Deutscher Außenhandel spürt die Staatsschuldenkrise

Die Staatsschuldenkrise in einer Reihe europäischer Länder hat die deutsche Wirtschaft erreicht. Der Gedanke, das Wirtschaftsleben der größten europäischen Volkswirtschaft könne sich gegen die Verwerfungen in den Staats- und Bankenbilanzen immunisieren, war von vornherein abwegig. Während der Konsum nach wie vor die deutsche Wirtschaft antreibt, zeigen sich vor allem bei der Investitionstätigkeit im Inland und teilweise auch beim deutschen Außenhandel merkliche Schleifspuren.

Insgesamt betrachtet ist zwar der deutschen Außenhandel bislang vergleichsweise gut über die Runden gekommen (siehe folgende Abbildung): Die Ausfuhren von Waren, auf die gut 85 Prozent der deutschen Exporte entfallen, legten in den ersten beiden Quartalen 2012 jeweils gegenüber dem Vorquartal deutlich zu. Seit dem zweiten Quartal 2009 zeigt sich ein fast ununterbrochener Aufwärtstrend und bereits im vierten Quartal 2010 wurden die Einbrüche infolge der globalen Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise wieder ausgeglichen.

Wareneinfauhren und Warenausfuhren
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Werden die Warenausfuhren (auf Basis der Zahlungsbilanzstatistik) vom Vorjahr als Bezugsgröße genommen, dann ergibt sich für die ersten sieben Monate dieses Jahres ein Plus in Höhe von 5,4 Prozent. Sicherlich fallen die Zuwächse nunmehr geringer aus als in den Jahren 2010 (18,5 Prozent) und 2011 (11,4 Prozent). Dabei muss allerdings auch bedacht werden, dass diese beiden Jahre von den Erholungseffekten nach dem Exporteinbruch des Jahres 2009 geprägt waren. Da die nominalen Importe in den ersten sieben Monaten 2012 mit einem schwächeren Tempo zulegten und die Importbilanz der ersten sieben Monate 2012 im Vorjahresvergleich mit einem Plus in Höhe von 2,3 Prozent schwächer ausfiel als bei den Exporten, konnte der Außenbeitrag zuletzt deutlich zulegen. Damit war bislang die Außenwirtschaft entgegen früheren Erwartungen für das Jahr 2012 auch weiterhin ein Garant für das gesamtwirtschaftliche Wachstum.

Die Staatsschuldenkrise hat sich aber nur auf den ersten Blick nicht negativ auf den deutschen Außenhandel und auf das Wirtschaftswachstum hierzulande ausgewirkt (folgende Tabelle): Beim Blick auf den nominalen Warenhandel (auf Basis der Zahlungsbilanzstatistik) ergab sich für die ersten sieben Monate 2012 der bereits angesprochene Zuwachs gegenüber dem Vorjahr in Höhe von 5,4 Prozent. Dieses Plus speiste sich allerdings in erster Linie aus der guten Ausfuhrtätigkeit in die Länder außerhalb des Euroraums. So wurde mit den Ländern Asiens ein Zuwachs von mehr als 10 Prozent erwirtschaftet. Die Warenausfuhren in die USA stiegen sogar um gut 20 Prozent an. Auch mit den europäischen Ländern, die nicht zum Euroraum gehören, konnten insgesamt leicht überdurchschnittliche Zuwächse verbucht werden. Auf diese Länder entfallen mittlerweile über 30 Prozent der deutschen Warenausfuhren. Dagegen gingen die deutschen Ausfuhren in die Länder des Euroraums in den ersten sieben Monaten des Jahres 2012 gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum um 0,7 Prozent zurück. Die rückläufigen Wirtschaftsaktivitäten in einer Reihe europäischer Länder haben sich also bereits negativ in der deutschen Exportbilanz niedergeschlagen.

Warenhandel
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Die Auftragseingänge der deutschen Industrie aus dem Ausland haben diese Entwicklung angedeutet (folgende Abbildung): Während die Auslandsaufträge aus den Ländern, die nicht zum Euroraum gehören, von Herbst 2011 bis Frühjahr 2012 merklich anstiegen, war bei den Bestellungen der Länder des Euroraums von Jahresmitte 2011 bis Frühjahr 2012 ein durchgehender und vor allem kräftiger Rückgang zu beobachten. Die aktuellen Werte geben Hinweise auf eine Stabilisierung auf einem niedrigen Niveau mit Blick auf den Euroraum. Zudem signalisieren die Auftragseingänge aber auch, dass sich die Dynamik, die bislang aus den Ländern außerhalb des Euroraums kam, zunächst nicht weiter fortgesetzt hat. Die Auftragsentwicklung lässt somit für den deutschen Außenhandel keine weitere Dynamik erkennen. Die bisher zu beobachtenden ausgleichenden Effekte durch den Handel mit Ländern außerhalb Europas sind demnach erst einmal nicht mehr zu sehen.

Auftragseingänge
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Welche kurz- bis mittelfristigen Erwartungen können an den deutschen Außenhandel gestellt werden? Die Konjunkturforscher gehen mehrheitlich davon aus, dass im kommenden Jahr die Weltkonjunktur wieder etwas an Tempo zulegen wird. Dies wird den deutschen Außenhandel dann auch auf Wachstumskurs halten, aber zunächst mit einem deutlich abgeschwächten Expansionstempo. Beim Welthandel dürften auch weiterhin – trotz der Auftragsentwicklung am aktuellen Rand – die stärksten Außenhandelsimpulse aus den aufstrebenden Volkswirtschaften kommen. Die Investitionstätigkeit in diesen Ländern wurde im Gegensatz zur Finanzmarktkrise des Jahres 2008 nicht in Mitleidenschaft gezogen. Vor vier Jahren sorgte die Bankenkrise für eine hohe Verunsicherung bei der Finanzierung von Sachinvestitionen in vielen Ländern. Dies ist gegenwärtig nicht der Fall. Damit wird auch der globale Investitionszyklus, der in starker Weise von den aufstrebenden Volkswirtschaften getragen wird, nicht in dem damaligen Ausmaß beeinträchtigt. Allerdings werden die weiterhin von den Konsolidierungen geprägten Länder des Euroraums die deutsche Exportwirtschaft nur in einem sehr begrenzten Umfang begünstigen.

Wechselkurs
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Mit Blick auf die Entwicklung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Exportwirtschaft gibt es ein gemischtes Bild:

  • Zum einen hat die Entwicklung der Wechselkurse die Exporttätigkeit der deutschen Wirtschaft in letzter Zeit auf breiter Front begünstigt. Gegenüber den meisten Währungen, die in Abbildung 3 aufgeführt sind, hat der Euro im Jahresverlauf 2012 deutlich an Wert verloren. Gegenüber den Währungen von Kanada, USA, Hongkong, Singapur, Japan, Australien und China hat der Euro im Vergleich August 2012 mit dem Jahresdurchschnitt 2011 um deutlich mehr als 10 Prozent abgewertet. Lediglich gegenüber dem brasilianischen Real, der indischen Rupie, der tschechischen Krone und dem südafrikanischen Rand waren Aufwertungen zu verzeichnen. Offensichtlich haben die Unsicherheiten im Gefolge der Staatsschuldenkrisen in einer Reihe von Ländern des Euroraums diese Bewegungen im globalen Währungsgefüge ausgelöst. Es darf dabei auch nicht übersehen werden, dass einige Länder – wie zum Beispiel die Schweiz – ihre Währung an den Euro gekettet haben.
  • Zum anderen sind die Lohnstückkosten der deutschen Industrie wieder kräftig angestiegen. Im ersten Halbjahr 2012 lagen sie um 3,5 Prozent über dem entsprechenden Vorjahreswert – und um fast 10 Prozent über dem Wert des ersten Halbjahres 2008. In den letzten Jahren waren die Lohnstückkosten zunächst heftig angestiegen und dann auch wieder deutlich gesunken: Im Jahr 2009 lagen die Lohnstückkosten der Industrie um mehr als 20 Prozent über dem Vorjahreswert. Dies war die Folge der nahezu stabilen Beschäftigung bei gleichzeitig stark einbrechender Produktion. In den Jahren 2010 und 2011 konnte dieses Kostenhandikap fast, aber nicht ganz beseitigt werden. Der erneute Anstieg belastet nun die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Exportwirtschaft – in einem von einer schwächeren Nachfrage geprägten Umfeld.

2 Antworten auf „Deutscher Außenhandel spürt die Staatsschuldenkrise“

  1. Lieber Herr Grömling, sehr gute Analyse. Tatsächlich wird aus dem Euroraum keine dynamische Entwicklung der Exportnachfrage zu erwarten sein. Auch die USA und China zeigen bislang keine Anzeichen für einen Wachstumsschub. Auch IWF und WTO haben zuletzt ihre Prognosen für das Wachstum des Welthandels reduziert. Erstaunlich dabei ist, dass Deutschland seinen Anteil am Welthandel – entgegen dem Trend der restlichen Industrieländer – weiter ausgebaut haben dürfte.

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