Der Bayer-Monsanto-Deal zeigt, dass die disziplinierende Funktion der Kapitalmärkte außer Kraft gesetzt ist

Der Kauf von Monsanto durch den Pharma-Riesen Bayer ist ein prominentes Beispiel für fremdfinanzierte Übernahmen, die seit den späten 1980er Jahren florieren. Nachdem Bayer 66 Milliarden US-Dollar für Monsanto bezahlt hat, ist der Börsenwert von Bayer um 31 Milliarden Euro abgestürzt. Grund sind über 11.000 laufende Glyphosat-Verfahren vor US-Gerichten, die schon vorher absehbar waren. Auch andere fremdfinanzierte Übernahmen haben sich als schlechtes Geschäft für die Aktionäre des Käuferunternehmens erwiesen. Was treibt solche Übernahmeaktivitäten, wenn nicht Gewinne?

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Eine mögliche Erklärung ist der Interessenkonflikt zwischen den Inhabern eines Unternehmens und dem Management. Während die Inhaber den Wert des Unternehmens maximieren wollen, wollen die Manager ein möglichst hohes persönliches Einkommen. Managergehälter steigen in der Regel mit der Firmengröße (Murphy 1985). Zudem brauchen Manager, die leistungsstarke Mitarbeiter an sich binden wollen, ein ausreichendes Angebot an guten Positionen, die in großen Unternehmen zahlreicher sind (Baker, Gibbs, Holmstrom 1993). Fremdfinanzierte Firmenübernahmen sind damit eine effektive Art, die Firmen und Managergehälter zu vergrößern, selbst wenn es den Aktionären schadet.

In Firmen mit Free Cash Flow, also interner Finanzierung, ist es aufgrund asymmetrischer Informationsverteilung schwierig für die Aktionäre, die Wirtschaftlichkeit einer geplanten Übernahme richtig einzuschätzen: Im Gegensatz zum Management wissen die Aktionäre nicht, ob die geplante Übernahme die Rendite erhöhen wird (Jensen 1986). Mehran und Peristiani (2013) argumentieren deshalb, dass eine fremdfinanzierte Übernahme das Management disziplinieren kann. Denn die Kreditgeber können das Unternehmen vor Gericht bringen, falls es fällige Zinszahlungen nicht leisten kann. Aus dieser Sicht gewährleisten Kapitalmärkte eine effiziente Ressourcenallokation, indem sie Marktteilnehmer dazu disziplinieren, das Kapital der produktivsten Verwendung zuzuführen (Mises 1912).

Ein Grund, warum – wie im Falle von Bayer – kreditfinanzierte Übernahmen dennoch im finanziellen Desaster enden können, ist die Geldpolitik. Die Zentralbanken haben seit den späten 1980er Jahren die disziplinierende Rolle von Schulden unterwandert, indem sie Zinsen immer weiter gedrückt und Zinsanstiegserwartungen weitgehend eliminiert haben. Manager können günstige Großkredite nutzen, um die Firmengröße aufzublähen, ohne dem Risiko steigender Zinsen ausgesetzt zu sein. Gerade für große Unternehmen ist auf dem Kapitalmarkt Fremdfinanzierung fast genauso leicht zugänglich wie interner Free Cash Flow. Die Rückzahlung stellt auch deshalb keine ernsthafte Verbindlichkeit mehr dar, weil sich die labilen Banken keine größeren Kreditausfälle mehr leisten können.

Hoffmann und Schnabl (2016) haben entsprechend argumentiert, dass die Zentralbanken mit günstige Refinanzierungsbedingungen den Druck auf Unternehmen zu Effizienzgewinnen und Innovationen aufgeweicht haben. Kornai (1986) sprach für die mittel- und osteuropäischen Planwirtschaften von „weichen Budgetrestriktionen“: Nicht-rentable Unternehmen wurden von bedingungslosen Krediten staatlicher Banken am Leben erhalten, die von der Zentralbank alimentiert wurden. Manager werden in diesem Umfeld nicht mehr an Überinvestitionen gehindert, die das Unternehmen zwar vergrößern, aber nicht die Gewinne.

Großunternehmen dürften sich auch deshalb auf riskante fremdfinanzierte Übernahmen einlassen, weil sie sich als „zu groß zum Scheitern“ ansehen. Sie erwarten, dass in einer Krise potentielle Verluste von der Allgemeinheit oder den Arbeitnehmern getragen werden. Im Fall von Bayer ist die EZB inzwischen aufgrund der schwächelnden Konjunktur Zinsanstiegserwartungen entgegengetreten. Das hat zwar den Marktwert der Bayeraktien stabilisiert, geht aber geht auf Kosten von Sparern, die real negative Zinsen für ihre Spareinlagen erhalten. Zudem hat Bayer angekündigt 12.000 Mitarbeiter zu entlassen. Um das zu verhindern, werden die Gewerkschaften bei Bayer und deren Zulieferern wahrscheinlich bereit sein, Lohnkürzungen hinzunehmen. Am Ende werden die Lasten des Deals wohl breit über Aktionäre, Mitarbeiter, Zulieferer und Sparer verteilt.

Der Bayer-Monsanto-Deal ist nur einer von vielen Exzessen, die in den letzten drei Jahrzehnten vom billigen Geld der Zentralbanken auf Kosten der Allgemeinheit begünstigt wurden. Um das Problem von fremdfinanzierten Übernahmen in den Griff zu bekommen, bedarf es einer Kehrtwende in der Geldpolitik, um die Signalfunktion des Zinses – die Risiken adäquat anzeigt – wiederherzustellen. Nur wenn der Schuldendienst eine ernsthafte Einschränkung, also eine „harte Budgetrestriktion“ ist, können Aktionäre wieder Fremdfinanzierung nutzen, um ihre Manager an teuren Übernahmeabenteuern zu hindern.

Referenzen:

Baker, George / Gibbs, Michael / Holmstrom, Bengt (1993): Hierarchies and Compensation – A case Study, European Economic Review 37, pp. 366-378.

Kornai, Janos (1986): The Soft Budget Constraint, Kyklos 39(1), pp. 3-30.

Jensen, Michael (1986): Agency Costs of Free Cash Flow, Corporate Finance, and Takeovers, American Economic Review 76(2), pp. 323-329.

Hoffmann, Andreas / Schnabl, Gunther (2016): Adverse Effects of Unconventional Monetary Policy, Cato Journal 36(3), pp. 449-484.

Mehran, Hamid / Peristiani, Stavros (2013): US Leveraged Buyouts: The Importance of Financial Visibility, Liberty Street Economics Blog by the Federal Reserve Bank of New York, 28.8.13.

Mises, Ludwig von (1912): Die Theorie des Geldes und der Umgangsmittel, Duncker and Humblot, Leipzig.

Murphy, Kevin (1985): Corporate Performance and Managerial Remuneration: An Empirical Analysis, Journal of Accounting and Economics 7 (1-3), pp. 11-42.

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