Für die einen ist und bleibt es das gewohnte Schauspiel, für die anderen mutet es zusehends grotesk, mitunter tragisch an: Ein nicht endendes Wiederkehren von Finanz- und Wirtschaftskrisen, zu deren Heilung sich die Gesellschaften immer wieder genau die Arznei verabreichen, die für die Krankheit mitverantwortlich ist: immer niedrigere Notenbankzinsen und immer mehr Kredit und Geld. Eine solche Therapie scheint sich auch im Zuge der jetzt geplatzten Kreditmarktblase wieder anzubahnen.
Die Zentralbanken, so die ökonomische Mehrheitsmeinung, müssen bei Kreditproblemen die Zinsen senken, um einen Konjunkturabschwung abzuwehren. Der Diagnose der Krise wird dabei meist nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Gleiches gilt für die Folgen der Niedrigzinspolitik – Inflation von Konsumenten- und Vermögenspreisen und Anschwellen der Verschuldung der Volkswirtschaften. Der Gedanke, dass die staatlichen Zentralbanken die Ursache, nicht aber die Lösung für die Krise sein könnten, ist unpopulär.
Unpopulär sind daher bei vielen Ökonomen auch die Lehren der „Österreichischen Schule“, zu deren bedeutendsten Vertretern Ludwig von Mises, Friedrich August von Hayek und Murray Newton Rothbard zählen. Sie gaben eine polit-ökonomische Erklärung, warum das staatliche Geldangebotsmonopol Konjunkturzyklen provoziert. Sie erkannten, dass die öffentliche Meinung, geprägt von einer tiefsitzenden „ideologischen Zinsfeindschaft“, die Zentralbank dazu drängt, die Zinsen immer weiter abzusenken.
Das damit verbundene Ausweiten der Kredit- und Geldmengen setzt kurzfristig einen inflationären Wirtschaftsaufschwung in Gang. Es ermuntert dabei jedoch Spekulationswellen und Fehlinvestitionen, die früher oder später das Konjunkturgebäude zusammenstürzen lassen. Um die drohende Rezession abzuwenden, ruft dann die Öffentlichkeit nach noch niedrigeren Zinsen, nach noch mehr Kredit und Geld.
Finanz- und Konjunkturkrisen, so die „Österreichische Schule“, schaffen ein weiteres Problem: Sie werden dem Kapitalismus, nicht aber dem Versagen des staatlichen Geldsystems angelastet. Die falsche Diagnose spiele so dem Sozialismus in die Hände: In der Not der Krise würden staatliche Eingriffe gefordert, durch die künftig Krisen verhindert werden sollen. Ein Mehr an Regulierungen, Protektionismus und Verboten setzt die freie Marktordnung zusehends außer Kraft, schafft Unfreiheit und sorgt für Wachstums- und Beschäftigungsverluste.
Auch aktuell scheint die Furcht vor einer globalen Finanzkrise die Weichen für die Antwort der Zentralbanken zu stellen. Politisch wird es nicht als opportun erachtet, wenn die Marktbereinigung von temporären Einkommensverlusten begleitet wird. Niedrige Zinsen scheinen der billigere Weg zu sein. Es dürfte nicht lange dauern, bis die Zentralbanken die Kreditkosten drastisch senken, um die Kredit- und Geldmengen noch weiter ausweiten.
Das mag, wie schon so häufig, kurzfristig Linderung verschaffen. Doch es wäre trügerisch zu glauben, die Krise wäre auf diese Weise aus der Welt zu schaffen. Sie würde lediglich in die Zukunft verschoben und die Kosten ihrer künftigen Bereinigung unweigerlich ansteigen lassen – so die „Österreichische Schule“. Die Geldpolitiken werden also wohl wieder ein Schauspiel geben, das für die einen gewohnt und für die anderen zusehends grotesk und dabei auch irgendwie tragisch ist.
Dieser Beitrag ist auch in der FAZ vom 03.09.2007 erschienen. Wir bedanken uns für die freundliche Genehmigung, diesen Text auch hier veröffentlichen zu dürfen
- Kurz kommentiert
Verbietet den Zentralbanken, Aktien zu kaufen - 12. September 2016 - Auf dem Weg in eine Welt ohne Renditen - 19. Juli 2016
- Frieden braucht Eigentum - 28. Mai 2016
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In der Analyse, dass eine erneute Zinssenkung keine wirkliche Lösung ist, stimme ich mit ihnen überein. Allerdings widerspreche ich Ihnen, in der Analyse der Gründe für diese Krise. Diese sind doch gerade in den liberalisierten Finanzmärkten auszumachen. Daher kann nicht der Weg einer noch stärkeren Liberalisierung der Finanzmärkte der richtige sein sondern im Gegenteil diese müssen einen stärkeren Kontrolle unterworfen werden.
