Die EZB lässt die Banken des Eurogebietes unvorbereitet für den Abschwung

Zehn Jahre nach Ausbruch der globalen Finanzkrise haben sich die Banken im Eurogebiet nicht erholt. Der Euro Stoxx Financials liegt weit unter dem Vorkrisenniveau (Abb. 1). Viele Banken, einschließlich Deutsche Bank, stehen am Abgrund. Hingegen ist in den USA der S&P-Financials um 320% angestiegen.  Das liegt an einer verfehlten Geld- und Regulierungspolitik der EZB, wie der Vergleich mit US-amerikanischen Fed deutlich macht.

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Die Fed senkte den Leitzins schneller als die EZB und hat die Bilanz schneller durch den Ankauf von Wertpapieren (quantitative Lockerung) ausgeweitet. Das hat den US-Finanzsektor in der Krise schnell stabilisiert. Aber auch der Ausstieg aus der ultra-lockeren Geldpolitik kam früher. Seit Ende 2015 hebt die Fed langsam die Leitzinsen wieder an, zuletzt auf 2,3% (Abb. 2). Das Bilanzvolumen wird vorsichtig reduziert, sodass auch die langfristigen Zinsen wieder gestiegen sind. Zudem verzinst die Fed seit 2008 die durch die Wertpapierkäufe entstandenen hohen Einlagen der Banken bei der Fed, so dass diese seit 2008 den US-amerikanischen Banken 95 Mrd. Dollar überwiesen hat.

Mit all diesen Maßnahmen hat die Fed verhindert, dass die Geldpolitik auf Dauer die US-Finanzinstitute durch schrumpfende Zinsmargen geschwächt hat. Zuletzt ist beispielsweise beim größten US-Institut, J.P. Morgan, die Nettozinsmarge auf 2,55% geklettert. Die Nettozinserträge sind im letzten Schlussquartal um 10% auf 14,4 Mrd. Dollar angestiegen.

Hingegen hat die EZB die Leitzinsen zögerlich gegen null gesenkt. Die Nullgrenze wurde 2015 erreicht. Der umfangreiche Ankauf von Wertpapieren (2600 Mrd. Euro) setzte erst im März 2015 ein.  Höhere Leitzinsen und der Abbau der riesigen Bestände an Staatsanleihen sind nicht in Sicht. Für die Einlagen der Banken bei der EZB werden -0,4% berechnet.

Im Ergebnis ist bei den deutschen Banken die Kreditmarge – die Differenz von Kredit- und Einlagezinsen – von ca. 3,0% im März 2009 auf 1,8% gesunken. Die Transformationsmarge zwischen den Renditen 10jähriger deutscher Staatsanleihen und Tagesgeldern wurde von 2,8% (2009) auf heute ca. 0,7% gedrückt. Seit 2014 hat die EZB den deutschen Banken 20 Mrd. Euro für Überschussreserven berechnet. Der Zinsüberschuss deutscher Banken ist damit von 66 Mrd. Euro im Jahr 2008 auf 28 Mrd. Euro (2018) geschrumpft. Eine Erholung ist nicht in Sicht.

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Die Fed hat im Gegensatz zur EZB die Banken entgiftet. Die Anleihekäufe der Fed umfassten mit ca. 50% des Ankaufvolumens riskante verbriefte Hypothekenkredite. Das US-Finanzministerium kaufte zudem im Rahmen des “Troubled Asset Relief Program” (2009-2012) verbriefte Hypothekenkredite und Bankaktien im Wert von mehr als 400 Mrd. Dollar. Die Banken wurden dadurch zwangsrekapitalisiert. Die EZB erwarb hingegen überwiegend Staatsanleihen (zuletzt 2 Billionen Euro), sodass die Banken des Eurogebiets mit den faulen Vermögenswerten allein gelassen wurden. Das Anleihekaufprogramm der EZB von März 2015 bis Dezember 2018 trägt damit mehr den Charakter eines Hilfsprogramms für Staaten als für Banken.

