Ein „Fiat-Geld-Boom“ endet in einer Depression. Deren Kosten können jedoch verringert werden, wenn die Zentralbanken sofort aufhören, die Zinsen zu manipulieren und die Geldmenge auszuweiten.

„The reason why I think that too deliberate striving for immediate usefulness is so likely to corrupt the intellectual integrity of the economist is that immediate usefulness depends almost entirely on influence, and influence is gained most easily by concessions to popular prejudice and adherence to existing political groups.“

Friedrich August von Hayek, (1991 [1944]), On Being An Economist.

I.

Viele Ökonomen, nicht selten mit besten Absichten, wollen mit ihren Ratschlägen, die sie an Zentralbank- und Regierungspolitiker, Regulierungsbürokraten und vor allem auch die breite Öffentlichkeit richten, zu einer „Lösung“ der Finanz- und Wirtschaftskrise beitragen. So empfehlen einige von ihnen, die Zentralbankpolitiker sollten das Gelddrucken nicht zu weit treiben, wenn es gilt, unrentable Banken und Staaten über Wasser zu halten; Regierungspolitiker sollten sich der Zustimmung zu immer größeren Staatsdefiziten und „Rettungsschirmen“ versagen; Finanzaufsichtsbehörden sollten die „Regulierungszügel“ mutig anziehen, ungeachtet des Widerstandes aus der Bank- und Finanzwirtschaft; und nicht zuletzt sollten die Wahlbürger nicht mehr chronisch auf Kosten künftiger Steuerzahler leben und Staatsausgabekürzungen zustimmen.

Solche Appelle stützen sich auf eine ökonomische Theorie, die im Kern besagt, dass eine Rückbesinnung auf ökonomisch vernünftiges Verhalten – also zum Beispiel eine solide Finanz- und Geldpolitik – die aktuelle Krise überwinden kann, dass die Volkswirtschaften auf diese Weise „gesundet“ werden und aus der Krise „herauswachsen“ können. Dass das jedoch eine beschönigende Lesart der wahren ökonomischen Zusammenhänge ist, wird offensichtlich, wenn eine andere ökonomische Theorie verwendet wird: und zwar die Theorie der Österreichischen Schule der Nationalökonomie. Mit den Erkenntnissen, die ihre Vertreter erarbeitet haben, kann nicht nur die (Kern)Ursache der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise im Papiergeld- oder auch „Fiat“-Geldstandard erblickt werden. Sie zeigen zudem auch die unentrinnbaren Konsequenzen auf: dass nämlich ein mit Fiat-Geld finanzierter (Schein)Aufschwung („Boom“) notwendigerweise in eine Rezession-Depression – also eine Phase (schwerer) Produktions- und Beschäftigungsverluste – führen muss. Wie erklärt sich diese Schlussfolgerung?

II.

Der Fiat-Geldstandard zeichnet sich dadurch aus, dass Geld per Bankkreditvergabe produziert wird; Geld wird hier sprichwörtlich „aus dem Nichts“ (ex nihilo), geschaffen durch Kreditvergabe, die nicht durch „echte Ersparnis“ gedeckt ist. Das Ausweiten der Fiat-Geldmenge per Bankkredit ist nicht nur inflationär – führt also zur Geldentwertung und einer erzwungenen Umverteilung –, sondern es löst zudem auch Fehlallokationen aus (durch „Überkonsum“ und „Fehlinvestitionen“). Der künstlich herabgedrückte Zins verleitet Unternehmen zu Investitionen, für deren Verwirklichung nicht ausreichend Ressourcen (zu herrschenden Preisen) zur Verfügung stehen und deren Rentabilität davon abhängt, dass der Zins künstlich niedrig gehalten beziehungsweise durch fortwährende Kredit- und Fiatgeldmengenausweitung auf ein immer niedrigeres Niveau geschleust wird.

Ein durch Fiat-Geld in Gang gesetzter Boom lässt sich nur durch immer mehr Kredit und Geld, begleitet von immer tieferen Zinsen, aufrechterhalten. Je länger aber der Fiat-Geld-Boom andauert, desto grösser werden die Kapitalfehlleitungen und vor allem auch die Verschuldungslasten der Kreditnehmer (relativ zu ihrem Einkommen) sein, und desto höher werden auch die Kosten des finalen Kollaps des Fiat-Geld-Booms ausfallen. Dass ein mit Fiat-Geld angezettelter Boom in einer Depression enden muss, formulierte Mises im Jahr 1940 wie folgt: “[T]he boom cannot continue indefinitely. There are two alternatives. Either the banks continue the credit expansion without restriction and thus cause constantly mounting price increases and an ever-growing orgy of speculation, which, as in all other cases of unlimited inflation, ends in a “crack-up boom“ and in a collapse of the money and credit system. Or the banks stop before this point is reached, voluntarily renounce further credit expansion and thus bring about the crisis. The depression follows in both instances.“

III.

