Eine Prämie für Olympiasieger!

Kaum sind die Olympischen Spiele beendet, diskutiert man in Deutschland über das Abschneiden der eigenen Sportler: Im Medaillenranking wurde, hinter Südkorea, nur Platz sechs erzielt. Auf den vorderen Plätzen hingegen sind die USA (1), China (2) sowie das Vereinigte Königreich (3) zu finden. Sind 11 Goldmedaillen (insgesamt waren es 44 Medaillen für Deutschland), die bei den diesjährigen Spielen auf 392 angetretene Athleten kamen, also zu wenig als Gegenleistung für die staatliche Sportförderung?

Natürlich läßt sich diese Frage nicht einfach beantworten, zumal hier ein starker normativer Aspekt mitschwingt. Tatsache ist jedoch, daß die Sportförderung einen Einfluß auf die Leistung der Athleten hat. Obwohl gute Gründe gegen eine staatliche Förderung des Spitzensports sprechen, soll in diesem Beitrag nicht noch einmal diese Problematik diskutiert werden (mehr dazu siehe Post Geld für Goldmedaillen).

In der deutschen Sportförderung agieren unterschiedliche Träger, die eine Vielzahl von Instrumenten einsetzen, ohne daß eine zentrale Koordination stattfindet (Langer 2006; Eckl & Wetterich 2006). So gibt der Bund teilweise Ressourcen über die Bundeswehr oder die Bundespolizei direkt an die Athleten weiter, während die Mittel des Bundesinnenministeriums (ca. 220 Millionen EUR im Haushaltsjahr 2009) in Form einer indirekten Sportförderung an die Sportverbände ausgereicht werden. Die Bundesländer und die Kommunen fördern meist den Bau von Sportanlagen oder regionale Vereine; ihre Sportförderung ist demzufolge weitgehend indirekt ausgestaltet. Insgesamt zeichnet sich das bundesdeutsche Förderungssystem durch eine Dominanz der indirekten Förderung aus.

Flankiert wird die staatliche Sportförderung durch die Stiftung Deutsche Sporthilfe, die sich mit Unternehmensspenden und Einnahmen der Glücksspirale finanziert. Sie unterstützt etwa 3.800 Athleten mit monatlichen Zahlungen direkt. In den Genuß der Unterstützung kommen dabei Sportler, die einem Bundeskader eines Spitzenverbandes angehören und entsprechende Leistungen bei internationalen Wettbewerben vorweisen können.

Damit kann folgendes festgestellt werden: Die Sportförderung der Bundesrepublik ist weitgehend institutionell ausgerichtet, d. h., es werden in erster Linie die Rahmenbedingungen finanziert. Das Ziel, möglichst viele Erfolge deutscher Sportler in internationalen Wettbewerben zu generieren, wird also indirekt angesteuert; es entstehen also erhebliche Streuverluste bei den eingesetzten Mitteln. Etwas kompensiert werden diese Streuverluste zum einen durch die leistungsorientierte Ausrichtung der Deutschen Sporthilfe und zum anderen durch eine Art monitored competition zwischen den Sportverbänden, der dadurch geschaffen wird, daß die vorhandenen Mittel bevorzugt den Sportverbänden zugute kommen, die bei internationalen Wettbewerben erfolgreich abschneiden, und Förderungen bei Verbänden gekürzt werden, die weniger erfolgreich sind. Gleichwohl hat ein derartiger Zuweisungsmechanismus den Nachteil, darauf zu basieren, daß sich Erfolge der Vergangenheit in der Zukunft fortsetzen, was ja bekanntlich nicht zwangsläufig zutrifft.

Eine optimale Allokation der staatlichen Mittel (also ein Maximum sportlichen Erfolgs bei gegebenem staatlichen Förderungsbudget) würde im neoklassischen Verständnis vielmehr dann erreicht, wenn die Mittel nach dem Grenznutzenprinzip verteilt würden. Es müßten also die verschiedenen Sportverbände jeweils soviel Mittel erhalten, bis der Grenznutzen (also die durch eine marginale Erhöhung der finanziellen Mittel zusätzlich gewonnenen Medaillen) bei allen empfangenden Verbänden gleich ist.

Dies offenbart aber sofort das staatliche Planungsdilemma: So sind weder die „Produktionsfunktionen“ der einzelnen Verbände, also im Prinzip der Zusammenhang zwischen eingesetzten Ressourcen und erreichter sportlicher Leistung, bekannt, noch ist offenkundig, ob die entsprechenden Verbände auch die optimale Produktionsfunktion verwenden – eher das Gegenteil scheint der Fall zu sein (siehe Emrich 2006). Darüber hinaus verfügt man nicht über die entsprechenden Informationen hinsichtlich der Ressourcenallokation und der Produktionsfunktionen der konkurrierenden ausländischen Verbände.

