50 Jahre europäische Ordnungspolitik

Erhard war früher skeptisch. Hayek war, noch früher, optimistisch. Beide hatten (un)recht.

Wäre es nach Ludwig Erhard gegangen, wären die „Römischen Verträge“ am 25. März 1957 so nicht von deutscher Seite unterzeichnet worden. Eine Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) von nur sechs Teilnehmern, und inspiriert von französischen Wünschen einer Abschottung nach außen sowie sozial- und industriepolitischer Lenkung nach innen, war Erhard ein Graus. Was heute Kritikern des europäischen Zentralismus gern polemisch unterstellt wird – sie wollten die EU zurückwerfen in eine „große Freihandelszone“ – das war in den 1950er Jahren in der Tat Erhards bevorzugte Alternative zur EWG: ein freier Markt für den ganzen freien Westen, Großbritannien und möglichst auch Nordamerika eingeschlossen. Hierfür brauche es kaum mehr als ein Abkommen über frei konvertible Währungen und volle Freizügigkeit für Personen, Waren, Dienstleistungen und Kapital. Eine „institutionelle Integration“ sektoraler Wirtschaftspolitiken unter Schaffung eines „bürokratischen Monsters“ lehnte er entschieden ab. So nannte er 1962 das Aktionsprogramm der Kommission, die eine weitere „Fusion der Politiken“ forderte, schlicht „primitiv“: „Wir brauchen kein Planungsprogramm, sondern ein Ordnungsprogramm für Europa!“ Erhard sah jenes Gespenst von Preiskontrolle und staatlicher Lenkung, das er in Deutschland vertrieben zu haben hoffte, nun wieder vor sich, gerade in Gestalt europäischer „Harmonisierung“. In der FAZ vom 31.Dezember 1959 machte der Professor aus Fürth klar, daß internationale Arbeitsteilung auf komparativen Unterschieden beruhe, während das „Organisieren-und-harmonisieren-Wollen … in den fast sicheren Abgrund“ führe.

Friedrich August von Hayek hat nur wenig über die europäische Integration geäußert. Pikanterweise im September 1939 erschien aber in der „New Commonwealth Quarterly“ ein Beitrag über „die wirtschaftlichen Voraussetzungen föderativer Zusammenschlüsse“. Hier entwickelt Hayek eine erstaunlich optimistische Vision. Solange eine Föderation auf freiwilliger Basis zustande komme, schien ihm das Gespenst der Planwirtschaft gebannt. Es werde sich erweisen, „daß auf internationalem Gebiet eine demokratische Regierung nur möglich ist, wenn die Aufgaben einer internationalen Regierung auf ein im wesentlichen liberales Programm beschränkt sind“. Man werde sich letztlich nur auf universalisierbare Verbotsregeln ungerechten Regierungsverhaltens (Protektion, Subvention, Diskriminierung) einigen können, weil nur so allen Bürgern gemeinsame Vorteile zugesichert werden könnten. Für Interventionen zugunsten einzelner Firmen und Industrien würde eine solche Föderation kaum allgemeine Unterstützung finden können. Solidarische Sonderbehandlung sei eben nur dort möglich, wo „nationale Ideologien“ oder „Mitgefühl mit dem Nachbarn“ tatsächlich noch wirken – auf lokaler Ebene. Hayek erwähnt etwa Gesetze zur „Beschränkung der Arbeitszeit“ oder „Natur- und Denkmalschutz“, die, da sie „in armen oder reichen Gebieten in ganz verschiedenem Licht gesehen werden“, eben auch „auf das Ausmaß beschränkt sein müssen, in dem sie lokal angewendet werden können, ohne daß gleichzeitig der freien Beweglichkeit Schranken auferlegt werden müssen“.

Wie konnte Hayek in dunkelsten Zeiten eine derart ordnungspolitisch-optimistische Vision föderativer Zusammenschlüsse entwickeln, während Erhard in den Friedens- und Wirtschaftswunderzeiten die Anfänge Europäischer Wirtschaftsintegration so skeptisch sah? Und wer hat Recht behalten?