            Wenn das Ausweiten der Kredit- und Fiat-Geldmenge zum Stillstand kommt, stellt sich eine Depression aufgrund von zwei miteinander verbundenen Gründen ein. Erstens: Investitionen sind zeitintensiv; eine Erkenntnis, der in der Kapitaltheorie der Österreichischen Schule der Nationalökonomie große Aufmerksamkeit geschenkt wird. Kehrt der Zins auf sein „natürliches Niveau“ zurück, weil der Zustrom von neuem Kredit und Fiat-Geld versiegt, werden nicht alle angefangenen Investitionsprojekte zum Abschluss gebracht werden können. Viele Investitionen müssen vor ihrer Vollendung liquidiert werden, und die damit verbundenen Arbeitsplätze gehen verloren. Die herrschende Produktions- und Beschäftigungsstruktur lässt sich nicht mehr aufrechterhalten, Ressourcen müssen neu bepreist werden.

Zweitens: Investitionen sind vielfach spezifisch, d. h. durch sie werden knappe Ressourcen verbindlich in einer gewählten Verwendungsrichtung gebunden; sie lassen sich nicht mehr ohne weiteres in andere Verwendungen lenken. Beispiele sind „Bauruinen“: Menschliche Arbeitskraft und andere knappe Ressourcen wurden aufgewendet für das Erstellen von Bauten, die sich als unrentabel erweisen; ein (Gross-)Teil der verwendeten Ressourcen (vor allem die Arbeitskraft) lässt sich nun nicht mehr anderen, produktive(re)n Verwendungen zuführen. Und je höher die Spezifizität der aufgewendeten Ressourcen ausfällt, desto höher fällt auch der Verlust der gesamtwirtschaftlichen Produktionskapazität aus. Mises betonte daher stets, dass ein Fiat-Geld-Boom die Volkswirtschaft verarmen lasse.

In einem politischen System, in dem Kurzfristorientierung der Regierenden vorherrscht, und in dem gleichzeitig die Einkommens- und Vermögenslage weiter Teile der Bevölkerung von Staatszuwendungen und dem Weiterführen des Fiat-Geldstandards abhängen – alles dies trifft für die westlichen Umverteilungs-Demokratien zu –, ist zu erwarten, dass „man alles versucht“, um den Ausbruch der Krise (weiter) in die Zukunft zu verschieben – selbst wenn das nur temporär Erleichterung bringt und die Kosten der künftigen Krise weiter in die Höhe treibt. In diesem Kalkül erscheint das Ausweiten der Geldmenge im Vergleich zu Pleiten von Banken und Staaten nur zu leicht als das vergleichsweise kleinste Übel. Es ist diese Anreizstruktur, die Gefahr läuft, das schlechteste aller Ergebnisse des Fiat-Geld-Booms hervorzubringen: nicht nur Depression, sondern Depression und Zerstörung des Geldes.

 

 

Thorsten Polleit
Letzte Artikel von Thorsten Polleit (Alle anzeigen)

10 Antworten auf „Ein „Fiat-Geld-Boom“ endet in einer Depression. Deren Kosten können jedoch verringert werden, wenn die Zentralbanken sofort aufhören, die Zinsen zu manipulieren und die Geldmenge auszuweiten.“

  1. Ohne „Fiat-Geld“ keine wirtschaftliche Entwicklung. Vielleicht mal Schumpeter lesen zur Bedeutung der kreditären Vorfinanzierung von Investitionen durch das Bankensystem. Investitionen ziehen Ersparnisse nach sich, nicht umgekehrt.