Die Ursache der Krise ist wie in der Analyse beschrieben die inflationäre Geldpolitik der Zentralbanken. Es entsteht immer mehr wertloses Geld, dass zunehmend in riskante Spekulationen investiert werden muss, um die Inflation zu kompensieren. Irgendwann entsteht zwangsläufig eine Blase, die Platzen muss. Dies ist eine Art Korrektur der Geldmenge zu den realen Sachwerten…
Man muss bei solchen Aktionen immer abwägen zwischen einer womöglich inflationär wirkenden Zinssenkung und dem Risiko, dass eine eingeschränkte Kreditvergabe durch die Banken sich auf die restliche Wirtschaft auswirkt. Die Zentralbank muss auch darauf achten durch ihre Maßnahmen ihr Bankensystem nicht kaputt zu machen, da es dann sehr schwierig wird die Transmission ihrer Zinssetzungen zu kalkulieren.
Außerdem würde eine Zinssenkung zu normaleren Zinssätzen gerade am Interbankenmarkt führen. Dort wurden teilweise bis zu 60 Basispunkte Aufschlag auf den Eurozins von 4% bezahlt. Nur durch Schnelltender konnte dieser wichtige Zins normalisiert werden.
Und in der Tat würde etwas mehr Regulierung dazu führen, dass gerade die Kreditvergabe nicht mehr so lax gestaltet werden könnte, wie es in der Vergangenheit geschehen ist.
@ liberphil,
„Die Ursache der Krise ist wie in der Analyse beschrieben die inflationäre Geldpolitik der Zentralbanken.“
Wenn das die Ursache ist, dann muss man die Frage stellen, warum diese Ursache jetzt die Auswirkungen hat. Denn diese inflationäre Geldpolitik gab es doch – folgt man Mises etc. – schon immer.
Folgt man dieser Analyse nicht, dann wird klar, dass es zu diesen neuen Auswirkungen durch einen neuen Effekt gekommen ist. Und dieser neue Effekt läßt sich eben auf die Liberalisierung der Finanzmärkte zurückführen.
@Peter:
„Denn diese inflationäre Geldpolitik gab es doch – folgt man Mises etc. – schon immer.“
Nein, die gibt es erst seit 1913 (als die USA das Federal Reserve System eingeführt haben), in Europa erst mit dem Ausbruch des ersten Weltkriegs (weil die kriegführenden Staaten billige Kredite brauchten). Im 19. Jahrhundert gab es ein andauernde Deflation, weil die Zahl der Güter, die man für das Geld kaufen konnte, qualitativ und quantitativ stieg.
@ Gernot Kieseritzky,
einverstanden. Mit „gab es schon immmer“ meinte ich eigentlich seit dem 2. Weltkrieg. Ich hatte nicht ernsthaft damit gerechnet, dass jemand das 21. mit der Welt des 19. Jahrhunderts vergleichen will. Das kenne ich eigentlich sonst nur von eingefleischten Marxisten.
Daher nochmal: einverstnden.
@Peter: Sie verstehen die Bedeutung dieses Hintergrunds offenbar nicht. Recherchieren Sie mal wieviele Finanzmarkt/Wirtschaftskrisen es vor 1913 gab und wieviele danach. Übrigens gab es um 1900 in den USA so gut wie keine Regulation der Finanzmärkte (Insidergeschäfte und Marktmanipulationen waren vollkommen legal, in Europa wahrscheinlich auch, aber da weiß ich es nicht genau) und trotzdem funktionierte dieses System über viele Jahrzehnte stabil und zum Wohl aller und nicht nur der Aktienhändler. Regulation der Finanzmärkte ist nicht entscheidend. Wenn Sie stabile Verhältnisse wollen, dann müssen Sie gegen Fractional Reserve Banking sein und für eine solide Golddeckung unserer Währungen.
@ Gernot Kieseritzky,
nur eine kurze Antwort hierzu: wie heisst es gegenüber Keynesianern häufig? Dass dies vielleicht für die Zeit von 1965-75 funktioniert habe, sich die Zeiten aber mitlerweile geändert haben (Globalisierung, nationale Wirtschaftspolitik sei nicht mehr möglich). Aber bezüglich der Geldpolitik wird hier ein Instrument vertreten, das um 1900 vielleicht funktioniert hat. Absurd.
Übrigens macht es überhaupt keinen Sinn, die Geldstabilität von einem Rohstoff abhängig zu machen, dessen Wert sehr volatil ist. Zumal heute jährlich ca. 100-mal mehr Gold weltweit gefördert wird als Mitte des 19. Jahrhunderts.
Warum sollte das, was 1900 funktioniert hat nicht auch heute funktionieren? Eine stabile Währung ist schließlich auch heute der wirtschaftlichen Entwicklung zuträglich. Mit dem automat. Goldstandard fielen alle Wechselkursschwankungen weg, ohne das eine Intervention der Zentralbanken notwendig wäre (wie in einem Sytem mit festem Wechselkurs zwischen Fiat-Money-Währungen), noch eine einheitliche Währung, weil das Geld schließlich einfach in Einheiten von Gold gezählt würde. Das EURO-System versucht im Grunde nur den Zustand, den wir bereits vor dem 1. WK hatten, zu emulieren.
