Ist die Unabhängigkeit der US Fed in Gefahr?

Im Vorlauf zu den US-amerikanischen Präsidentschaftswahlen im November 2024 wachsen Befürchtungen, Donald Trump könnte nach einem Wahlsieg die Unabhängigkeit der US Fed einschränken. Schon während seiner ersten Amtsperiode hatte er Einfluss auf die amerikanische Geldpolitik zu nehmen versucht. In dieselbe Richtung deuten jetzt Aussagen vom Jahresbeginn, wonach er im Falle eines Wahlsiegs den Vorsitz im Board of Governors neu besetzen und Jerome Powell ablösen wolle. Damit stellt sich die Frage, ob und inwieweit die Unabhängigkeit der US Fed gefährdet ist und wie robust die amerikanischen geldpolitischen Institutionen gegen Versuche seitens eines Präsidenten sind, die Ausrichtung der Geldpolitik zu beeinflussen.

Federal Reserve System – Status quo

Bekanntlich besteht das Federal Reserve System aus dem Board of Governors (BOG) mit Sitz in Washington, DC) und den zwölf Federal Reserve Banks, deren Distrikte teilweise mehrere Bundesstaaten umfassen (siehe US Federal Reserve, 2017). Die sieben Mitglieder des Board of Governors werden vom US Präsidenten bestellt und vom Senat bestätigt; der US Präsident nominiert auch den/die Vorsitzende(n) und dessen Stellvertreter/in. Die Amtszeiten aller Mitglieder betragen 14 Jahre und sind so gestaffelt, dass eine Amtszeit am 31. Januar eines jeden geraden Jahres abläuft. Eine Wiederwahl ist nicht möglich. Der/die Vorsitzende muss bereits Mitglied des Boards sein; seine/ihre Amtszeit beträgt 4 Jahre und kann (auch mehrmals) um weitere 4 Jahre verlängert werden; Endet der Vorsitz, behält die betreffende Person ihren Sitz im BOG bis Ablauf der 14jährigen Amtszeit.

Die Federal Reserve Banks werden von einem neunköpfigen Board of Directors geleitet, die teilweise (sechs Personen) auf District-Ebene und teilweise (drei Personen) auf Unionsebene durch den BOG bestellt werden. Der Board of Directors nominiert die Präsidenten der Federal Reserve Banks, die aus dem Kreis der vom Board bestellten Direktoren stammen müssen und vom BOG bestätigt werden. Die Direktoren werden für eine gestaffelte Amtszeit von drei Jahren gewählt oder ernannt. Sie können in der Regel zwei volle dreijährige Amtszeiten oder maximal sieben aufeinanderfolgende Jahre absolvieren. Wenn ein Direktor nicht in der Lage ist, eine volle Amtszeit zu absolvieren, wird der Nachfolger für den verbleibenden Teil der dreijährigen Amtszeit gewählt.

Wichtige geldpolitische Entscheidungen werden vom Federal Open Market Committee (FOMC) getroffen, in dem die sieben Mitglieder des Board of Governors und die Präsidenten von fünf Federal Reserve Banks stimmberechtigt sind. Das Stimmrecht der Federal Reserve Banks im FOMC rotiert jährlich, wobei die Federal Reserve Bank of New York (die die Offenmarktoperationen der Fed durchführt) immer stimmberechtigt ist. Damit dominieren im FOMC auf Bundesebene bestellte Entscheidungsträger (7 zu 5). Der Vorsitz im FOMC ist nicht gesetzlich geregelt; traditionell wählt das Komitee aber den Chairman des Board of Governors auch zu seinem Vorsitzenden und den Präsidenten der Federal Reserve Bank of New York zum Stellvertreter. Die FOMC-Sitzungen finden in der Regel achtmal im Jahr in Washington, D.C. statt. Entschieden wird per Mehrheitsbeschluss, ohne dass der Vorsitzende eine zusätzliche Stimme hat; allerdings ist er selten auf der Verliererseite und vertritt die Entscheidungen gegenüber der Öffentlichkeit (Conti-Brown, 2019).

Übersicht 1 zeigt die aktuelle Zusammensetzung des BOGs, die Parteiaffiliation der Mitglieder sowie ihre verbleibende Amtszeit. Jerome Powell hat den Vorsitz seit 2018, sodass seine zweite Amtsperiode als Vorsitzender (nicht als Mitglied des BOG) in 2026 enden wird; er wurde erstmals im November 2017 vom damaligen US Präsidenten Trump und erneut im November 2021 von Präsident Biden ernannt und seine zweite Amtszeit begann im May 2022. Philip Jefferson wurde im Mai 2023 von Präsident Biden zum Vice Chair ernannt und im September 2023 vom US Senat bestätigt.

