Ordnungsökonomik ist Institutionenökonomik
Der gegenwärtige Ökonomenstreit

Die medial ausgetragene Ökonomen-Kontroverse „Ordnungspolitik versus formal-theoretische Ökonomik“ ist so, wie sie in den letzten Wochen aufgebrochen ist, nicht sehr zielführend. Sie erscheint als eine künstlich erzeugte Blase und entspricht im Übrigen nicht dem wettbewerbsorientierten Postulat der Methodenvielfalt. Auch der Vorwurf gegen deutsche ordnungspolitisch orientierte Ökonomen, sie verträten den Standpunkt eines „deutschen Sonderwegs“ und wollten diesen durch akademische Protektion gegenüber der internationalen scientific community „schützen“, ist ebenso schlecht begründet wie die Gegenbehauptung, die Mathematik sei als analytisches Instrumentarium grundsätzlich ein Fremdkörper in einer sich als Sozialwissenschaft begreifenden Ökonomik.

Tatsächlich ist allerdings zu beobachten, daß international ein zunehmend beachtlicher Teil der rein journal-orientierten Publikationen eher als Demonstration formal-analytischer komparativer Vorteile ihrer Autoren gelten können denn als konkrete Lösungsbeiträge zu realökonomischen Fragestellungen: rigour versus relevance. Wenn das Streben nach rigour gegenüber dem nach relevance dominant wird, katapultiert sich die akademische Ökonomenzunft zunehmend aus der von Wirtschaftspolitikern nachgefragten Expertise heraus.

Dies verdeutlicht, daß der wissenschaftlich arbeitende Ökonom sich zwei Märkten gegenübersieht, die durch Substitutionslücken weitgehend getrennt sind: dem journal-Markt einerseits, der allein die akademische Reputation bestimmt, aber politikfern funktioniert, und dem Politik-Markt andererseits, der konkreten Gestaltungseinfluß in der Politikberatung verspricht, aber der wissenschaftlichen  Reputation eher abträglich ist. Zu selten bedienen – jedenfalls in Deutschland – akademische Ökonomen beide Märkte zugleich.

Institutionenökonomik und good rules

Der Streit zwischen Ordoliberalen und quantitativ arbeitenden Ökonomen entschärft sich, wenn man die moderne Institutionenökonomik ins Blickfeld nimmt, deren zentrale Botschaft ist: institutions matter. Dabei werden Institutionen als generelle Regeln verstanden, die Handlungen vorschreiben, erlauben, empfehlen oder verbieten und damit unterschiedliche Anreize für wiederkehrende Interaktionen zwischen Individuen, Gruppen und Organisationen aussenden. Zudem sind es Regeln, die mit Durchsetzungs- und Sanktionsmechanismen versehen sind.

Insofern repräsentieren Institutionen also Regeln, die allgemeines Verhalten strukturieren. Je nach spezieller Ausprägung können sie Erwartungen stabilisieren, aber auch das Gegenteil bewirken, sie können Unsicherheit reduzieren, aber auch erhöhen, sie können zur Regeleinhaltung einladen, aber auch zu ihrer Umgehung, sie können spekulative Engagements stimulieren, aber auch Haftung oder Nichthaftung bei Mißerfolg festlegen. Und nicht zuletzt sind Institutionen Regeln, die das Aktionsfeld von staatlichen Organisationen normativ definieren: Welche Rolle soll der Staat in einem grundsätzlich marktwirtschaftlich organisierten Wirtschaftssystem spielen?

In diesem Sinne ist die ordnungsliberale Ausrichtung ökonomischen Räsonnierens nichts anderes als eine spezielle Variante normativen institutionenökonomischen Denkens, das sich auf bestimmte Setzungen beruft, die als „gute Regeln“ (good rules) ausgerufen werden, weil sie sich in der Vergangenheit bewährt hätten. Dabei ist nicht umstritten, daß Institutionen und Organisationen keinen Ewigkeitscharakter besitzen und insofern prinzipiell stets dem empirischen Test auf ihre Validität als „gute Regeln“ ausgesetzt werden müssen, die sich in ihren erwünschten Anreizwirkungen nach wie vor bewähren, also anreizkompatibel sind.

Deshalb stehen die Ökonometrie und mithin die quantitativ ausgerichtete empirische Wirtschaftsforschung  grundsätzlich nicht nur nicht im Widerspruch zur Ordnungsökonomik, sie stellen vielmehr ihre zwingende instrumentelle Ergänzung dar. Sie können verhindern und dem Vorwurf entgegentreten, daß der Ordoliberalismus zur empirisch gehaltlosen Ideologie verkommt. Betont sei allerdings auch, daß Modelltheorie, die sich in ihrem Gehalt als in mathematische Form gekleidete Übungen in abstrakter Logik entpuppen, diesbezüglich keinen fruchtbaren Beitrag leisten können.

Nun kann man Anreizwirkungen  von speziellen institutionellen Arrangements auch ohne aufwendigen ökonometrischen Apparatus relativ leicht als erwünscht oder unerwünscht identifizieren. Das trifft zum Beispiel für die Erfahrung zu, daß die Risikoneigung von Individuen allgemein umso höher ist, je weniger sie selbst bei Mißerfolg in die Haftung genommen werden. Hier greifen die Erkenntnisse der Institutionentheorie des moralischen Risikos (moral hazard), die besagt, daß  Individuen leichtfertig mehr wagen, wenn Dritte für Verluste haften, wenn also die Balance zwischen Gewinnchance und Verlustrisiko außer Kraft gesetzt ist.

Der Staat als Regelsetzer

Deshalb lehrt auch die Erfahrung, daß es nicht gut ist, wenn der Staat jede beliebige Rolle im wirtschaftlichen Gefüge spielen darf, falls er die Privaten nicht zu schädlichem moral hazard-Verhalten einladen und die Steuerzahler nicht in jede beliebige Haftungsgemeinschaft zum Beispiel gegenüber dem Versagen des Managements privater Unternehmen zwingen will: So kann die Rolle des Staates als wohldefinierter ordnungspolitischer Regelsetzer privates moral hazard minimieren, während staatliche Schutzschirme, Bürgschaften und Staatsbeteiligungen dieses ziemlich sicher eher steigern, weil sie versicherungsähnlichen Charakter haben.

Und auf Versicherungsmärkten fällt bekanntlich das Problem der asymmetrischen Information besonders ins Gewicht: Die privaten Nachfrager nach Staatshilfen sind über ihre wirtschaftliche Situation und also auch über ihr Risiko des Scheiterns und dessen Gründe zumeist besser informiert als der Staat als Anbieter von Schutzschirmen. Deshalb besteht der Anreiz, daß sich zum Beispiel auch solche Firmen unter den staatlichen Schutzschild begeben, die dies gar nicht nötig haben. Umgekehrt besteht die Gefahr, daß der Staat die Risiken einer Firma niedriger einschätzt, als sie tatsächlich sind. Diese Situation führt letztlich zur flächendeckenden Außerkraftsetzung der Balance zwischen Gewinnchance und Verlustrisiko in den Kalkülen der Privaten. Für die Ordnungsökonomik wird hier die beachtliche Relevanz der Spieltheorie mit der Überschrift mechanism design evident.

Mithin gilt es zu fragen, welche Anreizwirkungen für die Privaten davon ausgehen, wenn der Staat zugleich als Garant von Bankeinlagen, als Kreditgeber, Investor, Unternehmer, Regulierer, Sozialversicherer, Aufsichtsinstanz und sogar als Enteigner auftritt, wie er dies derzeit in Deutschland praktiziert. Auch wenn manche Vertreter der politischen Klasse meinen, in der Krise seien keine Lehrbuchweisheiten gefragt, die eine solche staatsfunktionale Mixtur aus ordnungspolitischer Einsicht ablehnen, kann man aber doch aus der Theorie und Empirie des Staatsversagens lernen, daß die gesellschaftlichen Opportunitätskosten dieser Art staatswirtschaftlicher Breitenaktivität mittel- und langfristig (zu)hoch sind und deshalb mit Einbußen und nicht mit Erhöhungen des gesellschaftlichen Wohlstands einhergehen.

„Steinzeitökonomik“?

