Ordnungspolitischer Kommentar
Afrika-Jahr 2017
Steuersysteme stärken! Nur wie?

Im November 2016 hat Deutschland für ein Jahr den Vorsitz der G-20 übernommen. Eines der Kernthemen der deutschen Präsidentschaft ist die Zusammenarbeit mit Afrika. Daher wurde das Jahr 2017 kurzerhand zum Afrika-Jahr erklärt. Um mit gutem Beispiel voranzugehen, hat der deutsche Entwicklungsminister Gerd Müller am 18. Januar ein Eckpunktepapier für einen „Marshallplan mit Afrika“ vorgelegt. In dem Dokument stellt Müller seine Vision der zukünftigen Gestaltung der deutschen Entwicklungspolitik dar.

Stärkung der Steuersysteme durch Steuermatching

Trotz des tatkräftig wirkenden Titels, enthält der Plan nur wenig konkrete Vorschläge. Ein Fokus liegt auf der aktiven Stärkung der Steuersysteme in den afrikanischen Ländern. Dafür schlägt das Entwicklungsministerium unter dem Begriff Steuermatching ein Instrument vor, das bisher noch wenig diskutiert wurde und womit die „Aufstockung von zusätzlichem Steueraufkommen durch staatliche Entwicklungsgelder“ gemeint ist. Eine genaue Erläuterung, wie diese Maßnahme aussehen könnte oder in welchen Ländern sie eingeführt werden sollte, gibt es in dem Papier jedoch nicht.

Warum Steuersysteme stärken?

Der Grundgedanke, die Steuersysteme in den afrikanischen Ländern (bzw. in Entwicklungsländern) zu stärken, ist nicht neu. Die Steuersysteme in vielen afrikanischen Ländern gelten als mangelhaft. So ist z. B. der Anteil der Steuern im Verhältnis zum gesamtwirtschaftlichen Einkommen in vielen Entwicklungsländern viel niedriger als im Durchschnitt aller Länder. Dies liegt zum einen an der konkreten Ausgestaltung der Steuersysteme (zu wenig Steuern oder zu niedrige Steuersätze) und zum anderen an der unzureichenden Erhebung bestehender Steuern.

Die Probleme, die durch die fehlenden Steuereinnahmen entstehen, sind weitreichend. Durch das niedrige Steueraufkommen und die damit häufig verbundenen niedrigen Staatseinnahmen können bspw. nur geringe Investitionen in Infrastrukturprojekte, Bildung und den Gesundheitssektor getätigt werden. Erschwert werden diese Investitionen zusätzlich, wenn die Einnahmen sehr volatil sind. Diese Gefahr besteht insbesondere dann, wenn die Steuern eines Landes nur aus wenigen Bereichen stammen. Brechen diese Einnahmen zwischendurch weg, ist es schwierig langfristige Verpflichtungen einzuhalten. Investitionen in Infrastruktur, Bildung, den Gesundheitssektor usw. sind jedoch wichtig, um ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum zu erzielen. Ein funktionierendes Steuersystem kann somit der Grundstein für wirtschaftliche Entwicklung sein.

Gründe für mangelhafte Steuersysteme

Gründe für mangelhafte Steuersysteme gibt es viele. Ein zentrales Problem sind korrupte Eliten. Nicht alle Regierungen haben ein Interesse an einem gut ausgestalteten Steuersystem. Einige Politiker versuchen stattdessen ihr eigenes Einkommen und ihre Macht zu maximieren. So können z. B. wirtschaftliche Eliten durch Bestechungsgelder dafür sorgen, dass sie von bestehenden Steuern ausgenommen werden oder dass eine Steuer erst gar nicht eingeführt wird. Ein weiteres Problem ist Korruption innerhalb der Behörden. Diese führt bspw. dazu, dass Beamte Steuern nicht korrekt an den Staat abführen, sondern selbst einbehalten. Schlechte Steuersysteme sind darüber hinaus häufig auf fehlendes Wissen und eine schlechte Ausstattung zurückzuführen. Dieses Wissen fehlt sowohl auf Seiten der Politiker als auch auf Seiten der Behörden. Die Mitarbeiter der zuständigen Behörden haben oftmals keine adäquate Ausbildung und darüber hinaus ist die technische Ausstattung häufig schlecht. Als weiteren Grund für mangelhafte Steuersysteme führen Kritiker von Entwicklungszusammenarbeit an, dass Entwicklungsgelder den Staaten einen Anreiz liefern, ihr Steuersystem ineffizient zu gestalten.