  2. @ Tunt

    Die Abkürzung mittels fiat money ohne vorherige Ersparnisbildung funktioniert nur im Fall der erfolgreichen Investition. Nur hierbei kann der Kredit samt Zinsen zurückgeführt werden, ohne dass an anderer Stelle gekürzt werden muss. In den Fällen, in denen die Investition fehlschlägt oder der Kredit gar konsumtiv verwendet wird, muss die Kredittilgung durch Kürzung anderer Ausgaben oder Minderung der Ersparnisbildung erfolgen – oder durch Insolvenz. Dann zahlt der Gläubiger durch Ausbuchung der Forderung. Sie können Ihr Geld halt nur konsumtiv vewenden oder sparen (investieren) Mehr geht nicht.

    Deshalb haben ja die Griechen et alt. die Probleme, die sie haben, weil sie die Kredite konsumtiv verwendet haben. Uns wird es da nicht anders ergehen. Schauen Sie sich die Staatsausgaben an und sagen Sie mir, wieviel Prozent davon investiv verwendet werden. Da finden Sie nicht viel – wenn überhaupt. Und dann greift die alte Weisheit von Hjalmar Schacht: „Verschuldung ist vorgezogener Konsum, der in der Zukunft ausfällt.“ Ausfallen muss. An dieser Stelle stehen die Griechen heute. Da fällt eine Menge aus. Das war glockenklar vorhersehbar. Und unser Weg zu diesem Punkt ist auch nicht mehr allzu weit.

    It´s not the deficit, it´s the spending.

  3. Je länger aber der Fiat-Geld-Boom andauert, desto grösser werden die Kapitalfehlleitungen
    – Jede Investition die nicht am Minimalbedarf ausgerichtet ist, birgt das Element des verschwenderischen Konsums. Wenn der überhand nimmt, platzt die Blase. Sei es die einzelne Investition, sei es ein Unternehmen, sei es eine Nationalökonomie.

    Der Hype ist ein menschliches Phänomen – selbst bei sinkenden potentiell niedrigeren Preisen wird noch lange zu hohen Preisen gehandelt … das treibt die Verschwendung und Kredit den man nicht mehr los wird.

    Ob Fiat Geld das treibt, auf jeden Fall wird auf einfache Weise Verschwendung finanziert. Die Natur holt sich zurück was ihr wurde entrissen.

    Man darf nicht glauben, dass Geld einen Wert in sich trägt. Die Tauschfunktion ist ok, aber wofür dann noch Zinsen bezahlen?

  4. Die Ausweitung der Geldmenge ist in einer Demokratie unvermeidlich, Politiker verschulden die Staaten hemmungslos, wenn sie dann länger oben mitschwimmen dürfen.
    Der Wähler honoriert Wahlgeschenke mit seiner Stimme.

    Letztlich bedeutet jede Abkehr von Fiat-Money den Zwang zum Haushalten.
    Dazu gehört auch ein Lohnniveau, das weit unter den heutigen Verhältnissen liegt.

    Allerdings können von den Löhnen auch nicht die heutigen exorbitant hohen Steuerlasten getragen werden.

    Letztlich führte dies zu weniger Wachstum im heutigen Sinne, es käme eher in seiner Langsamkeit zu einer Veränderung im Laufe der Zeit.
    Die Menschen müssten nicht ständig den Arbeitplätzen hinterher wandern, sie könnten auf Nachhaltigkeit setzen und so eine wesentlich höhere Lebensqualität erreichen als heute.
    Die Demokratie, wie sie heute ausgeformt ist – als Alleinherrschaft und deshalb als Diktatur der Parteien – wird diese Krise nicht überstehen.

  5. „Investitionen ziehen Ersparnisse nach sich, nicht umgekehrt.“

    Das sehen wir ja derzeit ganz besonders „eindrucksvoll“ Man fragt sich unwillkürlich woher kam wohl das Geld für Kredite vor diesem ganzen Fiat-money Geld Schlamassel?

    Man frage auch weiter womit bezahlen wir die Investionen? Offenbar reicht Ihnen heiße Luft, auch das funktioniert ja geradezu „wunderprächtig“…..

  6. Bitte erklären Sie den Leuten, dass nicht Fiatgeld per se schlecht ist und das eine Reserve-Währung bzw. gedeckte Währung (Gold / Silber) nicht per se gut. Es kommt darauf an, die richtigen Preise auf die Preisschilder zu bekommen. Weil aber kein ZB-Bänker die weiss und sich nur durch irgendwelche kommunistischen Planwirtschaftsmechanismen herleiten kann, ist es notwendig währungen im Wettbewerb enstehen zu lassen. Also, Total-Privatisierung der Geldpolitik.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert