Digitales Bargeld
Privat oder staatlich produziert?

Die Europäische Zentralbank plant im Herbst 2023 zu entscheiden, ob und in welcher Form sie einen „digitalen Euro“ einführen wird, der imstande ist, neben Münzen und Bargeld als Zahlungs- und Wertaufbewahrungsmittel zu fungieren. Sie erkennt damit an, dass ein wachsender Bedarf an anonymisierten digitalen Zahlungsmitteln besteht. Gleichzeit weisen Vertreter der Europäischen Zentralbank auf die gesellschaftlichen Risiken hin, die von privat produzierten digitalen Zahlungsmitteln, wie dem Bitcoin, ausgehen, und sprechen sich für eine adäquate und umfassende Regulierung solcher Finanzprodukte aus (Panetta, 2023).

Also: Digitales Geld: ja – aber nur staatlich und nicht privat produziert?

Was spricht gegen privat produziertes digitales Bargeld?

Konkret wird gegen private „crypto-assets“ (wie Bitcoin oder Ethereum) angeführt, dass ihr Marktpreis äußerst volatil ist, weil sie keine Deckung aufweisen und keinen intrinsischen Wert haben.[1] Dadurch reagiert die Marktbewertung sensitiv auf Veränderungen im Risikoappetit von Anlegern und auf Marktneuigkeiten, wie die Ankündigung von Unternehmen (bspw. von Tesla), Zahlungen in Bitcoin zu akzeptieren. Aus Sicht von Regulatoren ähneln manche Krypto-Vermögensformen damit weniger einem soliden Finanzprodukt als einem staatlich nicht regulierten Glückspiel (Panetta, 2023).

Hinzu kommt, dass crypto-assets mithilfe der Blockchain Technologie dezentral in einem Netzwerk von Nutzern produziert werden („Mining“) und – anders als Banknoten oder Münzen – nicht zentral von einer (meist öffentlichen) Notenbank ausgegeben werden. Dies ersetzt „Vertrauen“ in den geldpolitischen Akteur durch gegenseitige „Kontrolle“ eines Emittenten durch alle anderen. Allerdings benötigt diese gegenseitige Kontrolle in einem Proof-of-work (PoW) Netzwerk erhebliche Rechnerkapazitäten und verursacht einen jährlichen Energieverbrauch, der 2022 im Falle des Bitcoins etwa 107 Mrd. KWh betrug (https://ccaf.io/cbnsi/cbeci), was dem Bedarf mittelgroßer Staaten (wie Spanien, Österreich oder der Niederlande) entspricht (Gschossmann et al., 2022).

Mit dem Energieverbrauch verbunden sind hohe CO2-Emissionen, deren Klimarisiken vom Markt nicht oder nur unvollständig eingepreist werden. Regierungen reagieren darauf potenziell mit regulatorischen Maßnahmen zur Verminderung des Verbrauchs nicht-erneuerbarer Energien. Weil crypto-assets dadurch an Wert verlieren können, ist ihre Haltung mit Transitionsrisiken verbunden (Financial Stability Board, 2022). Beispielhaft für einen regulatorischen Eingriff ist ein Verbot von Mining und/oder Nutzung von PoW-basierten crypto-assets, wie es die schwedische Finanzaufsicht vor kurzem von der EU gefordert hat (Finansinspektionen, 2022).

Privates digitales Geld – Teuer und nutzlos?

Allerdings sind solche Verbote weder notwendig noch hinreichend und können sich als dysfunktional erweisen. Sie sind erstens nicht notwendig, weil Preisvolatilitäten bislang auf crypto-assets selbst beschränkt waren und sich noch nicht auf andere Finanzmärkte übertragen haben. Finanzielle spill-over in die Realwirtschaft oder den traditionellen Finanzsektor sind nicht aufgetreten, weil diese Vermögensformen bislang kaum als Zahlungsmittel verwendet werden und systemische Finanzinstitute nicht nennenswert in diese Vermögensformen investieren (was sich aber künftig ändern kann; Financial Stability Board, 2022).

