Die deutsche Wirtschaft bewegt sich im Winter 2012/2013 am Rande der Stagnation. Für das Jahr 2013 wird mehrheitlich ein Wirtschaftswachstum von unter 1 Prozent erwartet. Und dabei ist unterstellt, dass es zu keiner Eskalation der Staatsschuldenkrise in Europa kommen wird. Gleichwohl wird auch ohne eine Verschärfung der politischen Vertrauenskrise der deutsche Außenhandel abgebremst. Der Anteil der Firmen, die im kommenden Jahr von steigenden Exporten ausgeht, hält sich mit rund 20 Prozent die Waage mit denjenigen Betrieben, die einen Ausfuhrrückgang sehen (Abbildung 1). Bei den Produktionserwartungen dominieren die pessimistisch gestimmten Unternehmen (28 Prozent) um 4 Prozentpunkte über jenen, die im Jahr 2013 ein Produktionsplus erwarten. Die Unternehmen halten sich vor diesem Hintergrund bei ihren Personalplanungen und bei der Investitionstätigkeit im Inland merklich zurück. Nur noch 23 Prozent der deutschen Unternehmen planen im Jahr 2013 mit höheren Investitionen und nur noch ein Fünftel geht von einer höheren Mitarbeiterzahl aus. Dagegen planen 28 Prozent der Unternehmen Einschnitte bei Investitionen und Beschäftigung. Das sind zentrale Ergebnisse der Herbstumfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln.
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Die Unternehmen wurden auch gefragt, ob ihre gegenwärtige Investitionstätigkeit im Inland in unmittelbarer Weise durch die Staatsschuldenkrise beeinträchtigt wird. Von den insgesamt gut 2.300 Unternehmen, die auswertbare Antworten zur Verfügung gestellt haben, gingen 98 Prozent auf diese Zusatzfrage ein. Gut 31 Prozent dieser Unternehmen sehen ihre Investitionsneigung durch die Staatsschuldenkrise negativ beeinflusst. Fast zwei Drittel der Firmen sehen keinen Einfluss auf ihre Investitionsabsichten. Immerhin knapp 3 Prozent gehen sogar von positiven Investitionseffekten infolge der Staatsschuldenkrise aus. Schließlich wurden die Unternehmen, deren Investitionsneigung durch die Staatsschuldenkrise beeinträchtigt wird, nach den Gründen gefragt (Abbildung 2).
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1. Finanzierungsschock: Banken- und Staatsschuldenkrise gehen Hand in Hand. Erst im Gefolge der Finanzmarktkrise, die in den USA im Sommer 2007 startete, kamen ab dem Jahr 2009 die Staatschulden in einer Reihe von Ländern richtig auf den Prüfstand. Die Staatsschulden waren zwar auch vor der Finanzmarktkrise jenseits der tolerierbaren Schwellen – sofern solche überhaupt Sinn machen. Die Konjunkturpakete und Rettungsmaßnahmen für Banken hatten dann aber die staatliche Schuldenspirale in vielen Fällen merklich angedreht. Jetzt, nachdem die Staatsschulden das bestimmende wirtschaftspolitische Thema sind, wird in die Gegenrichtung geschaut – die Staatsschulden bringen nun wieder die Banken ins Wanken. Vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Gemengelage aus Staatsschulden- und Bankenkrise liegt es nahe, die Unternehmen danach zu fragen, ob sie deshalb mit einer Beeinträchtigung ihrer Investitionsfinanzierung rechnen. Der Anteil der Unternehmen, die sich infolge der Staatsschuldenkrise und dabei insbesondere durch schlechtere Finanzierungsbedingungen in einer negativen Weise bei ihren Investitionsentscheidungen beeinflusst sehen, ist in Deutschland allerdings überschaubar. Nur gut ein Viertel der Unternehmen beklagt eine schwieriger werdende Eigenfinanzierung infolge der Staatsschuldenprobleme. Der Anteil der Firmen, die geringere Ertragserwartungen hegen, liegt bei 29 Prozent. Schwächere Investitionen wegen einer eingeschränkten Kreditvergabe („credit crunch“) sieht nur knapp ein Viertel der Unternehmen. Für die Hälfte der Firmen, die sich von der Staatsschuldenkrise in ihrer Investitionsneigung beeinträchtigt sehen, stellt hingegen eine eingeschränkte Kreditvergabe überhaupt kein Problem dar. Belastungen bei der Investitionstätigkeit infolge höherer Kreditkosten erwarten gerade einmal 15 Prozent der Betriebe.