Führt Steuermatching zu höheren Steuereinnahmen?

Die Frage ist allerdings, ob Steuermatching diese Probleme beheben kann und so zu höheren Steuereinnahmen beiträgt. Je nachdem aus welchem Grund die Steuersysteme bisher nicht richtig funktionieren, wird das Instrument unterschiedliche Auswirkungen haben. Wenn korrupte Politiker die Hauptursache sind, kann Steuermatching vermutlich nur bedingt Anreize setzen, die Handlungen der Eliten so zu beeinflussen, dass sie die nötigen Veränderungen am Steuersystem vornehmen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Geberländer zusätzlich festlegen, wofür die Entwicklungsgelder verwendet werden dürfen und dies auch kontrollieren. In dem Fall hätten die korrupten Politiker keine (bzw. geringe) Möglichkeiten, ihr eigenes Einkommen durch die Entwicklungsgelder zu erhöhen. Wenn man zusätzlich bedenkt, dass ihnen bei einer Reform des Steuersystems Einnahmen (z. B. Bestechungsgelder) wegfallen könnten, haben die Politiker vermutlich nur einen geringen Anreiz, sich auf das Instrument einzulassen. Daher würde Steuermatching bei korrupten Politikern vermutlich höchstens zu geringfügig höheren Steuereinnahmen führen.

Falls das Problem jedoch nicht bei korrupten Eliten, sondern bei korrupten Mitarbeitern der Behörden liegt, könnte Steuermatching dazu beitragen, dass die Regierungen verstärkt gegen Korruption vorgehen. Das Ergebnis würde jedoch nur dann erzielt, wenn die Regierungen auch vorher die Möglichkeit gehabt hätten, Korruption zu bekämpfen, sich aber dagegen entschieden hätten. Dies könnte der Fall sein, wenn sie sich zwischen zwei Alternativen entscheiden müssten, z. B. wenn sie vor der Entscheidung stehen, die Beamten stärker zu überwachen (was mit einem hohen Ressourceneinsatz verbunden ist) oder in andere Bereiche zu investieren (z. B. in Nothilfe oder ins Militär). Steuermatching wäre dann erfolgreich, wenn sich Regierungen mit Steuermatching für Korruptionsbekämpfung und ohne Steuermatching dagegen entscheiden würden. Es stellt sich jedoch die Frage, warum Investitionen in Korruptionsbekämpfung besser sein sollten als z. B. Investitionen in Nothilfe oder das Militär.

Ähnlich verhält es sich, wenn die Gründe für geringe Steuereinnahmen fehlendes Wissen, schlecht ausgebildete Mitarbeiter und eine schlechte Ausstattung sind. Auch hier ist Steuermatching nur erfolgreich, wenn die Regierungen zwar die Möglichkeit gehabt hätten, ihr Steuersystem zu reformieren, sie sich aber bisher bewusst dagegen entschieden haben. Allerdings stellt sich auch hier die Frage, warum z. B. Investitionen in die Ausbildung der Mitarbeiter der Behörden besser sein sollten als Investitionen in anderen Bereichen.

Einen positiven Effekt hat Steuermatching vermutlich, wenn die negativen Anreize, die durch staatliche Entwicklungsgelder entstehen, zu einem schlechten Steuersystem führen. In diesem Fall könnte Steuermatching zu höheren Steuereinnahmen beitragen. Denn wenn die Zahlung von Entwicklungsgeldern an die zusätzlichen Steuereinnahmen gekoppelt ist, haben die Länder keinen Anreiz, weniger Steuereinnahmen zu erzielen. Sie haben wenig Grund zu hoffen, dass bei niedrigen Steuereinnahmen andere Länder ihre Verpflichtungen übernehmen.