Zudem gibt es Möglichkeiten, den energieintensiven PoW-Mechanismus durch andere Konsensverfahren innerhalb der Blockchain zu ersetzen, die weniger Energie verbrauchen (Gschossmann et al., 2022). Eine Alternative bildet der Proof-of-stake (PoS) Mechanismus, bei dem die Validierung eines Krypto-Zahlungsvorgangs nicht mehr durch eine Mehrheit aller Netzwerkteilnehmer, sondern nur durch eine ausgesuchte Teilgruppe erfolgt; auch andere Konsensmechanismen sind denkbar. Im PoS-System fungieren „stakeholder“ als Validator, die einen nennenswerten Betrag in der betreffenden Kryptowährung als Sicherheit hinterlegt haben. Das Mining von crypto-assets erfolgt dann nur noch durch diese Personengruppe, wodurch die notwendige Rechnerkapazität und der damit verbundene Energieverbrauch reduziert werden. Beobachter schätzen, dass im Falle des Ethereum-Ökosystem der Energiebedarf bei identischer Funktionalität um 99,95% sinken wird (Beekhuizen, 2021).

Zweitens ist ein Verbot der Bitcoin-Produktion schwer durchsetzbar oder führt dazu, dass sich das „Schürfen“ in andere Länder verlagert. Dies zeigt das Beispiel China, wo bis Mitte 2020 bis zu 75 % des weltweiden Minings erfolgten, wie Abbildung 1 zeigt, die den Länderanteil an der Hash-rate wiedergibt. Obwohl China im Herbst 2021 das Schürfen und die Nutzung von Bitcoins untersagt hat, ist sein Marktanteil zwar gesunken, aber immer noch erheblich. An seine Stelle sind die USA, Russland oder Kasachstan getreten – alles Länder, wie China, mit im Vergleich zu Europa sehr niedrigen Energiepreisen und einem hohen Verbrauch fossiler Energieträger (siehe https://de.globalpetrolprices.com/ electricity_prices/). Deshalb ist die eigentliche Ursache für den hohen Energieverbrauch ein zu niedriger Preis fossiler Energieträger, der die aus CO2-Emissionen folgenden Umweltschäden nicht enthält.

Drittens werden crypto-assets manchmal gesellschaftlich als nutzlos oder sogar schädlich eingeschätzt werden, weil sie als Spekulationsobjekt dienen und für kriminelle Aktivitäten eingesetzt werden können. Dies vernachlässigt aber, dass crypto-assets in vielen, von Hyperinflationen gebeutelten Ländern die einzige Alternative darstellen, um der Inflationsbesteuerung zu entgehen. Zudem besteht weltweit ein Mangel an „safe assets“, die es Haushalten und Unternehmen erlauben, Werte in die Zukunft zu übertragen. Hierzu zählen traditionell Zentralbankguthaben und Staatsanleihen, deren Erträge inzwischen aber durch das QE negativ geworden sind oder die – im Falle von Staatsanleihen – einem beträchtlichen Ausfallrisiko ausgesetzt sind. Solch ein Ausfallrisiko besteht für den Bitcoin nicht, sodass er trotz der hohen Marktvolatilität als Anlagealternative infrage kommt.

Was spricht gegen staatliches digitales Bargeld?

Dennoch denken derzeit verschiedene Notenbanken über die Einführung eigener digitaler Zahlungsmittel nach, die als stable-coins konzipiert und 1:1 in haptisches Bargeld umwandelbar sind. Weil die Verifizierung der Echtheit durch die Zentralbank erfolgt und kein PoW-Konsensverfahren benötigt wird, fallen geringe Energiekosten an. Darüber hinaus soll digitales Zentralbankgeld (CBDC) oftmals zum gesetzlichen Zahlungsmittel werden, was (prinzipiell) einen Annahmezwang bedeutet und garantiert, dass es im Tauschverkehr zum Nennwert akzeptiert werden muss. Insofern besteht für den Halter kein Kurswertrisiko gegenüber dem Bargeld.

Anders als crypto-assets, deren Angebot oftmals technisch begrenzt ist, unterliegt digitales Zentralbankgeld jedoch demselben Inflationsrisiko wie Bargeld. Deshalb hängt seine Akzeptanz wesentlich vom Vertrauen in die ausgebende Zentralbank ab. Dies zeigt derzeit das Beispiel Nigeria, wo 2021 eine digitale Variante („eNaira“) der nationalen Währung eingeführt wurde, die wegen hoher Inflationsraten trotz massiver staatlicher Anreize – anders als der Bitcoin – kaum verwendet wird.

