CO2-Preis statt Klimaschutz-Planwirtschaft

Der kürzlich vom Bundesumweltministerium vorgelegte Entwurf für ein Klimaschutzgesetz ist Planwirtschaft par excellence: Gedacht um den im Jahr 2016 ohne Bundestagsbeteiligung entstandenen Klimaschutzplan 2050 gesetzlich umzusetzen, formuliert der Entwurf jahresgenaue Emissionsvorgaben für die Jahre 2030 bis 2050. Die aus der ehemaligen Sowjetunion bekannten 5-Jahrespläne für die wirtschaftliche Entwicklung waren deutlich weniger langfristig angelegt. Als ob diese langfristigen Planziele nicht der Planwirtschaft bereits genug wären, kommt erschwerend hinzu, dass neben Vorgaben für Deutschland insgesamt sogar individuelle Emissionsminderungspfade für sechs Sektoren festgelegt wurden: Industrie, Verkehr, Gebäude, Energie-, Land- und Abfallwirtschaft.

Mit diesem höchst planwirtschaftlichen Ansatz sollen die Treibhausgasemissionen in Deutschland bis zum Jahr 2050 um mindestens 95 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 verringert werden. Damit wird das nationale Klimaschutzziel für das Jahr 2050, die Treibhausgasemissionen um 80 bis 95 Prozent gegenüber 1990 zu verringern, sehr ambitioniert ausgelegt. Ob eine Minderung in diesem Umfang überhaupt möglich ist, und falls ja, welche Kosten damit verbunden sind, wird mit keinem Wort erläutert, ebenso wenig wie das geschehen soll.

Stattdessen soll das für jeden Sektor zuständige Bundesministerium festlegen, was getan werden muss, um die jeweiligen Emissionsvorgaben zu erreichen. Falls dies nicht geschieht, droht das Umweltministerium mit Sanktionen. So soll jedes Ministerium mit Geld aus seinem eigenen Haushalt dafür aufkommen, wenn Deutschland wegen Verfehlung seiner sektoralen Ziele ab dem Jahr 2020 CO2-Zertifikate von anderen EU-Staaten zukaufen muss. Dazu ist Deutschland durch die EU-Gesetzgebung verpflichtet. Und es ist absehbar, dass das nationale Klimaziel für die Sektoren Verkehr, Landwirtschaft und Wärme deutlich verfehlt wird. Deutschland hat die rechtlich verbindliche Verpflichtung, die Treibhausgasemissionen dieser Sektoren bis zum Jahr 2020 um 14 Prozent gegenüber dem Jahr 2005 zu reduzieren und bis 2030 um 38 Prozent.

Der planwirtschaftliche Ansatz des Umweltministeriums ist alles andere als kosteneffizient: Indem genau vorgeschrieben wird, in welchem Sektor wie viel Treibhausgase pro Jahr ausgestoßen werden dürfen, wird verhindert, dass Emissionen dort eingespart werden, wo es am kostengünstigsten ist. Die wesentlich kosteneffizientere Alternative wäre, einen einheitlichen CO2-Preis zu etablieren, möglichst weltweit, und es diesem Preissignal zu überlassen, wo und auf welche Weise Treibhausgase vermieden werden.

Der Abschluss eines internationalen Abkommens über einen global einheitlichen CO2-Preis wäre denn auch das von viele Ökonomen bevorzugte Klimaschutzinstrument. Ein solches Abkommen wurde auch von dem kürzlich mit dem Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften ausgezeichneten William Nordhaus vorgeschlagen. Neben der Kosteneffizienz hätte ein solches Abkommen viele Vorteile, insbesondere dass die politische Umsetzung eines global einheitlichen CO2-Preises jedem Land individuell überlassen bleiben und in der Praxis relativ einfach erfolgen kann, etwa mittels der Einführung von CO2-Steuern.

Solange es ein solches globales Preis-Abkommen nicht gibt, lohnt es sich darüber nachzudenken, einen einheitlichen CO2-Preis zumindest für die Europäischen Union einzuführen, ähnlich wie dies kürzlich mehr als 3000 Ökonomen für die USA gefordert haben. Als erster Schritt könnte die Einführung eines Mindestpreises für Emissionszertifikate auf dem aktuellen Niveau von etwa 20 Euro je Tonne CO2 in Erwägung gezogen werden, um damit den am Emissionshandel teilnehmenden Unternehmen zu signalisieren, dass der Ausstoß von Treibhausgasen in Zukunft nicht mehr günstiger werden wird. Dieser Mindestpreis sollte jedoch erst dann erhöht werden, wenn andere bedeutende Länder und Regionen der Welt, etwa die USA und China, ebenfalls einen CO2-Preis eingeführt haben. Letztendliches Ziel wäre, dasselbe CO2-Preisniveau in möglichst vielen Regionen der Welt zu etablieren.

Davon unabhängig sollte Deutschland darauf hinwirken, dass die Europäische Union den EU-Emissionshandel auf weitere Sektoren ausdehnt, etwa den Verkehrssektor. Anstatt weiterhin auf eine ineffiziente Regulierung in Form von Emissionsstandards zu setzen, die für Neuwagen den CO2-Ausstoß pro Kilometer Fahrleistung bis zum Jahr 2030 vorschreiben, und damit den Kraftstoffverbrauch, sollte die Europäische Kommission spätestens ab 2030 den Verkehrssektor in den Emissionshandel integrieren. Seit 2015 darf die Neuwagenflotte in der Europäischen Union (EU) im Durchschnitt höchstens 130 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen. Ab 2020 gilt für Personenwagen ein geringerer Zielwert von 95 Gramm CO2 pro Kilometer. Diese wenig kosteneffiziente Art der Regulierung wird wegen ihrer negativen Wohlfahrtseffekte von zahlreichen Studien kritisiert (z. B. Austin, Dinan 2005, Babiker, Reilly, Karplus, Paltsev 2013). Mit einem CO2-Preis die Kraftstoffpreise zu erhöhen, wäre deutlich effektiver, um den Energieverbrauch von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor zu reduzieren (Frondel, Vance 2018).

Der Versuch, den europäischen Emissionshandel auf weitere Sektoren  wie den Verkehr und den Wärmesektor auszuweiten, um dort denselben CO2-Preis zu etablieren wie in den bereits am Emissionshandel beteiligten Sektoren Stromerzeugung und Industrie, hätte einen wesentlichen Vorteil gegenüber der Einführung einer nationalen CO2-Steuer in den noch nicht in den Emissionshandel eingebundenen Sektoren: Die mit einer Ausweitung des Emissionshandels auf diese Sektoren einhergehende Kostenbelastung infolge des CO2-Ausstoßes wäre für alle EU-Staaten dieselbe. Die einseitige Erhebung einer nationalen CO2-Steuer würde hingegen nur die heimischen Haushalte und Unternehmen der noch nicht in den Emissionshandel integrierten Sektoren belasten, mit entsprechenden Wettbewerbsnachteilen für diese Unternehmen.

Sollten Sektoren wie Verkehr und Wärme wegen der Widerstände einiger EU-Staaten auch in Zukunft partout nicht in den Emissionshandel eingebunden werden können, ist es dennoch erwägenswert, eine große Koalition von EU-Staaten zu bilden, möglichst einschließlich aller Nachbarstaaten Deutschlands, um gemeinsam eine einheitliche CO2-Abgabe auf fossile Brenn- und Kraftstoffe zu erheben. Im Gegenzug sollten die bestehenden Energiesteuern auf Brennstoffe abgeschafft werden. Bei einer CO2-Abgabe von 20 Euro je Tonne würde sich beispielsweise der Endverbraucherpreis für das CO2-extensive Erdgas leicht verbilligen, wohingegen das CO2-intensivere Heizöl sich gegenüber dem Status Quo etwas verteuern würde. Auf diese Weise würden Anreize für einen Brennstoffwechsel von Heizöl auf Erdgas gesetzt und somit zur Treibhausgasreduktion.

Die Einführung und Erhöhung von CO2-Abgaben in nicht am Emissionshandel beteiligten Sektoren führt früher oder später unweigerlich zu deutlichen Mehrbelastungen für die Verbraucher. Dies trifft einkommensschwächere Haushalte stärker als wohlhabende Haushalte. Um unnötige Härten zu vermeiden und die Akzeptanz eines CO2-Preises in diesen Sektoren nicht zu gefährden, sollten die Einnahmen aus der CO2-Abgabe wieder vollständig an Bürger und Unternehmen zurückfließen, vorzugsweise in Form pauschaler Pro-Kopf-Transfers. Dies geschieht beispielsweise in der Schweiz, in der immerhin zwei Drittel der Einnahmen aus der CO2-Abgabe in Höhe von 92 Franken je Tonne für eine jährliche Rückerstattung von derzeit 76,80 Franken pro Kopf, gleich ob Kinder oder Erwachsene, verwendet werden.

Durch diese Rückerstattungen werden viele Haushalte besser gestellt als ohne die Erhebung einer CO2-Abgabe, vor allem einkommensschwache Haushalte, während vorwiegend einkommensstärkere Haushalte, welche tendenziell einen höheren Energie- und Umweltverbrauch aufweisen, höhere Lasten zu tragen haben. Dies dürfte jedoch relativ unkritisch sein, da einkommensstärkere Haushalte tendenziell eine höhere Akzeptanz für eine Pönalisierung des Umweltverbrauchs aufweisen. Wie die massiven Proteste in Frankreich gegen die dort erhobene CO2-Abgabe aber eindrücklich zeigen, ist die Rückerstattung der aus einer CO2-Bepreisung erwachsenden staatlichen Einnahmen ein essentieller Bestandteil einer solchen Klimaschutzpolitik, ohne die es um ihre Akzeptanz schlecht bestellt sein würde.

Quellen:

Austin, D., Dinan, T. (2005) Clearing the Air: The Costs and Consequences of Higher CAFE Standards and Increased Gasoline Taxes. Journal of Environmental Economics and Management 50, 562-582.

Babiker, M., Reilly, J.M., Karplus, V., Paltsev, S. (2013) Should a vehicle fuel economy standard be combined with an economy-wide greenhouse gas emissions constraint? Implications for energy and climate policy in the United States. Energy Economics 36, 322-333.

Frondel, M., C. Vance (2018), Drivers‘ Response to Fuel Taxes and Efficiency Standards: Evidence from Germany. Transportation 45 (3): 989-1001.

3 Antworten auf „CO2-Preis statt Klimaschutz-Planwirtschaft“

  1. Lieber Herr Frondel,
    Können Sie bitte noch einmal erläutern, warum es einen Mindestpreis für CO2 im ETS geben soll. Wollen Sie damit sagen, dass der Handel mit Zertifikaten an der Börse ineffizient ist?

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