibt keine monokausale Erklärung der aktuellen Krise, die Bestand hätte.
„Begrenzte, scharfe Bereinigung“?
Ohne Staatseingriffe hätten wir keine begrenzte Krise, sondern einen Zusammenbruch des gesamten Finanzsystems mit völlig unkalkulierbaren Folgen erlebt. Es ist damals nicht in Zeitungen geschrieben worden, aber hier sei es einmal gesagt: Hätte man die Hypo Real Estate pleitegehen lassen, wären am Tage danach alleine in Deutschland mehrere große Banken bankrott gewesen. Die Bundesbank hatte für den Fall des Zusammenbruchs der HRE intern angedroht, den gesamten Zahlungsverkehr in Deutschland lahmzulegen, um eine Massenpanik zu verhindern. Soll man ein solches Szenario im Namen einer reinen Lehre in der Praxis testen? Das heutige Finanzsystem hat nichts mit jenem zu tun, das zu Zeiten von Mises existierte.
„Abschaffung des staatlichen Währungsmonopols“
Und was hilft eine solche Forderung heute in der Praxis? Wenn man wissen will, warum Liberale heute so wenig zu melden haben, muss man sich der Frage stellen, was Liberale konkret an Lösungsmöglichkeiten anzubieten haben. Ich warte schon lange darauf, dass endlich einmal beschrieben wird, wie das private Geld in der Praxis des jahres 2009 aussieht. Leben wir dann in der Hoppe’schen Privatrechtsgesellschaft, in der jeder Bürger in der einen Jackentasche Gold zum Bezahlen hat und in der anderen einen Revolver, um seinen Rechten Geltung zu verschaffen? Dummerweise gibt es nicht genug Gold für die Zahlungszwecke in der Weltwirtschaft. Bekommen wir dann goldgedeckte Banknoten privater Banken? Den UBS-Gulden statt des Schweizer Franken? Den Deutsche Bank-Heller statt des Euro? Wieviele Menschen wären denn bereit, privates Geld anstelle des staatlichen zu benutzen? Das hat doch alles nichts mit unseren aktuellen Problemen zu tun.
In diesem Zusammenhang eine letzte Bemerkung: Die liberale Irrelevanz – die ich bedauere – zeigt sehr gut das jüngste Ordo-Jahrbuch. Da werden Themen gewälzt, die schon seit Jahrzehnten auf der liberalen Agenda stehen. Die Finanzkrise, die imSommer 2007 ausgebrochen ist, wird am Rande erwähnt, dafür wird der Leser mit der Aussicht getröstet, die Finanzkrise werde im Jahrbuch 2009 behandelt. Etwas aktueller geht es nicht?
Herr Braunberger, es ist sicher folgerichtig, daß man zunächst einmal einem Beinaputierten eine Krücke verkaufen wird, damit er weiterlaufen kann, gerade dann, wenn man ihm selbst dieses Bein abgenommen hat. Es ist klar, daß Regierungen gewisse Maßnahmen zur Gegensteuerung der sich anbahnenden wirtschaftlichen Zusammenbrüche ergreifen. Das ändert aber nichts an der Tatsache, daß die Schieflage von eben denselben Personen erzeugt wurde, die jetzt „helfend“ einspringen. Die Politik ist Ursache, nicht der Markt. Gesundung der Weltwirtschaft kann sich nur dann einstellen, wenn die willkürlichen Eingriffe der „Geldproduktions- und Verteilungselite“ nach und nach ausbleiben. Klarer: wenn sich die Politik immer weniger einmischt.
Was nämlich jahrzehntelang geschah, ist bildlich gesprochen das reihenweise Amputieren von Gliedmaßen – ein gutes Geschäft für die Chirurgen und für die Prothesenindustrie. Man schafft sich die Krüppel selbst, die man nachher lukrativ betreuen kann. Natürlich begreifen die wenigsten, was sie da tun und meinen noch, sie täten damit der Menschheit einen Gefallen.
Was ich damit sagen möchte: sobald sich der Staat punktuelle Eingriffe in die Wirtschaft leistet, kommt es grundsätzlich und ohne Ausnahme zu unvorhergesehenen Problemen, deren unerträgliche Folgen wiederum Eingriffe nötig machen und so weiter und so fort. Was wir jetzt erleben, ist die Folge unzähliger punktueller Eingriffe. Da hat sich, salopp gesprochen, der Oberbau (Geld) vom Unterbau (Sachvermögen) gelöst. Man schaut entgeistert auf den Rauch, der immer dichter und beißender wird und bekämpft diesen; das Feuer lodert derweil unbehelligt weiter. Staatliche Konjunkturprogramme sind Rauchbekämpfungsprogramme, die das Feuer nicht löschen!
