Der Preis des ZaudernsDie vorsichtige quantitative Straffung gefährdet die Unabhängigkeit des Eurosystems

Auf den Wiederanstieg der Inflationsraten hat das Eurosystem – wenngleich zögerlich – mit einer Neuausrichtung seiner Geldpolitik reagiert. Es hat im Juli 2022 zunächst die Nettoankäufe von Wertpapieren im Rahmen des „Asset Purchase Programmes“ (APP) eingestellt und anschließend damit begonnen, die Leitzinsen stufenweise anzuheben. Dem folgte im Dezember die Ankündigung, ab März 2023 die Wiederanlage fällig werdender Wertpapierbeträge in vorhersehbarer Weise zu reduzieren. Beabsichtigt ist, bis Ende Juni 2023 das APP-Portfolio um monatlich durchschnittlich 15 Mrd. Euro zu vermindern; die Reduktionsgeschwindigkeit für die Zeit nach Juni 2023 steht noch nicht fest (Europäische Zentralbank, 2023a).

„Quantitative Lockerung“ (QE) wurde durch „quantitative Straffung“ (QT) ersetzt. Das Eurosystem folgt dem Beispiel der US Fed, die damit bereits zwischen 2017 und 2019 begonnen hatte, die Straffung aber während der Pandemie aussetzen musste. Ebenso wie die Fed beabsichtigt das Eurosystem nicht, vorhandene Wertpapierbestände am offenen Markt zu verkaufen. Vielmehr wird lediglich auf die Wiederanlage eines Teils der auslaufenden Anlagebeträge verzichtet, und das Eurosystem bleibt weiterhin an den Wertpapiermärkten als Käufer aktiv. Bis Juni 2023 wird etwa die Hälfte der auslaufenden Bestände wieder angelegt, sodass die Überschussliquidität im Bankensektor nur langsam sinkt. Die EZB schätzt, dass diese erst im Jahre 2029 vollständig abgebaut und die Zentralbankbilanz dann immer noch etwa dreimal so groß wie 2007 sein wird (Schnabel, 2023).

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Zum Niedergang der „monetären Analyse“ in der geldpolitischen Strategie des Eurosystems

Im Zuge der Neuausrichtung seiner geldpolitischen Strategie hatte der EZB-Rat im Sommer 2021 beschlossen, geldpolitische Entscheidungen künftig auf Grundlage zweier ineinandergreifender Analysen zutreffen, nämlich einer „wirtschaftlichen“ und einer „monetären und finanziellen Analyse“. Damit verbleibt der EZB-Rat zwar nominell in der Tradition seiner „Zwei-Säulen-Strategie“; allerdings setzt er inzwischen die Schwerpunkte völlig neu, und es hat den Anschein, dass die Geldmengenentwicklung in die Rolle einer Nebendarstellerin im geldpolitischen Entscheidungsprozess gedrängt wird. In den „Monetary policy statements“ zu Beginn der EZB-Pressekonferenzen wird die Geldmenge jetzt kaum noch erwähnt.

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Nobelpreis 2022
Banken und ihre Rolle in Finanzkrisen
Zum Nobelpreis für Ben Bernanke, Douglas Diamond und Philip Dybvig

Im Film „Mary Poppins“ gibt es eine Szene, in der ein kleiner Junge die „Fidelity Fiduciary Bank“ besucht und von dem knorrigen Bankmanager im Backoffice bedrängt wird, sein Taschengeld anzulegen. Der Junge ist verängstigt, und als der Angestellte ihm seine Twopence Münze aus der geöffneten Hand entnehmen will, ensteht ein Handgemenge, in dem er „Give me back my money“ ausruft. Dies hören andere Kunden im Schalterraum, die aufgeschreckt ihre Einlagen zurückverlangen. Die Konsequenz ist ein spekulativer Bank Run, der zur Zahlungseinstellung und zur Schließung der Bank führt. Der Junge kann sein Geld retten.

Was hier persifliert wird, ist Sinnbild für Instabilitäten von Banken, die sich zu Finanzkrisen mit hohen gesamtwirtschaftlichen Kosten ausweiten können. Um diese zu vermeiden, muss man verstehen, warum Banken existieren, weshalb sie scheitern und wie sich Instabilitäten im Finanzsektor auf die Realwirtschaft übertragen. Diese Fragen behandeln die Arbeiten der diesjährigen Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften, wobei der Preis jeweils zu einem Drittel an Ben S. Bernanke (Brookings Institution, New York), Douglas W. Diamond (University of Chicago) und Philip H. Dybvig (Washington University in St. Louis) geht. Aus Sicht des Nobelpreiskomitees haben ihre Arbeiten das Verständnis der Rolle der Banken in der Wirtschaft, insbesondere während Finanzkrisen, erheblich verbessert, wobei Diamond und Dybvig sich mit einzelwirtschaftlichen Aspekten und Bernanke mit makroökonomischen Implikationen befassen.

Nobelpreis 2022
Banken und ihre Rolle in Finanzkrisen
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Transmission Protection Instrument
Ende der „monetären Dominanz“ in der Eurozone

Der EZB-Rat hat sich auf das neue „Transmission Protection Instrument“ (TPI) verständigt, was es dem Eurosystem künftig erlaubt, am Sekundärmarkt Anleihen öffentlicher (und ggf. privater) Emittenten in ex ante unbegrenzter Höhe anzukaufen (ECB, 2022). TPI wird eingesetzt, sobald Anzeichen für eine „ungerechtfertigte, ungeordnete Marktdynamik“ bestehen und der EZB-Rat die geldpolitische Transmission innerhalb der Eurozone als gefährdet ansieht. Als Indiz für ungeordnete Marktdynamiken gelten steigende Renditeabstände für Staatsanleihen auf Sekundärmarkten, die auf eine zunehmende Fragmentierung der Finanzmärkte hindeuten und aus Sicht der EZB die Transmission geldpolitischer Impulse behindern.

