Rita ärgert sich. Sie hat endlich ein wenig Geld zusammengespart und möchte dieses anlegen, und nun bietet ihr die Hausbank gerade einmal 1,0 Prozent Zinsen an. Da kommt es ihr gerade recht, dass ihr der Prospekt einer anderen Bank ins Haus flattert. Diese Bank bietet ihr insgesamt 0,75 Prozent Zinsen an plus einen „Glückszins“: Jeden Monat errechnet sich dieser nach den beiden Endziffern des Gewinnerloses einer großen monatlichen Lotterie. Für die Endziffern 00 bis 80 gibt es – gestaffelt nach Endziffern – im Durchschnitt 0,17 Prozent. Sofern die Endziffern zwischen 81 und 99 liegen, erhält der Sparer stattliche 0,6 Prozent Glückszins. Rita studiert weiter den Prospekt und kann dort nachlesen, dass „mit etwas Glück“ also 0,75 Prozent plus 0,6 Prozent = 1,35 Prozent Zinsen möglich sind. Das klingt doch deutlich verlockender als die 1,0 Prozent festen Zinsen bei ihrer Hausbank.
Allerdings hat Rita eine clevere Nichte, Tina, die ihre Tante darauf aufmerksam macht, dass der Höchstzins von 1,35 Prozent ja nicht zugesichert sei, sondern vom Glück abhänge. Also machen sich beide daran, die Wahrscheinlichkeit dafür auszurechnen, dass zwölf Monate hintereinander die Endziffern 81 bis 99 beim Gewinnerlos der monatlichen Lotterie gezogen werden und Rita somit insgesamt 1,35 Prozent Zinsen erhielte. Jeden Monat beträgt die Wahrscheinlichkeit hierfür 19/100. Soll dieses Ereignis 12 Mal eintreten, so liegt die Wahrscheinlichkeit bei (19/100)^12 = 0,00000000022, was schwer zu interpretieren ist, und so rechnen sie es kurz als „1 zu 451 Mio.“ um. Tina und Rita erinnern sich an eine Kolumne, die sie vor einiger Zeit gelesen haben. Darin hatte es geheißen, dass ein Sechser im Lotto mit der Wahrscheinlichkeit „1 zu 14 Mio.“ eintreten würde, das heißt es wäre 30 Mal wahrscheinlicher, einen Lottogewinn zu erzielen als den vollen „Glückszins“ zu erhalten. Und ein genaues Nachrechnen zeigt Tina und Rita, dass beim Glückszins im Mittel gerade einmal 0,255 Prozent Zinsen über ein Jahr zu erwarten sind und somit die Hausbank eigentlich gleiche Konditionen bietet.
Rita begreift, dass die vermeintlichen 1,35 Prozent Zinsen dann wohl doch eher ein Lockangebot sind und denkt nun darüber nach, das Geld ganz anders anzulegen und ihrer Nichte eine schöne Weltreise zu spendieren. Und wenn ein Leser den Kopf über das vermeintliche Angebot der Bank schüttelt, so mag er vielleicht an diese Kolumne denken, wenn er es in nächster Zeit beworben sieht.
Hinweis:
Diese Kolumne erschien am 6. April 2013 im „Schleswig-Holstein Journal“, der Wochenendbeilage der Tageszeitungen im sh:z
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