Übersicht 1: Zusammensetzung des Board of Governors, US Federal Reserve System

NameParteiaffiliationEnde der Amtszeit (31.01.)
Adriana KugerD2026
Jerome Powell (chair)R2028
Christopher WallerR2030
Michael BarrD2032
Michelle BowmanR2034
Philip Jefferson (vice chair)D2036
Lisa CookD2038

D: Demokraten; R: Republikaner

Quelle: Marey (2014).

Politische Einflussnahmen

Bereits als amtierender Präsident hatte Trump in 2019 politischen Einfluss auf die zinspolitischen Entscheidungen der US Fed nehmen wollen. Damals kritisierte er deren Leitzinssenkungen als zu zögerlich mit dem Argument, die USA seien gegenüber anderen Ländern mit noch niedrigeren Zinssätzen wirtschaftlich im Nachteil. Anfang Februar 2024 erklärte er in einem Interview mit Fox Business, dass er Powell nicht erneut für eine dritte Amtsperiode zum Chair der Fed ernennen würde, sollte er die Wahl im November gewinnen.

Beobachter spekulieren, ob Trump im Falle eines Wahlsiegs Jerome Powell bereits vor Ende 2026 als Vorsitzender des Boards of Governors entbinden könnte. Dazu ist der US-Präsident gemäß Federal Reserve Act (Section 10, Paragraph 2) befähigt, denn er kann ein Mitglied des BOG in begründeten Fällen (“for cause”) vor Ende der Amtszeit entlassen. Allerdings haben Gerichte bei anderen Amtsenthebungsverfahren die Bedingung “for cause” als persönliche Verfehlung oder Amtsmissbrauch des Amtsinhabers interpretiert, und es ist kaum zu erwarten, dass Meinungsunterschiede über den Kurs der Geldpolitik dieses Kriterium erfüllen.

Offen ist aber, ob Trump dem Chairman allein den Vorsitz entziehen kann, ohne ihn aus BOG zu entfernen; in diesem Fall bliebe Powell bis 2028 ein „normales“ Mitglied des BOG. Gegenden Entzug des Vorsitzes besteht die Möglichkeit der Klage, die von Supreme Court entschieden würde. Ausgang offen. In der Zwischenzeit würde der jetzige Vice Chair Philip Jefferson übernehmen, den – weil Demokrat – Trump als Vorsitzenden möglichst bald durch eine ihm geneigte Person ersetzen würde. Dazu kämen nur die beiden verbliebenen Republikaner im Board (Christopher Waller oder Michelle Bowman) infrage. Alternativ könnten diese aktuellen Mitglieder vorzeitig zurücktreten und Platz machen für ein neu bestelltes Mitglied, das dann zugleich den Vorsitz übernehmen könnte. In beiden Fällen erhielten Waller oder Bowman aber eine starke Verhandlungsposition gegenüber dem Präsidenten und es ist offen, ob sie im Falle einer Vorsitzübernahme tatsächlich im Sinne des US-Präsidenten handeln würden.

In jedem Fall bedarf ein Wechsel im Vorsitz der Zustimmung durch den US Senat, in dem die Demokraten derzeit noch über die Mehrheit (51 Demokraten (einschl. 4 Unabhängigen) vs. 49 Republikaner) verfügen. Hinzu kommt, dass das FOMC seinen Vorsitzenden selber wählt, und Powell auch bei einem Wechsel im Chair des Boards of Governors den Vorsitz im FOMC behalten könnte. Solch ein geldpolitisches „Schisma“ (mit Aufteilung der monetären Autorität zwischen einem „BOG-Papst“ und einem „FOMC-Gegenpapst“) wäre nicht ohne Risiken, weil das FOMC über die Höhe des Zielwerts für die Federal Funds Rate (als Leitzinssatz) und der BOG über die Verzinsung der Bankenüberschussreserven („interest rate on reserve balances“, IORB) und damit über die Untergrenze des Interbankenzinssatzes entscheidet (Conti-Brown, 2019).

Allerdings hat dieser Zins in den letzten Jahren erheblich an geldpolitischer Bedeutung gewonnen, weil die US Fed bei ihrer Geldmarktsteuerung von einem Floor- zu einem Korridorsystem übergegangen und die Federal Funds Rate infolge der Quantitativen Lockerung auf die Höhe des IORB abgesunken ist (Jordan / Luther, 2022). Somit bleibt die Besetzung des BOG von größerer Bedeutung und das geldpolitische Gewicht des Papstes übersteigt das eines Gegenpapstes.