Das aufgezeigte Optimierungsproblem ist ein Problem, für dessen Lösung sich Wettbewerb im Sinne eines Such- und Entdeckungsverfahrens (Hayek, 1969) bestens eignet. Durch Wettbewerb wird das verstreut liegende Wissen – hier etwa in Form von neuartigen Trainingsmethoden etc. – genutzt und weiter entwickelt (Hayek, 1976a; 1976b). So bilden die Akteure Hypothesen über die von der Gegenseite erwarteten Leistungen sowie über die vermeintlichen Reaktionen der Konkurrenten. Diese Hypothesen sind wiederum Grundlage der Handlungen, die nun über Erfolg oder Mißerfolg rückgekoppelt werden. So lösen Mißerfolge Suchprozesse aus, um bessere Leistungen zu erzielen usw.

Was bedeutet diese abstrakte Vorstellung des Wettbewerbs für die Sportförderung?

Nimmt man das Ziel, durch die Sportförderung sollte der Erfolg deutscher Athleten bei internationalen Wettbewerben verbessert werden, als gegeben und als nicht zu diskutieren an, dann muß der Wettbewerb durch ein Anreizsystem entsprechend kanalisiert werden. Ein derartiges Anreizsystem sollte ausschließlich den Erfolg entlohnen und nicht die Institutionen fördern. Mit anderen Worten: Ein derartiges Anreizsystem würde darin bestehen, eine Prämie für jede erzielte Medaille auszuloben (vgl. Emrich 2012; Post „Geld für Goldmedaillen“).

Was wären die Folgen einer derartigen Umgestaltung der Sportförderung für den Spitzensport?

Wir wollen uns bei unseren Betrachtungen knapp auf die Ausbildung von potentiellen Talenten beschränken: Auf der einen Seite dürfte die Ausbildung von sportlichen Talenten stärker als bisher als Investition begriffen werden. Da sich die wenigsten Nachwuchstalente selbst finanzieren können und auch oftmals die Eltern für diese Rolle ausfallen, würden Sponsorenpools auftreten, die der vereinsbasierten Nachwuchsförderung verstärkt Konkurrenz machen dürften. Diese Sponsorenpools würden erfolgversprechenden Sportlern die Ausbildung finanzieren und dafür einen Anteil an späteren Preisgeldern erwarten. Das Modell der TOSA Tennistalentförderung GmbH, die die Ausbildung von Tommy Haas in Nick Bollettieris Tennis Akademie finanzierte und dafür an der späteren Vereinnahmung der Preisgelder beteiligt wurde, könnte ein Beispiel dafür sein.

Auf der anderen Seite dürfte sich die Rolle der Ausbildungsstätten ebenfalls verändern. Neben der Ausbildung durch den Verein dürften verstärkt Ausbildungsstätten Platz greifen, die für die Ausbildung finanzielle Mittel erwarten würden. Der dadurch initiierte Wettbewerb würde zudem einen Anreiz setzen, stets neueste Trainingsmethoden einzusetzen, um sich von der Konkurrenz erfolgreich abzuheben.

Ein derartiges staatliches Förderungssystem würde also zu einer besseren Nutzung der eingesetzten öffentlichen Mittel führen, da eben auch nur dann Steuergelder flössen, wenn die entsprechende Leistung erbracht würde. Das Risiko würde somit vom staatlichen Finanzier, bei dem es in großen Teilen jetzt liegt, auf die Produzenten der sportlichen Leistung überwälzt. Freilich würde ein derartiger Anreizmechanismus erhebliche Veränderungen des gegenwärtigen Sportsystems bewirken, die nicht bei allen Seiten auf Zustimmung treffen dürften, und bestimmte, mitunter lieb gewonnene Traditionen beiseite fegen würden.

 

Literatur

Eckl, Stefan & Wetterich, Jörg (2006): Kommunale Sportförderung in Deutschland, in: Eckl, Stefan; Wetterich, Jörg (Hrsg.): Sportförderung und Sportpolitik in der Kommune, Münster et al., S. 15 – 112.

Emrich, E. (2006), Zur Effektivität bundesdeutscher Nachwuchsleistungssportförderung, in: Thöni, E. et al., Effektivität und Effizienz öffentlicher Sportförderung, Schorndorf, S. 155 – 170.

Emrich, E. (2012), Warum nicht 200.000 Euro für einen Olympiasieg?, FAZ vom 09.08.2012.

Hayek, F. A. v. (1969). Der Wettbewerb als Entdeckungsverfahren, in: Hayek, F. A. v. (Hrsg.), Freiburger Studien, Tübingen, S. 249 – 265.

Hayek, F. A. v. (1976a). Wirtschaftstheorie und Wissen, in: Hayek, F. A. v. (Hrsg.), Individualismus und wirtschaftliche Ordnung, 2. Aufl., Salzburg, S. 49 – 77.

Hayek, F. A. v. (1976b). Die Verwertung von Wissen in der Gesellschaft, in: Hayek, F. A. v. (Hrsg.), Individualismus und wirtschaftliche Ordnung, 2. Aufl., Salzburg, S. 103 – 121.

Langer, Mathias (2006): Öffentliche Förderung des Sports. Eine ordnungspolitische Analyse, Tübingen.

Frank Daumann

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert