EZB-Strategieüberprüfung 3.0.
Was hat sich (nicht) geändert?

Ende Juni 2025 hat die EZB die Ergebnisse der jüngsten Überprüfung ihrer geldpolitischen Strategie vorgestellt und erläutert, wie sie in den kommenden fünf Jahren geldpolitische Entscheidungen treffen will.[1] Dies war nach 2002 und 2021 die dritte Überprüfung seit Beginn der einheitlichen europäischen Geldpolitik im Januar 1999. Die nächste Überprüfung ist für 2030 angesetzt.

Warum erfolgt die Strategieüberprüfung?

Die EZB begründet die Revision mit dem Wandel des ökonomischen Umfelds, in dem geldpolitische Entscheidungen getroffen werden müssen. Bis zu Beginn der 2020er Jahre waren andauernd niedrige Inflationsraten unterhalb des Zielwerts von 2% p.a. und Zinssätze an der Effective-lower-bound das dominante Problem, mit dem das Eurosystem umgehen musste. Weil Zinssenkungen deutlich unter null Prozent nicht möglich waren, wurden neue Instrumente eingeführt, wie quantitative Lockerung oder forward guidance, die den geldpolitischen Handlungsspielraum an der Zinsuntergrenze verbessern sollten.  

Inzwischen war die Inflation – auch als Folge dieser Maßnahmen – vorübergehend wieder stark angestiegen, und die Gefahr, an die effektive Zinsuntergrenze zu stoßen, hat sich verringert. Dadurch ist der geldpolitische Fokus auf den Umgang mit gestiegenen Unsicherheiten und wachsenden Volatilitäten gerichtet, die vor allem durch verstärkt auftretende Angebotsschocks verursacht sind. Zu nennen sind insbesondere Störungen in der Energieversorgung infolge militärischer Konflikte, zunehmende handelspolitische Risiken, abnehmende Globalisierung oder technologische Neuerungen, wie die zunehmende Digitalisierung und die rasante Ausbreitung künstlicher Intelligenz und ihre Anwendung in verschiedenen Wirtschaftszweigen, deren Auswirkungen derzeit kaum absehbar sind. Anliegen der Geldpolitik ist nicht mehr „hohe Durchschlagskraft bei Niedrigzinsen“, sondern „hohe Anpassungsflexibilität an gesamtwirtschaftliche Schocks“.

Was bleibt gleich und was ändert sich?

Wie schon bei der letzten Strategieüberprüfung vom Juli 2021 verfolgt die EZB ein Punktziel für die Inflation von mittelfristig 2 % p.a. und verzichtet auf die Vorgabe eines Zielkorridors von mittelfristig „unter, aber nahe bei 2% p.a.“. Sie betont, dass das Inflationsziel explizit symmetrisch ist, d.h. Abweichungen nach unten wie nach oben gleichförmig bekämpft werden. Mit Blick auf die Stärke der geldpolitischen Reaktion hat sich die EZB jedoch bislang asymmetrisch verhalten, denn im Strategie Review von 2021 wurden „energische oder persistente geldpolitische Maßnahmen“ lediglich für den Fall angekündigt, dass sich die Wirtschaft nahe der Zinsuntergrenze befand, nicht aber für Verfehlungen oberhalb des Zielwerts. Weil dies bei Wiederanstieg der Preissteigungsraten zu einer Verfestigung der Inflation führte, sollen in Zukunft Zielverfehlungen in beide Richtungen energisch bekämpft werden, damit sich die Inflationserwartungen nicht „entankern“.

Bislang hatte die EZB nicht Stellung bezogen, was sie als „mittelfristig“ ansieht, d.h. welche Zeitspanne vergehen muss, um zu beurteilen, ob die EZB ihr Ziel erreicht hat oder nicht. Jetzt wird sie etwas konkreter und definiert mittelfristig als die Zeitspanne, die notwendig ist, um die Inflationserwartungen der Marktteilnehmer zu verankern. Wie lange das ist und über welchen Zeitraum die Inflationserwartungen gebildet werden, bleibt weiterhin offen.

Die Inflationsentwicklung wird weiterhin am Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) gemessen, der keine Vermögenspreise enthält. 2021 hatte das Eurosystem angestrebt, in Zusammenarbeit mit EuroStat künftig auch die laufenden Kosten von selbstgenutztem Wohneigentum in den Preisindex aufzunehmen; dies ist jedoch bislang noch nicht erfolgt, sodass nur Schätzungen der Kosten für selbstgenutztes Wohneigentum betrachtet werden und nur ergänzend in die geldpolitischen Entscheidungen eingehen können.

Der EZB-Rat behält sich vor, die während der Phase niedriger Inflationsraten entwickelten geldpolitischen Instrumente, wie den Ankauf von Wertpapieren im Rahmen der Quantitativen Lockerung, negative Zinssätze oder Längerfristige Refinanzierungsgeschäfte, erneut anzuwenden, wenngleich ihr Einsatz derzeit nicht akut ist. Diese Instrumente bleiben Bestandteil des geldpolitischen Werkzeugkastens, werden aber nur eingesetzt, wenn die Zinssätze sich der Untergrenze näherten oder eine Störung in der geldpolitischen Transmission eintritt, wie zu Beginn der Pandemie. Die Einführung neuer Instrumente ist bei Bedarf vorgesehen, wie dies beispielsweise in 2022 mit dem „Transmission Protection Instrument“ geschehen ist.

Wie sind die Änderungen zu beurteilen?

Gemessen an den 2021 vorgenommenen Anpassungen enthält die aktuelle Strategiereform wenig Neues. Dies wird deutlich, wenn man das aktuelle monetary policy strategy statement mit dem von 2021 vergleicht, die passagenweise ähnlich sind. Neu ist eigentlich nur, dass man in Zukunft auch eine Inflation oberhalb von 2% „forceful or persistent“ bekämpfen will, was als Eingeständnis gewertet wird, dass man damit nach Wiederanstieg der Inflation zu lange gezögert hat.

Auffällig ist, dass die Strategieüberprüfung nicht darauf eingeht, ob und inwieweit der seit Sommer 2021 einsetzende Inflationsanstieg auch Spätfolge der vorher durchgeführten quantitativen Lockerung war; damit wird nicht thematisiert, was man früher als „Instrumenteninstabilität“ bezeichnete und den Umstand benennt, dass die Notenbank wegen Time lags der Geldpolitik gezwungen ist, die Spätfolgen ihrer eigenen Politik der Vorperioden zu bekämpfen. Zudem haben die EZB-Verantwortlichen die ihnen während der Pressekonferenz im Anschluss an die Vorstellung des strategy reviews gestellte Frage unbeantwortet gelassen, welches unkonventionelle geldpolitische Instrument sich als entbehrlich erwiesen habe und künftig redundant ist.

Literatur

European Central Bank (2025), The ECB’s Monetary Policy Strategy Statement, https://www.ecb.europa.eu/mopo/strategy/strategy-review/ecb.strategyreview202506_strategy_statement.en.html

Lagarde, C., Lane, P. (2025), ECB Strategy Assessment, Press Conference, 30 Juni 2025, https://www.ecb.europa.eu/press/press_conference/monetary-policy-statement/html/strategy-assessment-press-conference.de.html

Vollmer, U. (2021), Zum Strategiewechsel des Eurosystems. Viel Lärm um (fast) Nichts?, https://wirtschaftlichefreiheit.de/wordpress/?p=29470.


[1] Die nachfolgenden Informationen beziehen sich auf ECB (2025) sowie auf Lagarde / Lane (2025).

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