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Klimaschutz durch Geldpolitik – Geht das?

Der EZB-Rat hat im Zuge der Neuausrichtung seiner geldpolitischen Strategie angekündigt, künftig Klimaschutzaspekte in seinen Handlungsrahmen einfließen zu lassen und bei geldpolitischen Geschäften stärker zu berücksichtigen. Er hält dies als mit seinem Mandat für vereinbar, das Preisstabilität als vorrangiges Ziel ansieht, aber das Eurosystem zugleich verpflichtet, die allgemeine Wirtschaftspolitik in der Europäischen Union zu unterstützen, wozu auch der Klimaschutz gehört. Klimaschutzmaßnahmen fördern aus Sicht des EZB-Rats die Preisstabilität, weil sie stabilisierend auf die Inflations- und Outputdynamik wirken, die mit Klimawandel verbundenen physischen Risiken und Transitionsrisiken mindern und einen Rückgang des natürlichen Zinssatzes verhindern (Schnabel, 2021).

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Globale Geldpolitik – Listening to the ‘Wind of Change’

Der EZB-Rat hat auf seiner Sitzung im Dezember 2021 erneut darauf verzichtet, die Leitzinsen anzuheben, und beschlossen, den Hauptrefinanzierungssatz bei 0,00% zu belassen. Damit bleibt die Geldpolitik in der Eurozone weitgehend unverändert, was angesichts der zuletzt gestiegenen Preissteigerungsraten, die es bereits auf die Titelseiten der deutschen Boulevardpresse geschafft haben, zunehmend auf öffentliche Kritik trifft. Es werden Stimmen lauter, die einen raschen geldpolitischen Kurswechsel fordern und auf andere Zentralbanken verweisen, die bereits damit begonnen haben, die geldpolitischen Zügel straffer zu ziehen.

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Warten auf Godot
Kein Ende der Nullzinsphase in Sicht

Im August 2021 ist die jährliche Teuerung in der Eurozone (gemessen am HVPI) auf 3,0% angestiegen, nach 2,2% im Juli und 1,9 % im Juni 2021. Diese Nachricht hat es bereits in die Schlagzeilen großer deutscher Boulevardzeitungen geschafft, und viele Beobachter fordern eine angemessene Reaktion der Geldpolitik. Das Eurosystem beabsichtigt jedoch, durch den aktuellen Anstieg der Inflationsrate „hindurchzuschauen“ und geldpolitisch nicht zu reagieren. Zudem hat es angekündigt, den derzeit eingeschlagenen Kurs auf längere Zeit fortzusetzen und die Leitzinsen vorerst nicht anzuheben. Dies geht aus dem Zinsausblick hervor, den die EZB in Folge ihrer strategischen Neuausrichtung Ende Juli abgegeben hat und der im EZB-Rat mehrheitlich (aber wohl nicht einstimmig) beschlossen wurde.

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Zum Strategiewechsel des Eurosystems
Viel Lärm um (fast) Nichts?

EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat am 8. Juli 2021 die Eckpfeiler der neuen geldpolitischen Strategie des Eurosystems vorgestellt, auf die sich der EZB-Rat am Abend zuvor einstimmig geeinigt hatte. Dies ist der zweite Strategiewechsel seit Einführung des Euros, nachdem das Eurosystem im Sommer 2003 eher geringfügige Änderungen vorgenommen hatte.

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Was bringen Dividendenverbote für Geschäftsbanken?

Auf den Ausbruch der Covid-19-Pandemie hat das Eurosystem nicht nur mit einer Fortsetzung seiner expansiven Geldpolitik reagiert, sondern hat auch die makroprudentiellen Rahmenbedingungen für Geschäftsbanken erleichtert. Konkret wurden Anfang März 2020 die Mindesteigenkapital- und Mindestliquiditätsquoten gelockert, um Banken bessere Möglichkeiten zur Kreditvergabe an Haushalte und Unternehmen zu geben. Wenig später wurde den Kreditinstituten empfohlen, weitgehend auf Dividendenzahlungen und auf den Rückkauf eigener Aktien zu verzichten, um die Verlustabsorptionsfähigkeit zu erhöhen und zu gewährleisten, dass das freigesetzte Eigenkapital nicht an die Anteilseigner ausgeschüttet wird.

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Das Eurosystem in der Pandemie
Einstieg in die Zinskurvensteuerung?

Mit Ausbruch der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 hat das Eurosystem seinen geldpolitischen Handlungsrahmen um das „Pandemic Emergency Purchase Programme“ (PEPP) erweitert. Im Rahmen von PEPP erwirbt das Eurosystem dieselben Vermögenswerte, die für das bereits laufende Ankaufprogramm APP zugelassen sind (wobei für griechische Anleihen eine Ausnahmeregelung besteht). Die Ankäufe erfolgen zusätzlich zu und getrennt von den im Rahmen des APP Programms vorgesehenen Wertpapierankäufen.

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Einstieg in die Zinskurvensteuerung?
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