In diesem Kontext auch auf Vordenker wie Wilhelm Röpke, Walter Eucken, Friedrich August von Hayek, James Buchanan, Ronald Coase, Douglass North und Andere zu verweisen, ist kein Rückschritt in eine „Steinzeitökonomik“, wie dies ein deutscher Kollege ausgerechnet der traditionell ordnungsökonomisch scharf akzentuierten Economics Faculty der Universität Chicago meint,  sondern ein bewußtes Verweisen auf Ökonomen, die im Zeitverlauf wegweisende Grundlagen für institutionenökonomisch fruchtbares Denken bereits geliefert haben. Es geht letztlich um die Suche nach guten Regeln, die sich bewähren. Und da führen viele Wege nach Rom.

13 Antworten auf „Ordnungsökonomik ist Institutionenökonomik
Der gegenwärtige Ökonomenstreit

  1. Lieber Wolf Schäfer,

    sehr einverstanden. Hoffentlich legt sich mit derlei sachlichen Beiträgen allmählich die Hysterie in der Debatte. Auch die Beiträge der „Viererbande“ oder von Hans-Werner Sinn deuten darauf hin (
    http://www.facebook.com/ext/share.php?sid=106826484248&h=1KyDk&u=Z9JqY&ref=mf).

    Unlängst fand ich im Antiquariat einen Vortrag von Erich Schneider „Über das Studium der Wirtschaftswissenschaften“ (1946). Er schließt den Vortrag mit einem Zitat von Keynes:

    „Der Nationalökonom muß Mathematiker sein, Geschichtsschreiber, Staatsmann und Philosoph – bis zu einem gewissen Grade. Er muß Symbole verstehen und in Worten reden. Er muß das Einzelne in Form des Allgemeinen anschauen und Abstraktes und Konkretes im selben Gedankenflug berühren. Er muß das Gegenwärtige im Licht des Vergangenen um der Zukunft willen erforschen. Kein Teil der menschlichen Natur und der menschlichen Einrichtungen darf ganz außerhalb seines Blickfelds liegen. Er muß gleichzeitig zweckhaft und uninteressiert sein; so abseitig und unbestechlich wie ein Künstler, doch manchmal so nah der Erde wie ein Politiker“

    Ein typischer Keynes! Und wohl auch eine nicht gerade bescheidene Selbstbeschreibung. Jedenfalls eine ziemliche Zumutung für Normalstrebliche, zumal heute. Aber, „bis zu einem gewissen Grade“ doch immer noch anstrebenswert.

    Vielleicht ist das die Paradoxie: je mehr sich unser sozialer Gegenstand durch Spezialisierung (Arbeits- und Wissensteilung) kompliziert und ausdifferenziert, desto mehr wird Spezialisierung und Ausdiffernzierung innerhalb unseres Fachs unangemessen, diese Realitäten beschreiben und erklären zu können?

    beste Grüße,
    Michael

  2. Warum muss man immer Keynes zitieren ? Keynes ist das Problem ! Dieses ewige „too big to fail“, ich kann es nicht mehr hören. Sind wir nicht technologisch fortgeschritten ? Ja wo ist denn dann bitte der Fortschritt zu sehen ? In steigenden Preisen ? Ist das Fortschritt ? Asset bubbles und dann die busts ?

    Nein, nein, im Kapitalismus, hätten wir ihn wirklich, FALLEN die Preise. Nur dann lohnt es sich ja Banker zu sein ! Und würde man es richtig anstellen ( Wirtschafts- wie Geldpolitisch ) würden wir boomen ( da bei einer kostanten Geldmenge und fortschreitender Produktivität MEHR für das gleiche Geld gekauft werden kann ). Stattdessen erleben wir Pleiten ohne Ende. Mehr collateral soll zur Verfügung gestellt werden. Ja aber was denn bitte für welches ? Kreditlinien ? Es ist ein Witz. Was ist denn ein Kredit ? Das ganze System ist up-side-down. Und warum ? Zur totalen Kontrolle ? Es funktioniert einfach nicht.

    Wie merkte doch Herr Bernanke einst an: “ Ja Herr Friedmann, Sie haben recht, wir waren das Problem. “
    Was Herr Bernanke dachte ist, dass es nicht genug gewesen sei; das die FED zu früh aufhörte Kreditblasen zu treiben. Und jetzt sehen wir uns doch mal an, was die fortschreitende, inflationäre Politik gebracht hat ?: einen toten Arbeitsmarkt, eine Vergesellschaftung aller Lebensbereiche. Wie soll da noch etwas entstehen ?

    Es ist wie Ludwig von Mises einst sagte, die Regierung mit ihren immer wiederkehrenden Irrungen und Wirrungen, Sie könne alles kontrollieren. Sie kann gar nichts. Sie ist das Problem. Das fiat money System ist das Problem; es ist einfach nur desaströs.

  3. Lieber Herr Wohlgemuth,

    das Keynes-Zitat stammt seinem ausführlichen Nachruf auf seinen Lehrer Alfred Marshall und wurde erstmals im Herbst 1924 veröffentlicht. Später dann auch in den Essays in Biography.

    Ich weiß es natürlich nicht genau, aber bezweifle, dass Keynes das Zitat im Jahre 1924 als Selbstbeschreibung verstanden hat. Er hat sich in den darauf folgenden Jahren mehrfach geringschätzig über Ökonomen insgesamt (sich ausdrücklich eingeschlossen) geäußert.

    Lieber Herr Schäfer,

    die Frage ist weniger, ob Ansätze wie mechanism design existieren, sondern ob sie von deutschen Ordnungsökonomen genutzt werden. Rüdiger Bachmann hat den gesamten „Methodenstreit“ auf seiner Homepage dokumentiert. Wenn ich mich nicht irre, findet sich dort eine Mail von Peter Bernholz, in der er beklagt, dass die deutsche Ordnungsökonomik moderne Ansätze in der Vergangenheit gerade nicht genutzt und sich damit selbst ins Abseits manövriert habe.

    (Als Journalist habe ich glücklicherweise nur eine Außenansicht, aber mir haben mehrere Ökonomen, die sich in dem Streit bewusst nicht engagieren, gesagt, es gehe dort weniger um Methoden, sondern um knallharte Hochschulpolitik. Manche jüngeren Vertreter aus Amerika erwecken den Eindruck, als besäßen sie wegen ihrer dortigen Ausbildung und der Präsenz in führenden Journalen eine Art Anrecht, auf schöne deutsche Lehrstühle zurückberufen zu werden. Andererseits wäre es für traditionelle deutsche Professoren ein Debakel, wenn sie ihre Schüler nicht mehr auf schönen Lehrstühle im eigenen Lande plazieren könnten. In Frankfurt wurden in den letzten Jahren acht (!) Makroprofessuren ausschließlich mit Ausländern oder Deutschen aus dem Ausland besetzt. Wenn in Köln etwas Ähnliches passieren sollte, wäre die Botschaft an den in Deutschland ansässigen wissenschaftlichen Nachwuchs offensichtlich, wenn sie es nicht längst schon ist. Was ich – wiederum nur als (interessierter) Außenseiter – nie verstanden habe, ist, warum es keinen Versuch gegeben hat, in Deutschland an einer Uni einen Schwerpunkt mit einer ansehnlichen Gruppe jüngerer Institutionenökonomen zu bilden, die dort gemeinsam an einem modernen Forschungsprogramm arbeiten. Jetzt könnte man antworten, es fehle an den entsprechenden Lehrstühlen für einen Schwerpunkt. In Frankfurt hat man privates Geld mobilisieren können, das es ja gibt – dort floss es aber für Vertreter der „modernen Schule“.)

    Gruß
    gb.

  4. Ich schließe mich meinem Vor-Vorredner an. Alle wollen das Orchester dirigieren. Niemand will spielen, weil das Üben zeitaufwendig und anstrengend ist. (Ob das Dirigieren im Grunde schöner ist, danach fragt niemand.)
    Das Problem sind die im Sumpf der Umverteilung entstandenen zahllosen Arbeitsplätze und Existenzen, deren einzige Aufgabe darin besteht, die letzten „arbeitenden“ Menschen zu gängeln. Natürlich geschieht das nicht aus bösem Willen, sondern aus reinem Unverstand. Gewohnheit vermittelt das trügerische Gefühl des Richtigseins. Tragisch: Kaum jemand macht sich darüber Gedanken, woher Wohlstand überhaupt kommt. Immer mehr Schulabgänger mit staatlichen Bildungszertifikaten strömen ins Makrobüro für gesellschaftliche Beaufsichtigung und Gängelung. Daran erstickt das gesamte System.
    Ausweg? Aber ja! Sofortige Wiederinstallierung des uneingeschränkten Eigentumsrechts. Alles, was wir heute erleben, sind Symptome der Enteignung.
    Aber wie bringt man die Funktionselite dazu, sich selbst zu „enteignen“?

  5. Lieber Michael Wohlgemuth,
    Erich Schneider war mein Doktorvater, er war in der Tat ein Keynesianer durch und durch. Freiburg und Hayek mochte er nicht. Im Kieler IfW habe ich den Streit zwischem ihm und Hayek über den „Wettbewerb als Entdeckungsverfahren“ live miterlebt, Schneider war damals sehr aufgebracht über Hayek. Aber Schneider war auch stets ein Bewunderer „unserer Ahnen, auf deren Schultern wir stehen“ und deshalb hatte er für ökonomische Vordenker einen großen Respekt.
    Jedenfalls: Vielen Dank für das Schneider-Zitat, ich kannte es noch nicht.
    Herzliche Grüße
    Wolf Schäfer

  6. @ Arne Krueger
    In einer perfekten Welt würden der technologische Fortschritt in Kombination mit konstanter Geldmenge zu sinkenden Preisen und einer Wirtschaft auf ihrem Wachstumspfad führen. Aber in der wirklichen Welt gibt es nun mal (mMn) Widerstände gegen Nominallohnabwertungen (das ist ein „alter“ Streit und wir werden wohl kaum zu einer Einigung gelangen). Außerdem blenden sie die Gefahren einer Deflationsspirale vollständig aus. Es ist doch ein bisschen zu leicht, einfach alles Schlechte auf Maßnahmen des Staates und die Veränderungen der kurzfristigen Zinsen durch die Zentralbanken zurückzuführen und wieder nach dem Goldstandard zu rufen …

    Der Staat ist sicherlich ein zweischneidiges Schwert – auf der einen Seite ineffizient und langsam, etc. auf der anderen Seite notwendig um Regeln für die Marktwirtschaft zu setzten, damit der Laden läuft. Sicherlich ist er auch notwenig, um den sozialen Frieden zu bewahren, sodass möglichst alle von der Produktivität der Marktwirtschaft profitieren können – denn das Marktergebnis ist keineswegs immer Pareto-optimal – zur Legitimität/Zustimmungsfähigkeit braucht es deshalb ein Mindestmaß an Umverteilung …

    Außerdem spiegelt sich der technische Fortschritt in den sinkenden Preisen jedes technischen Geräts wieder, das sie in ihrem Leben je gekauft haben (oder konnten sich 1980 fast jeder einen Computer leisten, der leistungsfähiger ist, als die Dinger mit denen die Amis zum Mond geflogen sind?) …

    @ Karin
    Sie haben ja recht mit den Unverteilungseffekt durch die Inflation. In einem interessanten Paper haben Doepke und Schneider (Inflation and the Redistribution of Nominal Wealth, with Martin Schneider. Journal of Political Economy, December 2006) die Umverteilungseffekte von Inflation untersucht. Das Ergebnis (für die USA):

    1. Die Alten verlieren substantiell auf Kosten der Jungen.
    2. Die Jungen in mittleren Einkommensklassen mit erheblichen Schulden gewinnen am meisten.
    3. Die Armen gewinnen und verlieren wenig – aber wieder gewinnen die Jungen und verlieren die Alten.

    Fazit: Der „böse“ Schuldner gewinnt, während der „brave“ Sparer leidet. Dieses Ergebnis ist vor allem dadurch getrieben, dass junge Schulden aufnehmen um z.B. Häuser, Wohnungen etc. zu kaufen, während die Alten diese Vermögenswerte bereits abgezahlt haben und durch die Entwertung ihrer Geldvermögen getroffen werden. Auch der Staat gewinnt, solange seine Verbindlichkeiten in inländischer Währung gehalten werden.

    Allerdings hat die EZB (bzw. der Euro) seit ihrem Bestehen eine noch „bessere“ Preisstabilität (fast immer bei 2%) erreicht, als die Bundesbank (bzw. die DM), so das diese Umverteilungseffekte minimal sind …

  7. Lieber Knut,

    Wann tritt denn eine Deflationsspirale auf ? Liegt es nicht daran, dass diese Öknomie dann auf Kredit basiert ?! Dann könnte ich wieder frage: was ist denn Kredit ? Das ist durchaus nicht irreal.

    Es kommt nicht darauf an, wieviel Du „nominal“ bekommst, es kommt darauf an, was Du damit erwerben kannst. Dein Gehalt kann auch nur 1 Euro betragen, wenn das Preislevel gegen 0 geht. Verstehst Du das ?

    Ich gebe zu, die Welt ist viel zu komplex um eine exakte Aussage treffen zu können. Ich errinnere nur daran, dass Ökonomie eine Sozialwissenschaft ist und nicht mit Mathematik oder Physik verglichen werden kann, weil man keine „Experimente“ im eigentlichen Sinn machen kann ( die Einflussvariablen sind einfach zu ungenau und Gefühle kann man schlecht in Variablen verpacken ). Herr Bernanke hat zwar die derzeitigen Interventionen in den Häusermarkt als Experiment bezeichnet, aber er wird daraus nichts handfestes ableiten können.
    Jedoch muss ich anmerken, dass GDP per Capita in den Staaten unter dem Goldstand verglichen mit den letzten 96 Jahren in denen wir das Fiat money System haben, deutlich stärker gestiegen ist. Man kann nun anmerken, dass sich auch das 19 Jahrhundert nicht mit dem 20igsten vergleichen lassen kann, aber inflation adjusted konnte man damals mehr kaufen als heute. Dadurch, dass das fiat money System als Art Ventil für politische Operationen ( siehe politische Ökonomie von Herrn Prof. Vaubel auf seiner homepage ) herhalten muss, verzerrt es Produktions- und Allokationsprozesse.

    Es braucht viel Zeit um sich in all diese Dinge einzudenken. Ich gebe Dir als Beispiel diese Seite:

    http://financialservices.house.gov/hearings_all.shtml

    Man kann sich alle Anhörungen ansehen. Versuche zu verstehen, warum die Beteiligten so handeln, dann kannst Du vielleicht nach vollziehen, warum ich so etwas „blogge“.

    Sicherlich reicht es nicht über einen Währungsraum bescheid zu wissen. Es benötigt wie gesagt sehr viel Zeit um alle Verstrickungen einigermaßen auf die Reihe zu bekommen. Aber glaube mir, hyperinflation ist in diesem System der einzige Ausweg.

    beste Grüße

  8. Ursachen Deflation: BMF (Glossar)
    Wenn sich eine Volkswirtschaft im Abschwung eines Konjunkturzyklus befindet, reagieren die Menschen vorsichtig. Sie erwarten, dass sich ihre Einkommenslage verschlechtern wird, sie fürchten um ihren Arbeitsplatz, und geben deshalb in der Erwartung eines zukünftig geringeren Einkommens und der daraus resultierenden Haltung der Existenzsicherung weniger Geld aus (Konsumstreik). […] Auch die Unternehmen halten sich zurück. Es wird nur das Nötigste gekauft und wenig investiert (sog. Investitionszurückhaltung). […] Insgesamt sinkt nun die Gesamtgüternachfrage bei ungefähr gleich bleibendem Güterangebot (Nachfragelücke) […]

    Direkte Auswirkungen:
    Zunächst gehen von einer Deflation die entgegengesetzten direkten Effekte aus wie von einer Inflation; Schuldner werden benachteiligt, […]. Hingegen profitieren Gläubiger von einer Deflation, da ihr Kapital nun – zinsbereinigt – einen höheren Wert hat […] Die Kaufkraft der Konsumenten steigt, […] Problematisch ist die Deflation nur, weil nicht alle Preise frei und damit anpassungsfähig sind. Bei einer konstanten Geldmenge würde sich die Produktivitätssteigerung direkt auf die Preise auswirken.

    Indirekte Auswirkungen
    Deflationen haben eine starke Tendenz zur Dauerhaftigkeit; leidet ein Land einmal unter einer deflationären Phase, so ist die Gefahr einer selbsterhaltenden bzw. sogar selbstverstärkenden Tendenz sehr groß: Sinkende Preise führen zu einer merklichen Kaufzurückhaltung der Konsumenten, da diese mit weiter sinkenden Preisen rechnen können. Die sinkende Nachfrage wiederum bewirkt eine niedrigere Auslastung der Produktionskapazitäten und damit weiter sinkende Preise. Diesen Kreislauf bezeichnet man im Allgemeinen als Deflationsspirale.
    ————————————————
    Hört sich doch ziemlich nach der momentanen Situation an (bzw. den Erfahrungen von Japan seit den 90ern) an …

    Irgendwie sagst Du in deinem Beitrag gerade gar nichts, außer dass ich Dir glauben soll. Mir ist schon klar, dass es um reale Größen geht – das ist ja das Problem: Wenn nominale Rigiditäten bestehen (also z.B. die Arbeitnehmer sich weigern zumindest in der kurzen Frist Lohneinbuße hinzunehmen) und gleichzeitig die Preise sinken, dann führt das zu einem Reallohnanstieg über das Niveau, das mit der „natürlichen“ Arbeitslosenquote korrespondiert, was letztendlich zu einem höheren Arbeitslosenniveau und der Defaltionsspirale führt …

    Ich denke auch, dass ich mich schon ziemlich in das fiat money system eingedacht habe und mich würde Deine genaue Meinung dazu interessieren – jedenfalls bin ich nicht bereit einfach nur „zu glauben“, dass Hyperinflation der einzige Ausweg ist – Warum? Weil dann die Schulden verschwinden? – bitte sag mir nicht, dass du auch an das Mär von Bernd Senf, Jacques Jaikaran & Co. und dem Film „Money as Debt“ glaubst – ansonsten gibt es hier Aufklärung:

    http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/6/6a/CRS_FRBSF_Myth_Reality.PDF

    http://famguardian.org/Subjects/MoneyBanking/FederalReserve/FRconspire/antidote.htm

    Gruß Knut

    P.S. Ich bezweifle auch ganz stark, dass sich die Leute damals mehr leisten konnten – ansonsten müsste der Reallohn im letzten Jahrhundert ja gesunken sein – das ist aber sicher nicht der Fall (höchstens in den letzten Jahren für gering Qualifizierte, da Globalisierung und der technische Fortschritt Druck auf diesen Bereich ausüben …)

  9. @Knut
    @Krueger

    Was hat Ihre Diskussion mit dem neuen Methodenstreit der Ökonomen zu tun, den Wolf Schäfer thematisiert?

  10. Um zum Thema zurückzukehren.

    Es ist ja nicht so, dass sich in Deutschland im Bereich fächerübergreifender, ordnungsgeleiteter sozialwissenschaftlicher Forschung nichts täte:

    http://www.normativeorders.net/

    Im Lichte des angeblichen „Methodenstreits“ ist hier zu sehen, dass einerseits mit Nicola Fuchs-Schündeln eine „moderne“ Ökonomin aus Harvard auf einen Makro-Lehrstuhl berufen wurde, andererseits mit Bertram Schefold aber auch ein traditioneller Ökonom mitmacht.

    (Schefold hatte übrigens schon 1981 auf der Tagung des Vereins fürSocialpolitik in Würzburg einen Vortrag gehalten, in dem er den Ordoliberalen empfahl, sich mehr mit ökonomischer Theorie zu befassen, um nicht den Anschluss zu verlieren… Das hat dann Carl-Christian von Weizsäcker vor wenigen Jahren in einem Vortrag vor dem Eucken-Institut – abgedruckt im Ordo-Jahrbuch – wiederholt, wobei er sich für eine Synthese von Hayek und Keynes aussprach. Ich hatte seinerzeit einen Artikel in der Rubrik „Sonntagsökonom“ in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung über diesen Vortrag von Weizsäckers verfasst. Die Leserreaktionen waren bezeichnend: Es meldeten sich mehrere Personen aus dem ordoliberalen Lager, die sich darüber aufregten, dass am hochheiligen Eucken-Institut jemand etwas Positives über Keynes sagte. So etwas dürfe man dort nicht sagen.)

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