„Die Absterbeordnung gehört zur Marktwirtschaft wie die Freiheit.“ (Olaf Sievert)
Die deutsche Politik ist sich einig: Doping im Sport ist des Teufels. Der sportliche Wettbewerb wird verzerrt, die Gesundheit der Athleten aufs Spiel gesetzt, der Jugend ein schlechtes Vorbild gegeben. Gefordert wird ein weltweites Verbot von Doping. ARD und ZDF werden politisch bearbeitet, Veranstaltungen „dopingverseuchter“ Sportarten, wie den Radsport, nicht mehr zu übertragen. Das alles war gestern. Heute, in Zeiten der Finanzkrise, gibt es wieder einen breiten politischen Konsens. Der Staat müsse einen finanziellen Schutzschirm über möglichst viele Branchen aufspannen. Flächendeckendes finanzielles Doping ist wieder hoffähig.
Schöpferische Zerstörung
Die Weltwirtschaft befindet sich in einer schweren Krise. Chaos auf den Finanzmärkten, weltweiter konjunktureller Abschwung und strukturelle Verwerfungen bilden ein gefährliches Gemisch. Im Zentrum des wirtschaftlichen Hurrikans, der sich von den USA weltweit ausbreitet, stehen vor allem drei Branchen: der Finanzsektor, die Bauindustrie und die Automobilbranche. Die ersten beiden leiden weltweit, die Baubranche vor allem in Ländern mit einer Immobilienblase. Alle drei Branchen stehen vor schmerzhaften strukturellen Anpassungen. Kein Wunder, dass sich die Rettungsaktionen der Politik auch auf diese drei Branchen konzentrieren.
Die gegenwärtigen Probleme der Autobranche sind typisch für den strukturellen Wandel. Vom konjunkturellern Abschwung sind Produzenten dauerhafter Güter zuerst betroffen. Die Nachfrage nach Autos geht weltweit zurück. Allerdings haben die Autobauer in reichen Ländern seit längerem ein strukturelles Problem. Sie verlieren in bestimmten Marktsegmenten ihre komparativen Vorteile gegenüber Konkurrenten aus weniger entwickelten Ländern, wie China oder Indien. Schließlich haben etablierte Autobauer umweltökonomische Entwicklungen verschlafen, die einen mehr, andere weniger. So oder so, die Autobranche in reichen Ländern, wie etwa Deutschland, wird schrumpfen.
Die Schritte des unvermeidlichen Anpassungsprozesses sind vorgezeichnet. Schon mittelfristig werden überschüssige Kapazitäten abgebaut, Unternehmen gehen Pleite, Arbeitsplätze verschwinden. Arbeit und Kapital müssen nach einem produktiveren Einsatz in anderen Sektoren suchen. Arbeitnehmer müssen sich beruflich und räumlich umorientieren. Ein bisschen Zeit können sie sich in diesem Anpassungsprozess nur kaufen, wenn sie billiger oder besser werden. Wirklich aufhalten können und sollten sie den strukturellen Wandel aber nicht. Dieser Prozess der schöpferischen Zerstörung ist eine wichtige Quelle unseres wirtschaftlichen Wohlstandes.
Ordnungspolitische Grundsätze
Länder sind erfolgreich, wenn es ihnen gelingt, Arbeit und Kapital möglichst produktiv einzusetzen. Wo dies genau ist, darüber bestimmen in marktwirtschaftlichen Ordnungen nicht staatliche Planer, sondern souveräne Konsumenten. Die Marktwirtschaft ist eine Monarchie, der Kunde ist König. Und der Konsument hat sich nicht erst heute, sondern schon seit längerem für bestimmte Automobile und gegen andere entschieden. Leidtragende dieser Entscheidung sind etwa in den USA die „Drei Großen“ in Detroit, aber auch Daimler, BMW und Opel hierzulande. Der heftige konjunkturelle Abschwung führt den Autobauern diese Entscheidung der Konsumenten noch einmal vor Augen.