Erhard konnte sich in den 1950er Jahren noch nicht vorstellen, daß Prinzipien wie unverfälschter Wettbewerb, verbotene staatliche Beihilfen und vor allem die Verwirklichung individueller Freizügigkeit (die vier Grundfreiheiten) nicht nur politische Absichtserklärungen der Römischen Verträge bleiben würden. All dies hat indes auch erst Jahrzehnte später unanfechtbar primärrechtliche Konstitutionalisierung und sekundärrechtlichen Biß gewonnen. Tatsächlich konnten oft erst über den europäischen Umweg die, bald fast das ganze freie Europa umfassenden, Mitgliedsstaaten veranlaßt werden, etwa Staatsmonopole in der Versorgung, im Verkehr und in der Kommunikation aufzubrechen, Subventionen zugunsten eines unverfälschten Wettbewerbs zu beenden, oder minder heftig regulierten Produkten aus anderen Mitgliedsstaaten Marktzutritt zu gewähren. Auch Erhards anfangs berechtigte Furcht vor einer „Festung Europa“ als Bollwerk gegen den freien Welthandel hat sich in den meisten Sektoren als eher überzogen herausgestellt – auch wenn seine schon im Mai 1956 in einem Eilbrief an Außenminister Brentano geäußerte „ernste Sorge“ über eine planwirtschaftliche Landwirtschaftspolitik ihre volle Berechtigung finden sollte.

Hayek wiederum konnte sich 1939 nicht vorstellen, daß eine europäische Wirtschaftsgemeinschaft eine derartige Umverteilungsmaschine für landes- und sektorspezifische Sonderinteressen würde etablieren können. So hielt er es für geradezu absurd, daß etwa „der französische Bauer bereit sein wird, für seinen Kunstdünger mehr zu bezahlen, um der englischen chemischen Industrie zu helfen“. Heute plausiblere Beispiele wären, daß der europäische Konsument und Steuerzahler ungefragt bereit sein muß, etwa für französische (oder griechische oder andere) Landwirte ungeahnte, weil untransparente, „Solidarleistungen“ zu erbringen. Die Logik europäischer Gipfel und Verträge besteht aber exakt darin, daß jedes Land seine Sonderinteressen in einem Paket geschnürt findet, in dem Privilegien solange allseits kombiniert, verschleiert und durch Vetodrohungen verteidigt werden, bis am Ende alle Minister und Regierungschefs ihrer nationalen Wählerschaft einen „Durchbruch“ verkünden können. Ein Durchbruch für die Ordnungspolitik war hierbei oft genug unbeabsichtigt – aber dennoch gelegentlich möglich.

Die Durchsetzung allgemeiner Spielregeln einer liberalen Wettbewerbsordnung scheint wie im Falle nationaler Ordnungspolitik am ehesten dort verläßliche Hüter zu finden, wo Pflichten Organen anvertraut wurden, die (wie die Europäische Zentralbank) weniger Zielabwägungen zu treffen oder (wie die Kommission) weniger Rücksichten auf Wiederwahlrestriktionen zu nehmen haben als politische Parteien. Die ordnungspolitischen Erfolge der deutschen Sozialen Marktwirtschaft – stabiles Geld und offene Märkte – waren denn auch in der eher politikfernen Verantwortung von Bundesbank und Bundeskartellamt stets besser aufgehoben als in Parlament und Regierung. Exakt diese Kompetenzen sind nun zum großen Teil – und bisher mit ähnlich großem Erfolg – europäisiert worden. Nicht trotz, sondern wegen eines letztlich gewollten „Demokratiedefizits“ konnte die Kommission eine Marktöffnungspolitik und die Europäische Zentralbank eine Geldpolitik betreiben, die sich Europas nationale Regierungen und Parlamente (aber auch das Europaparlament) wohl nur sehr selten zugetraut hätten. Das Gerangel um die Dienstleistungsrichtlinie (oder momentan um diverse Energieversorgungs- oder Postmonopole) zeigt, daß das Bemühen um den nach wie vor unvollendeten Binnenmarkt und damit um gemeinsame Interessen der Bürger Europas tatsächlich oft besser in Händen unhängiger Kommissare aufgehoben ist als in Händen derer, die vielerlei Sonderinteressen vertreten müssen.

Gleichzeitig sind ist aber gerade Kommission und EuGH der Versuchung ausgesetzt, sich Kompetenzen anzumaßen, die ordnungspolitischer Vernunft ermangelt. Hier finden sich die Befürchtungen Erhards bestätigt, der vor der Schaffung von Bürokratien warnte, die ihre Daseinsberechtigung darin finden, daß sie durch Richtlinien und Verordnungen Probleme „lösen“, von denen die Bürger noch kaum wußten, daß sie bestehen, oder von denen erwartet werden dürfte, daß sie auch auf nationaler Ebene behandelt werden könnten. Der (auf etwa 85 000 Seiten geschätzte) „acquis communautaire“ spricht viele Bände. Daß etwa die EU- Nichtdiskriminierungsrichtlinie erst dann von vielen deutschen Politikern und Medien als kostspielig, oft unsinnig und kaum verfassungskonform erkannt wurde, als sie unwiderrufbar rechtskräftig wurde (nachdem sie lange zuvor von einer deutschen Regierung im Ministerrat unbemerkt mitbeschlossen wurde), spricht auch Bände. Daß die heutige Bundesregierung nach einigen Wochen entdeckte, nicht sie sei für das Nichtrauchen in Gaststätten zuständig, sondern die Länder – um wenige Tage später erfreut vom jüngsten Grünbuch der EU Kommission Kenntnis zu nehmen, in dem ein EU-weites Rauchverbot in Hotels, Gaststätten und öffentlichen Gebäuden notfalls durch Europäisches Gesetz in Aussicht gestellt wird – spricht auch nicht gerade für ein klares Verständnis der vielbemühten Subsidiarität.

Solche Beispiele illustrieren ein generelles Problem: „Brüssel“ ist zum Synonym geworden für die Verschleierung und Verschiebung politischer Verantwortung. Wer ist wofür vor wem verantwortlich? Die Kommission, die sich mal als Hüter und Förderer eines noch zu vollendenden Binnenmarktes, und mal als Erfinder neuer subsidiaritätswidriger Interventionsermächtigungen begreift? Der Ministerrat, in dem Regierungen gesetzgeberisch wirken, indem sie Privilegienpakete unter Ausschluß der Öffentlichkeit und Umgehung ihrer eigenen Parlamente bündeln, um so die politische Verantwortung nach „Brüssel“ zu verschieben? Das Europäische Parlament, das sich als Vertreter eines europäischen „demos“ geriert, der weder seine relevanten Vertreter noch deren weitgehend irrelevanten Parteiprogramme kennt? In dieser europäischen Politikverflechtung sind Spieler, Schiedsrichter und Regelgeber kaum zu unterscheiden.

Eine liberale, privilegienfreie, Ordnungspolitik war hierbei oft nur unintendiertes Spielergebnis. Es entstand in der Konstellation von entweder bewußter Selbstbindung der Regierungen („wir kennen unsere Schwäche“) oder eines Schleiers der Unwissenheit („wir kennen unsere zukünftigen Interessen noch nicht“). Hieraus konnten seit 1957 eine „Liberalisierung von oben“ andeutende Verträge entstehen, die der Europäische Gerichtshof und die Kommission auslegen und ausführen können und müssen – mit der Folge nicht seltener und für Ludwig Erhard damals kaum zu ahnenden Chancen für eine europäische Ordnungspolitik. Gleichzeitig schafft jeder ambitionierte europäische Gipfel für Hayek damals noch kaum zu ahnende Risiken unbestimmter Interventionsermächtigungen europäischer Gemeinschaftsorgane. Symbolische Politik, die sich, wie die Lissabon-Strategie, in wortreichen, aber ergebnisarmen Planungsprogrammen erschöpft, ist noch das kleinere Übel. Je mehr indes das Abschieben von Verantwortung und Kompetenz an die Europäische Union zu Zentralisierung und Harmonisierung führt, desto schwerer wiegt die Warnung, die Willhelm Röpke, ein Freund von Erhard und von Hayek, äußerte, wonach „es das Wesen Europas ausmacht, eine Einhalt in der Vielfalt zu sein, weshalb denn alles Zentralistische Verrat und Vergewaltigung Europas ist, auch im wirtschaftlichen Bereiche“.

Was die Zukunft europäischer Integration belangt, kann man deshalb aus ordnungspolitischer Sicht zweigespalten sein. Erhards Warnungen scheinen nach wie vor berechtigt; aber auch Hayeks Hoffnungen haben neue Nahrung erhalten. Die letzten Erweiterungen der Union von 15 auf 27 Mitglieder bedeuten eine enorme Bereicherung Europas. Vor allem bedeutet im Prinzip jede Erweiterung der EU auch eine Chance für ordnungspolitische Besinnung auf das Wesentliche. Erweiterung hemmt weitere Vertiefung, vor allem in ihrer sektorale, kulturelle, ökonomische wie politische Besonderheiten ignorierenden „acquis“-Ausweitungs-Besessenheit. Hayeks Argument gewinnt neue Plausibilität dadurch, daß Pakete nationaler Sonderinteressen zu schnüren, bei unveränderten Abstimmungsregeln (vor allem: Einstimmigkeit bei wichtigen Entscheidungen im Ministerrat) schwieriger wird. Deswegen auch der Versuch vieler „alter“ Europäer und Brüssler Behörden, die qualifizierte Mehrheitsentscheidung zur Norm zu machen. Durch europaweite sozial-, verbraucherschutz-, umwelt-, oder steuerpolitische Standards die Kosten der neuen Wettbewerber innerhalb und außerhalb des europäischen Binnenmarkts zu erhöhen, ist durchsichtiges Ziel des größten Teils des „alten“ Europa.

Aber diese protektionistische Strategie umzusetzen, wird zunehmend politisch mühsam. In vielen neuen Mitgliedsländern ist die Erinnerung an „Moskau“ noch zu frisch, als daß Vorgaben aus „Brüssel“ ohne zweifaches Überdenken schlicht übernommen würden. An ordnungspolitische Regeln, die einer hayekianisch-kantianischen „Universalisierbarkeit“ entsprechen (Selbstbindung an gleiche staatliche Unterlassungspflichten, unabhängig von kurzfristigen politischen Privilegierungszwecken) indes sollte sich jedes aufgeklärte Gemeinwesen Europas, von der Türkei bis hin zur Schweiz, im eigenen langfristigen Interesse binden können. Und dies wohl eher als Vertragspartner in bilateralen Binnenmarktspartnerschaften denn als Vollmitglied in einer ordnungspolitisch verunsicherten Gemeinschaft.

Je größer und heterogener die politische Union, desto schädlicher die Anmaßung zentraler Lenkung und desto vorteilhafter eine gemeinsame Interessen schützende Ordnungspolitik. Hierin waren sich Erhard und Hayek einig. Sowohl für die Vollendung nach innen als für auch die Verbreitung nach außen einer europäischen Ordnungspolitik im Sinne von freiem Handel, unverfälschtem Wettbewerb, und stabilem Geld, braucht es auch „Brüssel“. Was es aber nicht braucht, und nicht mehr ohne enorme Verwerfungen innerhalb und außerhalb der Union zu haben sein wird, ist die Vision eines einheitlichen „Europäischen Sozialmodells“. Gerade die letzten Erweiterungen der Union sollten verhindern helfen, daß der eurosklerotische Wohlfahrtsstaat zur generellen Maxime erhoben und als „Festung Europa“ ausgebaut wird. Erhard und Hayek wären, vorerst, erleichtert.

9 Antworten auf „50 Jahre europäische Ordnungspolitik“

  1. „Nicht trotz, sondern wegen eines letztlich gewollten „Demokratiedefizits“ konnte die Kommission eine Marktöffnungspolitik und die Europäische Zentralbank eine Geldpolitik betreiben, die sich Europas nationale Regierungen und Parlamente (aber auch das Europaparlament) wohl nur sehr selten zugetraut hätten…
    Gleichzeitig sind ist aber gerade Kommission und EuGH der Versuchung ausgesetzt, sich Kompetenzen anzumaßen, die ordnungspolitischer Vernunft ermangelt.“

    Hier wird deutlich, dass der Autor keinerlei Begriff von „Freiheit“ hat – wie übrigens die meisten „Wirtschaftsliberalen“.

    Kann ein Haus frei sein (es kann allenfalls „frei stehen“, was etwas anderes ist)? Kann der Wind frei sein (jaja, „frei wie der Wind“)? Kann der Staat frei sein? Kann ein Hund frei sein?

    Alle Fragen muss mit „Nein“ beantwortet werden, denn zur Freiheit gehört wesentlich ein Wille, der geäußert werden kann („freier Wille“). Kann also die Wirtschaft frei sein? Selbstverständlich ist dies völlig unmöglich, lediglich die Wirtschaftssubjekte, so sie über einen Willen verfügen, können frei sein: also die Menschen.

    Um aber eine ominöse wirtschaftliche Freiheit durchzusetzen, will er notfalls Demokratie und Rechtstaatlichkeit einschränken. Geht man aber von den einzigen Subjekten aus, denen Freiheit oder nicht anheften kann, den Menschen, bedeutet dies: dass er ihnen Freiheit nehmen will, um etwas, das gar nicht frei sein kann, der Wirtschaft, Freiheit zu geben.

    Insgesamt erfolgt also nur eine Freiheitsbeschränkung ohne jegliche Freiheitserweiterung. Überhaupt: die „freien Wesen“ werden gar nicht gefragt, ob sie z.B. ihre demokratische gegen mehr wirtschaftliche Freiheit eintauschen wollen. Und wenn doch und sie sich anders – nämlich gegen mehr wirtschaftliche Freiheit – entscheiden, soll ihnen ihre demokratische Freiheit genommen werden.

    Fazit: Der Autor plädiert für eine unfreiere Welt sondern für das genaue Gegenteil und entpuppt sich damit als Anti-Liberaler.

  2. Lieber Herr Bell!

    > Kann also die Wirtschaft frei sein? Selbstverständlich ist dies völlig
    > unmöglich …
    > Hier wird deutlich, dass der Autor keinerlei Begriff von “Freiheit“ hat – wie
    > übrigens die meisten “Wirtschaftsliberalen“.

    Hier irren Sie, wenn Sie versuchen wirtschaftliche Freiheit von individueller Freiheit zu trennen. Sie stellen zwar richtig fest, dass es die „Wirtschaftssubjekte“ sind, also die Menschen, die frei sein können. Aber dass Sie ihre Regierung alle 4-5 Jahre wählen können, ist dabei nicht das Wesentliche.

    Zur persönlichen Freiheit gehört es, dass Sie über ihre Mittel und Möglichkeiten im Streben nach Glück frei verfügen können. Das kann bedeuten, dass Sie ein Unternehmen gründen, dass Sie gerne verreisen oder eine Familie gründen, ein Haus im Grünen bauen. Und zur persönlichen Freiheit gehört auch, dass Sie diese Mittel erwirtschaften dürfen (sprich: Geld zu verdienen).

    Egal, was Sie tun im Leben: Immer ist es verknüpft mit Wirtschaft, weil Sie fast immer jemanden bezahlen müssen, um etwas zu verwirklichen. Wenn Sie den Menschen die Möglichkeit nehmen, ein unabhängiges Einkommen zu erzielen, dann nehmen Sie den Menschen auch ihren Handlungsspielraum.

    Stellen Sie sich vor, Sie lebten in einem demokratischen Sozialismus. Alles, was produziert wird, und damit alles, was Sie konsumieren können, wird durch die Regierung gelenkt. Diese Regierung wird zwar alle 4 Jahre neu gewählt — aber wie können Sie jetzt noch Einfluss darauf nehmen, dass z.B. mehr Häuser im Grünen gebaut werden? Das Gewicht Ihrer Stimme ist gering und die Regierung kann nicht auf ein paar Sonderinteressen Rücksicht nehmen. Sie können aber nicht einfach hingehen und ein Haus kaufen, sondern das müssten Sie beantragen — schließlich gibt es keine Banken, weil es keine Privatvermögen gibt.

    Ich kann Ihnen nur empfehlen, einmal „Der Weg zur Knechtschaft“ von Friedrich Hayek zu lesen. Hier eine Kurzfassung: http://www.mises.org/TRTS.htm

    Grüße,
    Gernot Kieseritzky

  3. „Zur persönlichen Freiheit gehört es, dass Sie über ihre Mittel und Möglichkeiten im Streben nach Glück frei verfügen können. Das kann bedeuten, dass Sie ein Unternehmen gründen, dass Sie gerne verreisen oder eine Familie gründen, ein Haus im Grünen bauen. Und zur persönlichen Freiheit gehört auch, dass Sie diese Mittel erwirtschaften dürfen (sprich: Geld zu verdienen).“

    Das gehört AUCH dazu und das will ja auch niemand den Wirtschaftssubjekten nehmen (ok, bis auf ein paar verrückte Kommunisten vielleicht, aber die sind zum Glück unbedeutend). Es gehört aber eben AUCH zur Freiheit, dass sie sich frei entscheiden können (erstaunlich nicht wahr?). Und wenn sich die Individuen frei gegen Ordoliberalismus entscheiden, dann ist es eben kein Zeichen von Liberalität, wenn man den Ordoliberalismus gegen den Willen der Individuen durchsetzen will – sondern dies ist dann „der Weg zur Knechtschaft“.

    „Stellen Sie sich vor, Sie lebten in einem demokratischen Sozialismus.“

    Das können wir gerne woanders diskutieren. Gegenwärtig leben wir nicht im demokratischen Sozialismus. Dennoch ist aber der Autor bereit, die Demokratie abzuschaffen oder zumindest zu verringern, wenn diese dem Ordoliberalismus im Wege steht. Das ist der Kernpunkt der Diskussion.

    „Das Gewicht Ihrer Stimme ist gering“

    Naja, das wirtschaftliche Gewicht eines HartzIV-Empfängers ist auch nicht gerade hoch.

    Zu Ihrem Link nur kurz: An dem Comic ist vor allem witzig, dass Hayek ja auch ein solcher „Planer“ war, der eine Utopie in die Welt gesetzt hat. Daher wusste er IN DIESEM FALL ja worüber er schrieb: in diesem Comic werden Hayek und Mises sehr gut beschrieben – auch das Ende des Comics, „der Weg zur Knechtschaft“ ist sehr realistisch. Es ist ja kein Zufall, dass die Chicago Boys ihre Ideen zuerst in der Diktatur Pinochets versucht haben durchzusetzen.

  4. > Es ist ja kein Zufall, dass die Chicago Boys ihre Ideen zuerst in der
    > Diktatur Pinochets versucht haben durchzusetzen.

    Dass Milton Friedman Pinochet „beraten“ haben soll, worauf Sie wohl anspielen wollen, ist übrigens eher ein Produkt linker Legendenbildung:

    > For years, the University of Chicago had a program in partnership with
    > the Catholic University of Chile providing scholarships to Chileans to
    > study at Chicago. Pinochet’s economic advisers were thus University of
    > Chicago-trained, and known as the “Chicago Boys.“ But Friedman’s only
    > direct connection was when he was invited by fellow Chicago professor
    > Arnold Harberger–who was most closely involved with the Chilean
    > program–to give a week of lectures and public talks in Chile in 1975.

    http://www.reason.com/news/show/117278.html

    Aber, wer weiß, vielleicht könnte der Einfluss Friedmans die Ursache dafür sein, dass Chile heute eines der reichsten Länder Südamerikas ist. 😉

    Grüße,
    Gernot Kieseritzky

  5. Ich habe nicht von Friedman sondern von den „Chicago Boys“ geredet. Legen Sie mir also bitte nichts in den Mund, was ich nicht gesagt habe. Aber ich freue mich, dass Sie meine Angaben in vollem Umfang bestätigen. Denn es ist ja schon witzig zu sehen, dass Sie mir kein Gegenargument zu dem, was ich tatsächlich behauptet habe, entgegen halten sondern nur zu dem, was ich NICHT behauptet habe. Haben Sie wirklich nicht zu dem zu entgegnen, was ich gesagt habe?

    Aber wenn Sie schon den Punkt ansprechen:
    http://de.wikipedia.org/wiki/Chicago_Boys

    Aber sicherlich betreibt auch wikipedia linke Legendenbildung, nicht wahr?

    Zu Chile noch drei Punkte:
    – die Spanne zwischen Reich und Arm ist der Spitzenwert in ganz Lateinamerika,
    – der Putsch wurde vom CIA gesteuert,
    – dass es Chile zur Zeit so gut geht, liegt wesentlich am Kupferpreis. Venezuela z.B. geht es wirtschaftlich auch recht gut. Schreibst du dies Chavez zu oder doch eher dem derzeitigen Ölpreis?

    Aber lassen wir Chile. Ich werde mich an dieser Stelle hierzu nicht mehr äußern. Ist ja nicht wirklich das Thema des Ursprungsbeitrags.

  6. Laut Guy Kirsch, der an der schweizerischen Universität Fribourg lehrt, beträgt die „implizite“ deutsche Staatsverschuldung 275,7 % des Bruttosozialprodukts. Das ist die Summe aus der offiziellen Staatsverschuldung von 64,5% und den künftigen, ungedeckten Lasten aus Rentenversicherung, Krankenversiucherung usw. (Quelle: FAS vom 06.01.2008)

    Übrigens: laut Prof. Franz-Ulrich Willeke beliefen sich die Netto-Beiträge Deutschlands in der EU der 15 von 1995 bis 2003 (gemessen an den operationalen Zahlen) auf 76,711 Milliarden Euro. Das waren 53,6% aller Nettobeiträge in der EU. (Quelle: Franz-Ulrich Willeke, Tatsächliche und angemessene Netto-Beiträge – Die Europäische Union der 15 Mitgliedstaaten als Testfall, Jahrbuch für Wirtschaftswissenschaften, Band 58 (2007), Heft 2.)

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