Erhöhung der Steuereinnahmen nicht primäres Ziel

Steuermatching führt somit nur unter bestimmten Voraussetzungen zu höhere Steuereinnahmen. Selbst wenn durch Steuermatching höhere Steuern erzielt würden, kann der Erfolg des Instruments jedoch nicht (nur) daran bemessen werden. Das primäre Ziel der Maßnahme sollte schließlich nicht die Maximierung der Steuereinnahmen sein, sondern die effiziente Ausgestaltung des Steuersystems, um mit den Einnahmen Rahmenbedingungen für Wirtschaftswachstum zu schaffen. Dies kann das Instrument jedoch nur bedingt leisten, da Ineffizienzen und Verzerrungen eine große Gefahr sind. Falls z. B. Regierungen aufgrund des Steuermatchings Steuern neu einführen, die vorher aufgrund hoher Erhebungskosten nicht genutzt wurden, würden zwar die Steuereinnahmen steigen, die Steuern würden jedoch ineffizient bleiben. Zusätzlich könnte Steuermatching auch dazu beitragen, dass die Regierungen einen Anreiz haben, insbesondere Menschen mit sehr geringem Einkommen zu besteuern, da bei diesen vielleicht mit weniger Widerstand zu rechnen ist. Unerwünschte Verteilungswirkungen wären das Ergebnis. Dabei gibt es auch in Entwicklungsländern die Möglichkeit, höhere Steuereinnahmen zu erzielen, ohne insbesondere die Armen zu belasten. Ein gut ausgestaltetes Steuersystem könnte auch hier dazu beitragen, Menschen mit einem niedrigen Einkommen zu entlasten.

Fazit

Insgesamt ist der Vorschlag des Steuermatchings mit Vorsicht zu betrachten. Wenn korrupte Eliten die Hauptursache für schlechte Steuersysteme sind, wird Steuermatching vermutlich keine großen Auswirkungen haben. Bei korrupten Behörden und fehlendem Wissen ist die Wirkung vermutlich besser, aber nicht eindeutig. Einen positiven Effekt könnte Steuermatching zwar auf die negativen Anreize haben, die durch Entwicklungsgelder entstehen, trotzdem bleibt auch bei diesem Instrument die Gefahr von Verzerrungen. Diese könnten sich jedoch durch eine gezielte und auf das jeweilige Land angepasste Ausgestaltung des Instruments eindämmen lassen, z. B. indem man Einfluss darauf nimmt, welche Steuern durch Entwicklungsgelder aufgestockt werden und wofür sie genutzt werden dürfen. Ein großes Problem ist allerdings, dass das Instrument nicht an der Ursache der Probleme ansetzt. Vermutlich sollte man sich daher auf Instrumente konzentrieren, die stärker miteinbeziehen, warum das Steuersystem in dem jeweiligen Land nicht funktioniert. Wenn die Probleme somit insbesondere eine schlechte institutionelle Infrastruktur und schlecht ausgebildete Beamte sind, ist es vermutlich sinnvoller, weiterhin praktische Hilfe beim Aufbau des Steuersystems zu leisten. Steuermatching könnte dann allenfalls unterstützend hinzukommen.

2 Antworten auf „Ordnungspolitischer Kommentar
Afrika-Jahr 2017
Steuersysteme stärken! Nur wie?

  1. Afrika ist ein rohstoffreicher Kontinent & liegt „vor der Haustüre Europas“. Leider wurde es bisher (z.B. von der BRD) versäumt & verkannt sich hier stärker wirtschaftlich zu engagieren – anders als z.B. Frankreich & Großbritannien die teils traditionelle Bindungen (aus der Kolonialzeit) zu Afrika haben & diese aufrechterhalten haben! Die BRD sollte dies baldigst nachholen & mit stabilen Staaten dort eine (faire!) wirtschaftliche Zusammenarbeit mit gemeinsamen Interessen aufbauen (keine einseitige ausschließliche Entwicklungshilfe! siehe auch Dambisa Moyo: Dead Aid!). Eine Stärkung des Wirtschaftswachstums in Afrika – vor der europäischen Haustüre – bzw. im europäischen Hinterhof – kann eine „Wirtschaftsmigration“ nach Europa – wenn NICHT gerade stoppen, so wenigstens mildern!
    Es hilft auch das (Migrations-) Problem „vor Ort“ zu lösen. Die „Korruptionsproblematik“ dort sollte kein Hinderungsgrund sein – sondern sollte mit einbezogen werden – z.B. durch Hilfestellung bei der Ausbildung entsprechenden Personals – dies könnte ja auch vor Ort erfolgen.

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