Übrigens ist die Geldmenge nach Mises völlig irrelevant für Wohlstand und Wachstum. Jede Volkswirtschaft kann mit einer bel. Geldmenge laufen. Insofern ist Ihr Einwand der „Volatilität“ des Goldes nicht schwerwiegend. Zumal die Größe der Weltmärkte das 100x Volumen gegenüber des 19. Jahrhunderts locker übertreffen.
Es überrascht Sie vielleicht, dass es bei den Liberalen nicht nur Anhänger von Friedmans Monetarismus gibt. Insofern freut es mich, in einem deutschsprachigen Blog etwas über die Österreicher zu lesen. Mehr davon! 🙂
@ Gernot Kieseritzky,
„Warum sollte das, was 1900 funktioniert hat nicht auch heute funktionieren?“
Zum einen weil es nicht wirklich funktioniert hat:
http://www.weltpolitik.net/Sachgebiete/Weltwirtschaft%20und%20Globalisierung/Historische_Entwicklung/Grundlagen/Der%20Goldstandard%20vor%20dem%20ersten%20Weltkrieg.html
Darin: „Der Goldstandard war kein Währungssystem, wie wir es unter dem Bretton Woods System fester Wechselkurse gekannt haben… Es war eine historisch gewachsene, einzigartige Institution, die aufgrund sehr spezieller wirtschaftlicher und politischer Rahmenbedingungen in seinem Zentrum relativ lang und reibungslos funktioniert hat.“
Zum anderen weil ein System fester Wechselkurse ja nicht wirklich sinnvoll ist. Vor allem wenn die Zentralbanken (EZB, früher genauso Deutsche Bundesbank) nur auf Preisstabilität und nicht auf die Auswirkung auf Beschäftigung und Wachstum achten.
Lieber Peter!
Ich bin immer wieder beeindruckt über die Qualität ihrer Quellen. Ich persönlich freue mich schon darauf, wenn Sie demnächst einen Baumarktkatalog zitieren, um zu belegen, dass Sie recht haben und alle anderen sowieso nur Unsinn erzählen. Ich möchte mich jetzt nicht als Verfechter eines Goldstandards aufschwingen. Es wundert mich nur, zu welchen Mitteln manche Leute greifen um ihre Aussagen zu belegen.
Um nochmal auf ihre heißgeliebte Wikipedia zurück zu kommen: Schauen Sie mal nach, was Wikipedia zur Tobin-Steuer schreibt. Es ist zu lesen, dass diese Steuer von ihm vorgeschlagen (nennen wir es mal erfunden) wurde. Dies ist natürlich falsch. Halten Sie Wikipedia immer noch für eine so gute Quelle?
Ja? Selbst schuld.
@ Kurt,
1. Was ist inhaltlich gegen die von mir angegebene Quelle zu sagen.
2. Tobin hat die nach ihm benannte Steuer tatsächlich vorgeschlagen. Auch wenn er diesen Vorschlag später eingeschränkt hat, hat er ihn nie zurückgenommen.
Im übrigen: eine fehlerlose Quelle ist mir nicht bekannt. Dennoch kann diese Quelle darauf hinweisen, was heute allgemein unter Neoliberalismus verstanden wird. Denn genau im heute allgemeinen Sprachgebrauch wird dort dieser Begriff definiert.
Außerdem behaupte ich gar nicht, dass alle anderen außer mir Unsinn schreiben. Es gibt aber eine einfache Regel: wer im Sinne des wirtschatlichen Liberalismus argumentiert, schreibt unweigerlich Unsinn. Es geht gar nicht anders. Wenn jemand Mathematik auf der Basis 1+1=3 aufbaut, ist auch jeder der darauf aufbauenden Sätze Unsinn. Das bedeutet aber nicht, dass jeder der auf der Basis 1+1=2 aufbauenden Sätze automatisch richtig sein muss.
Bemerkenswertes von Alan Greenspan zum Thema Goldstandard:
http://youtube.com/watch?v=ocVkuewUMXI
Hier sagt er auf die Frage, warum man denn eine Zentralbank bräuchte, wenn man doch sonst auf die Märkte vertraute, dass es im Grunde keiner Zentralbank bedürfe, wenn wir beim historischen Goldstandard geblieben wären.
Interviewer: “So we’re not a free market then?“
Greenspan: “You’re quite correct. To the extent that there is a central bank governing the amount of money in the system, that is not a free market and most people call it regulation.“
Komisch soetwas ausgerechnet aus dem Mund eines der prominentesten Zentralbankplaner zu hören.