Zudem besteht die Gefahr eines „digitalen“ bank runs, weil Einleger ihre Guthaben bei Geschäftsbanken „per Mausklick“ in digitales Zentralbankgeld umwandeln können (ohne sich in die Schlange vor der Bank einreihen zu müssen). Dies bedingt, dass kurzfristig auftretende „news“ blitzschnell die Zahlungsfähigkeit eines Kreditinstituts gefährden und über Ansteckungseffekten zu einer Panik im gesamten Bankensektor führen können. Um dem vorzubeugen, wird über Obergrenzen für die Haltung von digitalem Zentralbankgeld (in Höhe von 3.000 Euro pro Person) nachgedacht, was seine Eignung als Wertaufbewahrungsmittel und Verwendbarkeit als Zahlungsmittel für größere Transaktionen stark einschränkt.

Bitcoin oder Netflix?

Vermutlich sind private und staatlich produzierte digitale Bargelder aus Sicht der Nutzer unvollständige Substitute, für die beide eine Verwendung gefunden wird. Es wird sich herausstellen, welches Produkt sich durchsetzen wird. Ein Verbot privater crypto-assets dürfte allerdings nur dazu führen, dass Produktion und Verwendung in die Illegalität abwandern und intransparent werden. Zudem entsteht der Eindruck, dass staatliche Geldproduzenten den potenziellen Währungswettbewerb mit privaten Anbietern fürchten und den Zugang zu technologischen Neuerungen versperren.  

Tatsächlich ist der jährliche weltweite Energieverbrauch durch das Schürfen und Verwenden von crypto-assets besorgniserregend hoch – wenngleich vermutlich aber nicht höher als der durch die Nutzung von Streaming-Diensten verursachte Energiebedarf. [2] Ein Regulator, der das eine verbieten will, das andere aber erlaubt, greift erheblichen in die Konsumentensouveränität ein und maßt sich Wissen über die sozialen Erträge von Produkten mit ähnlicher Energieintensität an, über das er nicht verfügt. Das Beispiel zeigt, wie problematisch Verbote sind; der bessere umweltpolitische Weg wäre, die Nutzung nicht-erneuerbarer Energien zu verteuern und es dann den Marktteilnehmern selbst zu überlassen, ob sie Bitcoin oder Netflix konsumieren wollen.

Literatur

Beekhuizen, C. (2021), Ethereum`s Energy Usage will Soon Decrease by 99,95%, Ethereum Foundation Blog, https://blog.ethereum.org/2021/05/18/country-power-no-more.

Finansinspektionen (2021), Crypto-assets are a Threat to the Climate Transition – Energy-intensive Mining Should be Banned, Stockholm, https://www.fi.se/en/published/presentations/2021/crypto-assets-are-a-threat-to-the-climate-transition–energy-intensive-mining-should-be-banned/

Financial Stability Board (2022), Assessment of Risks to Financial Stability from Crypto-assets, Basel, https://www.fsb.org/2022/02/assessment-of-risks-to-financial-stability-from-crypto-assets/

Gschossmann, I., van der Kraaij, A., Benoit P.-L., Rocher, E. (2022), Mining the Environment – is Climate Risk Priced into Crypto-assets?, ECB Macroprudential Bulletin, 11 July, Frankfurt/M., https://www.ecb.europa.eu/pub/financial-stability/macroprudential-bulletin/html/ecb.mpbu202207_3~d9614ea8e6.en.html

Panetta, F. (2023), Paradise Lost? How Crypto Failed to Deliver on its Promises and What to Do About it. Speech at a Panel on the Future of Crypto at the 22nd BIS Annual Conference, 23 June 2023, https://www.ecb.europa.eu/press/key/date/2023/html/ecb.sp230623_ 1~80751450e6.en.html


[1]) Crypto-assets sind zu unterscheiden von digitalen stable-coins, die oftmals durch „amtliche“ Währungen/Währungskörbe gedeckt und zu einem festen Kurs einlösbar sind.

[2] ) Zum jährlichen weltweiten Energieverbrauch von Streaming-Diensten fehlen gesicherte Daten, wenngleich häufig die Zahl 200 Mrd. KWh kolportiert wird. Siehe bspw. https://www.tagesschau.de/ausland/vestager-stromverbrauch-internet-101.html

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