… kommen auch die „Aktionärszahlen“ des Deutschen Aktieninstituts (DAI). Am 13.2.2017 war es diesmal wieder soweit (hier). Betrachtet man die sogenannten „Direktanleger“, d.h. die unmittelbaren Aktionäre, die als solche direkt an einer börsennotierten Aktiengesellschaft beteiligt sind, so ergibt sich 2016 gegenüber dem Vorjahr nur eine geringfügige Verringerung von gut auf knapp 4,4 Millionen (rechnet man die reinen Belegschaftsaktionäre heraus bleiben gerade einmal gut 3,5 Millionen „echte“ Aktionäre übrig). Das ist nicht nur deutlich weniger als um die Jahrtausendwende, wo mit über 6 (bzw. um Belegschaftsaktien bereinigt über 5) Millionen die Höchststände markiert wurden, sondern auch verheerend wenig für sogenannte entwickelte Volkswirtschaften. Gemessen am BIP und der Bevölkerungszahl ist die Börsenkapitalisierung deutscher Unternehmen eher mit Entwicklungsländern zu vergleichen und das Wenige wird oft noch mehrheitlich von ausländischen Anlegern besessen.
Die Frage nach dem „Warum?“ wird denn auch seit langem diskutiert. Sozialisierungsprozesse, kollektives Unwissen, individuell schlechte Erfahrungen und gar eine aktienskeptische DNA der teutonischen Genetik werden von Stammtischen bis hin zu wissenschaftlichen Veröffentlichungen ins Feld geführt. Bevor man sich angesichts all dessen mit einem Schulterzucken abwendet, ist es vielleicht doch ganz hilfreich, sich ein paar durchaus rationale Gründe für die Abstinenz vieler deutscher Kleinanleger bewusst zu machen.
Diese Gründe sind vielfältig. Sie beginnen mit einer steuerlichen Diskriminierung des Aktiensparens, die den Kleinanleger jenseits weiter gehender steuersystematischer Überlegungen schon dadurch trifft, dass die kombinierte Steuerlast auf Unternehmens- und Aktionärsebene nicht nur diejenige von Forderungstiteln übersteigt, sondern auch deutlich über dem individuellen Grenzsteuersatz von Lieschen Müller und Hannes Huber liegt, vgl. zur fehlgeleiteten Diskussion um die Abgeltungsteuer http://wirtschaftlichefreiheit.de/wordpress/?p=14925. Es geht weiter mit dem Bewusstsein unzureichender und teilweise bewusst irreführender Informationen durch die Unternehmen selbst sowie zwischen ihnen und den Anlegern stehenden Banken nach dem Motto: Wenn es um nichts geht, wird man mit Papier überflutet, und wenn es um etwas geht, erfährt man nichts. Dies mag nicht immer zutreffen, aber leider immer wieder. Das Ganze endet in der Ohnmacht, der sich Kleinaktionäre ausgesetzt sehen, weil ihre Minderheitenrechte schon grundsätzlich nicht gerade üppig sind (hier) und gerade in der jüngeren Vergangenheit eine nur von wenigen Unterbrechungen retardierte Rückwärtstendenz zeigen (man denke dabei nur exemplarisch an die Delisting-Problematik).
Wer es trotzdem auf sich nimmt, in Aktien zu investieren und noch so unverschämt ist, seine Eigentümerrechte in Hauptversammlungen und Gerichten zu verfolgen, muss sich dann noch gesellschaftliche Missbilligung gefallen lassen und all die genannten Hemmnisse werden von vielen noch im- oder explizit bejubelt: Die Politik, so die Meinung vieler Zeitgenossen, müsse die Unternehmen vor diesen Spekulanten und „Dividendenhyänen“ schützen. Das unausgesprochene Motto vieler Gesetze und Richtersprüche lautet: Unternehmen sind gut, Unternehmer, vor allem in Form von Kleinaktionären, schlecht – der kommunistische Kindergarten lässt grüßen.
Aus diesem Grund ist auch als Konsequenz in erster Linie ein grundlegendes Umdenken und nicht – wie nunmehr auch wieder vom DAI gefordert – eine spezielle Aktienförderung angesagt. Derartiges bringt nur eine Feigenblattwirkung, die von dem eigentlichen Problem ablenkt. Solange die Politik nicht die Kraft aufbringt, sich in der Beurteilung von Kapitalanlagen von einem klassenkämpferischen Weltbild zu verabschieden, wird es keine wesentlichen Fortschritte für das Aktiensparen „des kleinen Mannes“ geben und viele Bundesrepublikaner werden allen Niedrigzinsrepressalien zum Trotz weiter einen großen Bogen dieses Roulettespiel namens Börse machen. Mit Blick auf den anlaufenden Bundestagswahlkampf ist jedenfalls zu befürchten, dass die „Aktionärszahlen“ des DAI in den nächsten Jahren nicht besser ausfallen werden.
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Den wahren Grund des Rückganges an Einzelaktionären haben Sie aus meiner Sicht noch nicht genannt: Die Ertragsinteressen der Banken!
Wenn man sich parallel zu den Aktionärszahlen mal die stets wachsenden Volumina der Fondsgesellschaften anschaut, wird man erkennen, warum die Zahl der Einzelaktionäre sinkt: Die Banken haben kein Interesse an Aktiendepots, weil sie ihnen keinen nennenswerten Ertrag liefern. Im Idealfall verdient eine Filialbank 2% an einer Aktienorder (1% Spesen beim Kauf und 1% Spesen beim Verkauf). Keine Folgeprovisionen etc. Wenn der Kunde die Aktie langfristig hält bleibt nur 1% vom Kauf hängen. Bei Onlinebanken max. die Hälfte.
Bei Fonds ist das anders. Hier gibt es Ausgabeaufschläge (AA) und Bestandsvergütungen, sog. Folgeprovisionen. Beim Kauf eines Aktienfonds kann man uninformierten Kunden ca. 5% AA abnehmen. Die Bestandsvergütungen sind da locker nochmal 1,5%p.a obendrauf. Dies ist aus meiner Sicht der wesentliche Grund, warum die Berater in Banken dazu genötigt werden, den Kunden ausschließlich Fondsprodukte und möglichst keine Einzelaktien anzudienen.
Somit dürfte die Zahl der mittelbaren Aktienbesitzer trotz rückläufigem Direktbesitz zugenommen haben. Was natürlich empirisch untersucht werden müsste. Das Interesse an Einzelaktien in der Bevölkerung ist sicher da. Der ertragsorientierte Verkäufer in der Bankfiliale wird aber davon abraten und immer zu Anlagen in Fonds raten.
Ein weiteres Produkt, das in Teilen massenhaft verkauft wird, sind Zertifikate. Den Aktienkunden wird gesagt, dass sie sich an der Wertentwicklung einer Aktie beteiligen können, allerdings mit Rettungsanker (Barrierelevel). Auch der Besitz solcher Papiere verzerrt die eigentliche Situation.
Insofern komme ich zu der Einschätzung, dass das DAI weiterhin relativ geringe Aktionärszahlen messen wird. Hier werden Informationsasymmetrien von den Banken aus Eigeninteresse ausgenutzt.
Dass die Tendenz zum mediatisierten Aktienbesitz durch die Banken bestärkt wird, ist ebenso richtig wie bedauerlich. Allerdings zeigen gerade die Zahlen des DAI, dass sich auch die Zahl der Aktienfondsbesitzer in der jüngeren Vergangenheit nicht wirklich besser entwickelt hat als diejenige der Direktanleger. Ob die Sache unter Berücksichtigung von Zertifikaten anders aussieht, kann man aus der DAI-Studie nicht erkennen, aber hier dürften die Restriktionen bei der Beratung auch keine wirklich großen Ausschläge in der breiten Masse zulassen.
Letztlich bleibt eine Generaltendenz, die nur kommunistisch geprägten Gehirnen gefallen kann und das Vorsorgeproblem unserer überalternden Gesellschaft pathologisch erschwert.