2. Nachfrageschock: Die Weltkonjunktur hat als Folge der Rezession im Euroraum deutlich an Tempo eingebüßt. Die Wirtschaftsleistung wird im Euroraum im Jahr 2012 um rund ½ Prozent zurückgehen. Im Jahr 2013 ist im besten Fall eine Nullrunde zu erwarten. Am stärksten wird die Investitionstätigkeit der Unternehmen in Deutschland durch die unsichere Absatzlage im Euroraum und in Deutschland beeinträchtigt. 56 Prozent der Firmen halten sich mit ihren Investitionen im Inland zurück, weil ihre Geschäfte mit Kunden aus dem Euroraum schwächer ausfallen. Fast die Hälfte der Unternehmen nennt eine schwächere konjunkturelle Gangart in Deutschland als ein Investitionshemmnis. Dagegen bewerten nur 18 Prozent der Unternehmen eine unsichere Absatzlage außerhalb der Mitgliedsländer der Europäischen Währungsunion als schädlich für ihre Investitionen. Dieser Wert muss sicherlich dadurch relativiert werden, dass möglicherweise ein Großteil der insgesamt von negativen Investitionseffekten ausgehenden Unternehmen keine nennenswerten Handelskontakte mit Ländern außerhalb des Euroraums hat.
3. Politikschock: Auch die im Gefolge der Staatsschuldenkrise aufkommende politische Unsicherheit legt sich wie Mehltau auf die Investitionspläne. 45 Prozent der Unternehmen mit negativen Investitionsauswirkungen begründet diese mit einem unklaren Kurs der wirtschaftspolitischen Entscheidungsträger in Deutschland. Offensichtlich ist das politische Krisenmanagement in Deutschland und in der Europäischen Union nicht vertrauensfördernd und trägt dazu bei, Unternehmen eher von langfristig wirksamen Investitionsentscheidungen abzuhalten. Ebenso häufig wird die generelle Unsicherheit über die Stabilität der Europäischen Währungsunion genannt. Ein großer Teil der Unternehmen ist unschlüssig, ob diese Institution in ihrer jetzigen Ausgestaltung langfristig Bestand haben wird. In diesem Zusammenhang äußert auch ein Drittel der Unternehmen, dass ihre Investitionstätigkeit beeinträchtigt wird, weil sie von einer höheren Inflation in Deutschland in absehbarer Zukunft ausgehen.
Es überrascht nicht, dass die möglicherweise anhaltende schwache Konjunktur im Euroraum die Kapitalbildung im Inland zunächst einmal beeinträchtigt. Bedenklich ist, wie hoch offensichtlich die politische Unsicherheit als Folge der Staatsschuldenkrise durch die Unternehmen eingeschätzt wird und wie stark sich dies wiederum in der Investitionsneigung niederschlägt. Die Unternehmen in Deutschland bringen klar zum Ausdruck, dass die vorherrschende Unsicherheit über die politische Gangart die wirtschaftliche Unsicherheit verstärkt. Unternehmen manövrieren sich in einem solchen Umfeld in eine Abwartehaltung. Die wirtschaftspolitischen Entscheidungsträger müssen diese Spirale der Verunsicherung stoppen. Das politische Fundament der Europäischen Währungsunion muss untermauert werden. Dazu gehört ein klares Bekenntnis aller Mitgliedsländer zur gemeinsamen Währung und der diese tragenden Institutionen und Verträge. Es müssen aber auch Grenzen aufgezeigt werden. Viele Menschen in Europa haben gerade davor Angst, dass Aufgaben und Zuständigkeiten in Europa nicht mehr klar genug definiert sind.
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Eine Antwort auf „Politische Unsicherheit bremst Investitionen“