Revision des Federal Reserve Acts

Im April 2024 berichtete das Wall Street Journal (2024) von Forderungen aus dem Umfeld von Donald Trump, wonach der US-Präsident bei Zinssatzentscheidungen künftig konsultiert werden sollte. Das WSJ zitierte aus einem Papier, „that recommends subjecting Fed regulations to White House review and more forcefully using the Treasury Department as a check on the central bank”. Obwohl sein Lager sich von diesem Bericht später distanzierte, hat Trump auf seiner Pressekonferenz in Mar-a-Lago im August 2024 erneut ein Mitspracherecht für den Präsidenten bei der Geldpolitik gefordert.

Dies umzusetzen, erforderte vermutlich eine Revision des amerikanischen Federal Reserve Acts, worüber der Kongress zu entscheiden hätte, der aus Senat und Repräsentantenhaus besteht. Derzeit verfügen die Republikaner über die Mehrheit allein im Repräsentantenhaus (212 Demokraten vs. 220 Republikaner), noch nicht aber im Senat, aber das kann sich mit den Novemberwahlen noch ändern, bei denen auch über die Zusammensetzung des Kongresses neu entschieden wird. Immerhin bedarf eine Gesetzesänderung einer Zustimmung in beiden Häusern, die nur schwer zu organisieren sein wird, wobei offen ist, ob alle republikanischen Abgeordnete einen von Trump initiierten Eingriff in die Notenbankautonomie akzeptieren würden.

Schutzlinien durch den Markt

Zahlreiche empirische Untersuchungen deuten darauf hin, dass unabhängige Notenbanken mittel- bis langfristig niedrige Inflationsraten generieren als Notenbanken, die dem politischen Einfluss durch die Regierungen ausgesetzt sind. Insofern beeinfluss eine Einflussnahme auf den Status einer Notenbank die Inflationserwartungen und erhöht kurzfristig die langfristigen Zinsen. Dies verteuerte auch die Kreditaufnahme der öffentlichen Hand. Donald Trump präferiert niedrige Zinsen, sodass auch seine neue Administration bei aller Rhetorik sich Eingriffe in die Autonomie der Fed zweimal überlegen dürfte.

Auch wenn Donald Trump sich für den besseren Geldpolitiker hält, wie er auf der oben genannten Pressekonferenz betonte, sind seine Möglichkeiten, Einfluss auf die US Fed zu nehmen, vorerst begrenzt. Ob er später mithilfe seiner Personalpolitik einen stärkeren Zugriff auf die amerikanische Geldpolitik erhält, ist unklar; Zweifel daran sind angebracht, denn immerhin ist auch der jetzt von Trump kritisierte Jerome Powell dem republikanischen Lager zuzurechnen. Es bleibt offen, ob andere neuernannte Persönlichkeiten eine Trump genehme Geldpolitik betreiben oder ihm die Gefolgschaft verweigern werden – so wie einst Thomas Becket als Erzbischof von Canterbury dem englischen König.

Resümee

Allerdings war auch in der Vergangenheit nicht jeder Fed Chair ein Thomas Becket. Zu nennen ist beispielsweise Arthur Burns, der Anfang der 1970er Jahre vermutlich dem politischen Druck seitens der Nixon Administration nach expansiver Geldpolitik standgegeben hatte (Wachtel / Blejer, 2020). Die geldpolitische Unabhängigkeit der US Fed bleibt damit vermutlich bis 2026 gewährleistet, aber sie wird danach schwieriger zu verteidigen sein.

Literatur

Conti-Brown, P. (2019), What Happens if Trump Tries to Fire Fed Chair Jerome Powell?, Brookings, https://www.brookings.edu/articles/what-happens-if-trump-tries-to-fire-fed-chair-jerome-powell/

Jordan, J. L. / Luther, W. L. (2022), Central Bank Independence and the Federal Reserve’s New Operating Regime, in: Quarterly Review of Economics and Finance, Vol. 84, S. 510-515.

Marey, P. (2024), Trump and Allies Plan to Overhaul the Fed, RaboResearch, 20 June 2024, https://www.rabobank.com/knowledge/d011432253-trump-and-allies-plan-to-overhaul-the-fed

US Federal Reserve (2021), The Fed Explained. What the Central Bank Does, 11. A., Washington, D.C., https://www.federalreserve.gov/aboutthefed/files/the-fed-explained.pdf

Wachtel, P. / Blejer, M. I. (2020), A Fresh Look at Central Bank Independence, in: Cato Journal, Vol. 40 (1), S. 105-132, https://www.cato.org/cato-journal/winter-2020/fresh-look-central-bank-independence

Wall Street Journal (2024), Trump Allies Draw Up Plans To Blunt Fed’s Independence, Weekend, April 27-28, 2024, https://www.wsj.com/public/resources/ documents/SgW2EnAa06fNsYYXOqDN-WSJNewsPaper-4-27-2024.pdf

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