Das heißt nicht, dass der Staat auf gar keinen Fall in den Prozess des strukturellen Wandels eingreifen sollte. Allerdings ist der Spielraum sehr gering. Gerechtfertigt wäre er nur, wenn der Wettbewerb nicht funktionierte, externe Effekte schlechte Marktergebnisse lieferten und die Individuen kurzsichtig handelten. Das ist die notwendige Bedingung für staatliche Eingriffe, die hinreichende ist, dass es der Staat besser kann als die Privaten. Tatsächlich ist schon die notwendige Bedingung nicht erfüllt. Der Wettbewerb im Automobilsektor ist weltweit intensiv, die Kunden sind nicht kurzsichtig. Es braucht die Politik nicht, sie in die richtige Richtung zu lenken.
Eingriffe in den strukturellen Wandel der Autoindustrie wären auch denkbar, wenn externe Effekte eine große Rolle spielen würden. In der Tat wird immer wieder darauf hingewiesen, dass ein Zusammenbruch der wichtigen Autobranche andere Märkte anstecken und einen realen wirtschaftlichen Flächenbrand auslösen könnte. Diese Gefahr ist gering. Selbst in den USA gehen höchstens die „Drei Großen“ Pleite. Deren Marktanteile würden von in- und ausländischen Konkurrenten übernommen. Ein systemisches Risiko liegt in der Autobranche nicht vor. Finanzielle staatliche Hilfen sind fehl am Platz. Das ist allerdings im Finanzsektor anders. Dort spielen systemische Risken eine Rolle. Staatliche Eingriffe sind wohl unerlässlich.
Mauern statt Windmühlen
Ein altes chinesisches Sprichwort sagt: Wenn der Wind des Wandels weht, bauen die einen Mauern, die anderen Windmühlen. Die Politik weltweit hat sich entschieden, sie setzt mit ihren finanziellen Rettungsschirmen für bedrohte Branchen auf höhere Mauern. Damit kann sie aber weder den strukturellen Wandel verhindern, noch Unternehmen vor der Pleite retten und auch nicht den Verlust von Arbeitsplätzen in Branchen aufhalten, die ihre Zukunft längst hinter sich haben. Für diese Branchen gibt es allenfalls ein Leben nach dem Tod auf Kosten der Steuerzahler. Und das kann, wie etwa der Bergbau oder die Landwirtschaft hierzulande lehrt, sehr kostspielig werden.
Die Erfahrung zeigt, dass politische Versuche, die Anpassung an ökonomische Schocks zu glätten, mit schöner Regelmäßigkeit fehlschlagen. Subventionen für schrumpfende Branchen stehen steigende steuerliche Belastungen wachsender Sektoren gegenüber. Das gilt auch für Subventionen, die auf Pump finanziert werden. Damit werden zwar kurzfristig weniger Arbeitsplätze vernichtet, es werden aber schon mittelfristig auch weniger neue geschaffen. Subventionierte Branchen produzieren häufig relativ kapitalintensiv. Ist die Angebotselastizität in den schrumpfenden Branchen geringer als in den steuerlich belasteten, wachsenden Bereichen, geht die gesamtwirtschaftliche Nachfrage nach Arbeit zurück.
Gewährt der Staat finanzielle Hilfen, verringert er die Anpassungsbereitschaft der wirtschaftlichen Akteure. Löhne und Lohnstrukturen werden inflexibler, Arbeit und Kapital immobiler. Finanzielles Doping verändert das Verhalten der Tarifpartner, lohnpolitisches „moral hazard“ wird verstärkt. Die Lohn- und Tarifpolitik läuft Amok. Subventionen versichern Unternehmen nur vorübergehend gegen die Folgen unternehmerischen Misserfolgs. Damit gaukelt man den Arbeitnehmern vor, dass ihre Arbeitsplätze sicher seien. Die Anreize der Tarifpartner in den bedrohten Branchen zu einer moderaten Lohn- und Tarifpolitik sinken, die Bereitschaft der Arbeitnehmer, rechtzeitig beruflich und räumlich mobiler zu werden, wird konterkariert.
