Befreit die Freien Berufe!

Wenn man derzeit die Zeitung aufschlägt, beschleicht einen manchmal das Gefühl, Deutschland könne vor Kraft kaum mehr laufen. Nicht nur die Regierung belehrt ihre Amtskollegen in Europa, auch Gewerkschaftler, Arbeitgeberverbände und Think Tanks berichten vom Ansturm ausländischer Besucher und deren Informationsbedarf über das deutsche Wirtschaftswesen. Dabei wird leicht vergessen, was auch in unserem Land trotz der relativ guten Situation noch alles zu tun ist – glücklicherweise gibt es aber ausländische Journalisten, die uns daran erinnern.

So veröffentlichte die New York Times am 22. Februar einen Artikel, welcher über die hiesige Regulierung des Dienstleistungssektor berichtete: „In Germany, A Limp Domestic Economcy Stifled by Regulation“. Darin erfuhr man, dass die OECD das derzeit nicht-angezapfte Potentialwachstum in Deutschland ähnlich hoch wie in Italien und sogar höher als in Spanien einschätzte – nur eben nicht im Exportbereich, sondern bei den Dienstleistungen. Die Wochenzeitung „The Economist“ hatte zuvor in seiner Ausgabe vom 18. Februar ins gleiche Horn gestoßen und betitelte den deutschen Dienstleistungssektor als „Protected and inefficient“.

Leider fand dieses Thema – zumindest nach meinem persönlichen Medienkonsum zu urteilen – nur wenig Widerhall in der deutschen Debatte. Aber wir mussten ja auch ein neues Staatsoberhaupt wählen. Für die Entwicklung in unserem Land erscheint mir eine Liberalisierung des Dienstleistungssektors aber essentiell – nicht nur aufgrund des oben angesprochenen Wirtschaftswachstums, sondern auch als Schlüssel zur Reform der Sozialen Sicherungssysteme und dabei vor allem der Kranken- und Pflegeversicherung.

Denn gerade die Freien Berufstätigen des Gesundheitssektors wie Ärzte und Apotheker sind nur dem Namen nach frei. Tatsächlich handelt es sich um die mit am stärksten regulierten Berufsstände im Dienstleistungsbereich. Besonders absurd ist die Situation der Apotheker. Als Freier Beruf sind sie kammerpflichtig und somit schon in der Frage ihrer Vertretung unfrei. Doch mit der Kammerpflicht kommen natürlich auch einige Privilegien, nicht zuletzt die Möglichkeit sich in einem Versorgungswerk und nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu versichern.

Sobald aber die Apothekerin auch eine Apotheke führt, wird sie neben ihrem Status als Freiberuflerin auch als Gewerbebetreibende eingestuft und ist damit gewerbesteuerpflichtig – übrigens ganz im Gegensatz zum niedergelassenen Arzt. Wer jetzt aber meint, Apotheken wären ein richtiges Gewerbe, irrt wiederum. Denn zum einen dürfen Menschen ohne ein pharmazeutisches Studium keine Apotheken besitzen – wo kämen wir auch hin, wenn Betriebswirte jetzt auch zusätzlich zu Flugunternehmungen, Chemiekonzernen oder Automobilbauern Apotheken führen sollten! Wohlgemerkt: Es geht nicht um die Frage der Beratung des Kunden (die meist aber sowieso auch nur unter Aufsicht eines Apothekers durch die pharmazeutisch-technische Assistentin erfolgt), sondern um die Führung eines Gewerbebetriebs. Zum Zweiten können sich aber auch Betriebswirte mit pharmazeutischer Zusatzausbildung nicht wirklich freuen, gilt doch in Deutschland immer noch ein Mehrbesitzverbot (maximal 4 Betriebe) von Apotheken. Dieses Verbot wurde 2009 vom Europäischen Gerichtshof als rechtmäßig bestätigt und sogar von Deutschlands liberaler Partei FDP begrüßt (siehe hierzu Pressemeldung des heutigen Gesundheitsministers Daniel Bahr vom 19.05.2009).

Dabei wäre das Apothekenwesen prädestiniert, den Weg in mehr Wettbewerb im Gesundheitswesen aufzuzeigen und der Bevölkerung die Angst vor einem marktwirtschaftlichen Gesundheitswesen zu nehmen. Denn muss man bei einer notwendigen Deregulierung der niedergelassenen Ärzte immer gleich die kartellrechtliche Regelung der Krankenkassen mitdenken, dürfte die marktwirtschaftliche Lanzengleichheit zwischen Pharmaunternehmen, Krankenkassen, Großhändlern, Kunden und Apotheken(ketten) leichter zu erreichen sein. Auch die Furcht der mangelnden Versorgung in der Fläche kann den Status quo nicht begründen. Erstens haben wir keinerlei Versorgungsanspruch des ländlichen Raums auf Güter aller Art (auch Bäcker und Supermärkte sind in gewisser Weise bis 2.500 Kilokalorien pro Tag ja Gesundheitsdienstleister), und zweitens, sofern man eine gewisse Apothekendichte im ländlichen Raum haben möchte, ist dies Aufgabe der Gebietskörperschaft (und damit des Steuerzahlers) und nicht des Beitragszahlers zur Gesetzlichen Krankenversicherung. Will heißen: Schwach besiedelte Gebiete müssen sich ihre Apotheke eben etwas kosten lassen.

Kritiker solcher Liberalisierungen werden nun ins Feld führen, dass derartige Deregulierungen im Ausland nicht immer zu Kostensenkungen geführt haben. Das ist richtig, auch wenn der Teufel hier wie immer im Detail steckt. Ordnungsökonomen geht es aber bei solchen Liberalisierungsbemühungen in erster Linie nicht um Kostensenkungen, sondern um eine bessere Faktorallokation – die aber in den meisten, wenn auch nicht allen, Fällen auch zu Kostensenkungen führen dürfte.

5 Antworten auf „Befreit die Freien Berufe!“

  1. Herr Dr. Hagist hat sicherlich Recht, wenn er eine Liberalisierung der freien Berufe fordert. Allerdings folgt auf den Aufruf „Befreit die freien Berufe“ aus der Überschrift lediglich ein längst bekannter Kritikpunkt aus dem Bereich der Apothekenregulierung. Hier also nichts neues. Mehr Beispiele wären hilfreich, um seine Forderung zu untermauern. Insbesondere sind Liberalisierungen bei den niedergelassenen Ärzten und Rechtsanwälten interessante Punkte, die diskutiert werden sollten.

  2. Speziell zu nennen sind die Berufe der Wirtschaftsprüfer und Steuerberater.

    Die WP-und StB-Kammern regeln den Zugang zum Beruf so, das die hohen Einkommen ihrer Mitglieder erhalten werden, faktisch halten sie Bewerbe, gleich Konkurrenten, solange wie möglich von diesem Berufsbild fern.
    – Ein unter wissenschaftliches Ansprüchen kaum haltbares Berufsexamen,
    – eine Wartefrist bis zur Anmeldung zum Examen, obwohl alle anderen akademischen Ausbildungen als“berufsqualifizierend“ angesehen werden.

    Hier hat sich die ständestaaatliche NS-Wirtschaftsordnung bis in die „Soziale Marktwirtschaft“ hinüber retten können – ein massiver Kritikpunkt an dieser Konzeption.

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