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Basel III erhöhte die Eigenkapitalanforderungen in den USA und Europa. In den USA straffte der Dodd-Frank Act die regulatorischen Anforderungen, die Volcker Regel beschränkte den lukrativen Eigenhandel. Jüngst wurden die Meldepflichten für fast alle US-Finanzinstitute jedoch wieder gelockert. Eigenhandel ist für große Institute indirekt als Market Maker noch möglich. In der EU überwacht seit 2014 der Einheitliche Aufsichtsmechanismus der EZB die rund 130 größten Finanzinstitute des Euroraums, die bis 2023 einen Bankenrettungsfonds mit 60 Mrd. Euro befüllen müssen. Die EU hat den Eigenhandel stark eigenschränkt, so dass Banken wie der Deutschen Dank das Geschäftsmodell verloren gegangen ist.

Häufige Stresstests der EZB sind für die Banken des Eurogebiets eine Belastung, ohne dass die Risiken bei Dexia, BBVA/Garanti, Carige oder der Banca Monte dei Paschi rechtzeitig erkannt wurden. Wackelige Banken überleben, weil sie mit nationalen Steuermitteln, europäischen Rettungsprogrammen oder von der EZB über Wasser gehalten werden. Es ist ein undurchsichtiges Netz von Rettungsmechanismen (ESM, ELA, ANFA, etc.) entstanden. Das TARGET2-Zahlungssystem der EZB hat sich als quasi bedingungsloses, zinsloses Kreditsystem entpuppt: Rund 1000 Mrd. Euro wurden an südeuropäische Banken ausgereicht, wobei die Anforderungen an die Sicherheiten sukzessive reduziert wurden.

Vor allem dank TARGET meldet der „Failed Bank Tracker“ seit 2008 für die gesamte Eurozone nur 52 Konkurse, verglichen mit 541 in den USA. Der Nachteil ist, dass faule Kredite unbereinigt bleiben, so dass deren Volumen bei 650 bis 1.000 Mrd. Euro liegt. 2017 betrug der offiziell gemeldete Anteil der notleidenden Kredite bei 47% in Griechenland, 18% in Portugal und 12% in Italien (1,3% in den USA). Insbesondere im südlichen Euroraum halten von den Zentralbanken alimentierte Zombiebanken eine wachsende Anzahl von Zombieunternehmen am Leben (siehe Herok und Schnabl 2018).

Die ungelösten Probleme bei den Banken, die schleichende europäische Staatsschuldenkrise, der Austeritätsdruck aus Brüssel sowie und die ultra-lockere Geldpolitik der EZB haben schließlich viel Kapital aus dem Euroraum gedrängt (rund zwei Billionen Euro seit 2012) und damit die Banken und Unternehmen weiter geschwächt. Da die Fed eine kohärentere Strategie schärferer Regulierung und der indirekten Rekapitalisierung solider US-Banken verfolgt und die Zinsen angehoben hat, wurde dieses Kapital zu großen Teilen von den USA angezogen. Das hat dort das Wachstum und damit auch die Qualität der Kreditportfolios gestärkt.

Viele europäische Banken bleiben hingegen mit giftigen Vermögenswerten und notleidenden Krediten konfrontiert, während die Geld- und Regulierungspolitik der EZB ihre Gewinne schmälert. Am Anfang des Abschwungs zeigt sich damit eine hohe Fragilität des Euro-Bankensystems, der die Politik mit Fusionsutopien und Kapitalspritzen zu begegnen sucht. Weil aus zwei Kranken kein Gesunder wird und die Steuermittel begrenzt sind, dürften bald neue Anleihekäufe der EZB folgen. Die Bankensektor des Eurogebiet würde weiter zombifiziert.

Literatur

Herok, David / Schnabl, Gunther 2018: Europäische Geldpolitik, Zombifizierung und Wachstum in Europa. Wirtschaftspolitische Blätter 18, 463-478.

Gunther Schnabl und Thomas Stratmann
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