Geld ist nichts, und mit Geld kann man nichts machen, wenn wir nicht begreifen, woher Geld kommt und was das Wesen des Geldes überhaupt ist. „I know of nothing more despicable and pathetic than a man who devotes all the waking hours of the day to making money for money’s sake.“ Sagte John D. Rockefeller, und traf damit den Nagel auf den Kopf.
Mit den jetzigen Herumbasteleien an Wolkenkuckucksheimen (Produktion und Umverteilung von immer mehr Papiergeld bei gleichzeitigen Interventionen) wird die Realwirtschaft ersticken und schließlich irgendwann zusammenbrechen. Es geht eben gerade nicht um Geld – es geht um die Ethik der Produktion, die Arbeitshaltung, die Einstellung zum Eigentum. Alles Dinge, die Mises sehr klug formuliert hat. Ich kann nichts Sektiererisches an Mises oder Hayek entdecken. Deren Gedankengänge sind wohl nichts für Personen, welche die Summe ihrer Geldersparnisse für den echten Reichtum halten, und die alles im Leben nur auf dem kürzesten Wege gewinnen möchten ohne sich anzustrengen, wenn es sein muß, auf Kosten Dritter.
Doch dies ist eine (schmerzhafte) Einsicht, die man auch ohne Studium irgendwelcher ökonomischer Schulen gewinnen kann, wenn man nur intensiv genug über sich selbst nachdenkt. Es gibt nichts umsonst auf dieser Welt. Für alles müssen wir „bezahlen“, früher oder später.
Karin hat hunderprozent recht. Ein Eingriff zieht immer einen weiteren nach sich. Und was derzeit versucht wird ist dieses verfehlte Politik mit den gleichen Fehlern zu reparieren. Das kann eine Zeitlang gut gehen, aber das ganze schaukelt sich immer mehr auf. Und dann bekomen wir genau was wir schon oft hatten Enteignungen, Verelendung und Radikalisierung, mit unabsehbaren Folgen für Millionen und heutzutage Milliarden Menschen. Ja es wäre besser gewesen die HRE abzuwickeln, das wird sowieso passieren. Man hätte sich aber durchaus die 90 Mrd sparen können die das Abenteuer schon gekostet hat. Und es wäre definitv an der Zeit diejenigen ans Portemoneaie zu gehen die diesen Schlamassel angerichtet haben. Alle Banker müssten ein Großteil Ihres Vermögens in die Bank einlegen, das wäre fair….
„Ist die Tatsache, dass die amerikanischen Autokonzerne marktferne Produkte herstellten, das Ergebnis einer falschen Geldpolitik?“
Das sie es überhaupt taten nicht. Das sie es immer noch tun: Ja, natürlich. Sie wären sonst schon 2003 pleite gewesen. Und das wäre sicher besser für die USA als das Ganze noch 6ff Jahre herauszuzögern.
„Hätte man die Hypo Real Estate pleitegehen lassen, wären am Tage danach alleine in Deutschland mehrere große Banken bankrott gewesen.“
Das ist sicher richtig für das aktuelle Insolvenzrecht in Deutschland. Aber es gibt durchaus gute Vorschläge für andere Arten von Bankpleiten: z.B. Debt-Equity-Swaps. Oder wenn man schon verstaatlicht, dann mit Hair-Cut auf die Anleihen. Dann erleiden auch die Verursacher der Krise (die Anleihenhalter) den fairen Verlust.
Eine Marktwirtschaft ohne Verursacherprinzip kann einfach nicht funktionieren.
Sehr geehrter Herr Braunberger,
geben Sie Mises und Hayek, insbesondere aber der österreichischen Konjunkturtheorie doch eine Popularisierungschance in der FAZ. Allen Lesern würde klar werden, dass die Theorie nicht monokausal ist. Die Stärke besteht ja gerade in der Verknüpfung von monetärer Ursache mit den verheerenden Folgen für das (relative) Preisgefüge in potenziell allen Branchen. Die „Österreicher“ können nicht alle Konjunkturkrisen erklären, aber genau jene „Monsterkrisen“, die kein Markt allein verursachen kann, für die man eben eine Regierung benötigt. Die meisten Ökonomen haben heute doch nicht nur in der Prognose versagt, sondern sind auch ratlos in der Ursachenanalyse. Sie zweifeln ja selbst, zu Recht.
Welche Folgen eine Abschaffung des staatlichen Währungsmonopols hinsichtlich dann entstehender Währungen exakt haben wird, kann natürlich niemand sagen. Das wird erst das Entdeckungsverfahren schrittweise zeigen. Wenn Sie zwischen erhöhten Transaktionskosten durch verschiedene Währungen und Inflationskrisen wie der aktuellen wählen müssen, wie würden Sie sich entscheiden?
Hinsichtlich ihrer Frage „wie das private Geld in der Praxis des jahres 2009 aussieht“ werden wir mit einer Antwort für Ihre Leserschaft auf Sie zukommen.
Mit freundlichem Gruß
Michael von Prollius