Ordnungspolitische Geisterfahrer
Finanzielles Doping behindert nicht nur den unumgänglichen strukturellen Wandel und mindert den wirtschaftlichen Wohlstand. Es verzerrt auch den Wettbewerb zwischen Unternehmen derselben Branche erheblich. Das ist immer dann der Fall, wenn auf der Ebene der Bundesländer oder der EU-Länder in derselben Branche unterschiedlich stark finanziell gedopt wird. Damit wird aber nicht nur der Zeitpunkt des Marktaustritts der weniger produktiven Unternehmen hinausgeschoben. Es kann auch zu einer falschen Reihenfolge des Austritts aus dem Markt kommen, wenn produktivere vor weniger effizienten Unternehmen ausscheiden müssen. Subventionen machen eine Gesellschaft ärmer, weil sie Anreize schaffen. Ressourcen zu verschwenden.
Den Teufel mit Belzebub austreiben wollen seit Erfurt christdemokratische Geisterfahrer. Finanzielles Doping, auch flächendeckendes, reicht ihnen nicht mehr. Wie Junkies brauchen sie immer höhere Dosen staatlicher Intervention. Private Unternehmen in wichtigen produzierenden Branchen sollen verstaatlicht werden können. Der Staat soll Schiedsrichter und Spieler sein. Damit kehren die Christdemokraten zu ihren ordnungspolitischen Ursprüngen zurück. Ahlen lässt grüßen. Sie legen die Axt an die Wurzeln der sozialen Marktwirtschaft. Privateigentum, private Vertragsfreiheit und freier Marktzugang werden zur Disposition gestellt. Es ist ein Treppenwitz der Geschichte, dass sich der sozialdemokratische Regierungspartner genüsslich dagegen sträubt.
Der Dreiklang von Intervention, Subvention und Verstaatlichung hat weltweit böse Konsequenzen. Die Gefahr eines weltweiten Interventions- und Subventionswettlaufes wächst. Finanzielles Doping, tarifäre und nicht-tarifäre Handelshemmnisse sind Substitute. Damit droht die Politik denselben Fehler zu wiederholen, der zur Katastrophe der Weltwirtschaftskrise in den 30er Jahren geführt hat. Märkte wurden weltweit abgeschottet, internationaler Handel und Kapitalverkehr kamen fast zum Erliegen, Wohlstandsgewinne konnten nicht mehr realisiert werden. Jeder versuchte, seine eigene Haut zu retten. Der Versuch, der Krise mit nicht-marktkonformen Mitteln zu begegnen, endete im wirtschaftlichen Desaster.
Fazit
Der Versuch, strukturellen Wandel mit finanziellen, interventionistischen und protektionistischen Rettungsschirmen aufzuhalten, führt unweigerlich ins ökonomische Abseits. Die Politik irrt fatal, wenn sie glaubt, sie könne in einer risikobehafteten und unsicheren Welt wirtschaftliche Pleiten und Arbeitslosigkeit mit Intervention, finanziellem Doping und Protektionismus verhindern. Der Krise wird man nur Herr, wenn es gelingt, die Anpassungsfähigkeit der wirtschaftlichen Akteure zu erhöhen. Nicht eine Abkehr von ordnungspolitischen Grundsätzen, nicht finanzielles Doping, eine Rückkehr zu marktlicher Disziplin und persönlicher Verantwortung ist notwendig. Mehr Windmühlen, nicht höhere Mauern, sind das Gebot der Stunde.
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Sie haben recht, leider sind aber die derzeitigen Politiker davor.
Also ich bin ja eigentlich kein Fan des blanken Dollar-Kapitalismus, allerdings gebe ich dir mit dem Artikel absolut: Man sollte nicht versuchen, eine Wirtschaft oder einen Wirtschaftszweig quasi nur mit staatlicher Hilfe überlebensfähig zu halten…
Genauso wenig sollten Banken, die sich nunmal im großen Spiel verzockt haben, jetzt auch noch gerettet werden…die Zocker pleite gehen zu lassen wäre wenigstens konsequent…