Gastbeitrag:
Wider sinnlosen Umweltschutz: Der Papst lehnt einen „Eigenwert“ der Natur ab

Papst Benedikt XVI. hat sein drittes Rundschreiben – eine Enzyklika –  vorgelegt. Es ist die lange erwartete „Sozial-Enzyklika“, deren Erscheinen wegen der Finanzkrise immer wieder verzögert wurde. Herausgekommen ist ein schwer lesbares Werk, das aber einige bemerkenswerte Highlights enthält, die bislang öffentlich kaum diskutiert wurden.

Gewiss sollte man nicht jedes Wort der Enzyklika auf die öffentliche Goldwaage legen, denn der Text ist ja als „Lehrbrief“ auch nicht vornehmlich nach außen, sondern  –  wie z. B. auch die Denkschriften der Evangelischen Kirche in Deutschland  –  in die Kirche hinein gerichtet. Nur so kann man z. B. die „pflichtgemäß“ eingestreuten Ausführungen zur Geburtenkontrolle und Empfängnisverhütung, die nicht zum Thema gehören, verstehen. Für die gesellschaftspolitische Stoßkraft der Enzyklika ist die Vielzahl der Gedankengänge und Vorschläge  sicherlich nicht hilfreich. Aber für weiterführende Diskussionen ist die dritte Enzyklika des Ratzinger-Pontifikats sicherlich sehr nützlich.

Viele Details

In der deutschsprachigen Version der bislang nicht auf lateinisch vorliegenden Sozialenzyklika des Römischen Bischofs Benedikt XVI. steht in der Einleitung der bemerkenswerte Satz „Die Wahrheit muss in der »Ökonomie« der Liebe gesucht, gefunden und ausgedrückt werden“. Um ehrlich zu sein: als theologischer Laie habe ich den Satz nicht verstanden. Immerhin hilft die englische Version dem theologischen Laien weiter: dort steht etwas von der „economy of charity“ geschrieben, also der „Ökonomie der Barmherzigkeit“. Damit kann man als Nicht-Theologe schon eher etwas anfangen.   Freilich stellt man sich aber schon die Frage: ob Professor Ratzinger wohl die deutsche Version seiner Enzyklika gelesen hat?

Die größte Schwäche des Textes ist sicherlich, dass keineswegs nur etwas zu sozialen Fragen gesagt wird. Auch ein  Papst hat offenkundig Ghostwriter, denen jeweils ganz bestimmte Sachprobleme persönlich wichtig sind und die sie in einer Enzyklika „unterbringen“ wollen. Einer der Autoren soll sogar in Kirchhundern im Sauerland geboren sein. Da unterscheidet sich das Papstwort kaum von der Entstehung und der inneren Vielfalt von EKD-Texten.

Aber die Pluralität in der katholischen Kirche hat engere Grenzen als die der EKD und so findet man beim Papst z. B. ein klares Bekenntnis zur positiven Bedeutung der Gewerkschaften. So etwas schafft die ausbalancierte evangelische Kirche nicht mehr!  Wörtlich heisst es: „Der Vorschlag seitens der Soziallehre der Kirche … Arbeitnehmervereinigungen zur Verteidigung der eigenen Rechte ins Leben zu rufen, sollte darum heute noch mehr nachgekommen werden als früher, indem man vor allem eine sofortige und weitblickende Antwort auf die Dringlichkeit gibt, neue Formen des Zusammenwirkens nicht nur auf lokaler, sondern auch auf internationaler Ebene einzuführen“. Und der Turbo-Kapitalismus wird  unmissverständlich gegeißelt: „Wenn je-doch die Unsicherheit bezüglich der Arbeitsbedingungen infolge von Prozessen der Mobilität und der Deregulierung um sich greift, bilden sich Formen psychologischer Instabilität aus, Schwierigkeiten, eigene konsequente Lebensplanungen zu entwickeln, auch im Hinblick auf die Ehe. In der Folge ergeben sich Situationen nicht nur sozialer Kräftevergeudung, sondern auch menschlichen Niedergangs“.

Derartige Highlights sind freilich gut versteckt. Man muss sich in der Sozialenzyklika durch eine Unzahl von Details hindurch lesen: vom sanften Tourismus, über die „neue Macht der Konsumenten“, eine Agrarreform in den Entwicklungsländern und die Verurteilung von Sextourismus bis hin zur Bedeutung der Erbsünde für die Wirtschaftskrise und gierige  Finanzmakler.

Die Forderung nach einer Art „echten politischen Weltautorität“ ist nicht besonders überzeugend.  Sie liest sich gut, aber sie ist politisch naiv. Der Kirchen-Linke Friedhelm Hengsbach hat recht: es geht in der aktuellen Situation eher darum, ein globales Regieren gerade ohne eine solche Weltautorität herzustellen.  Richtig ist sicherlich die Feststellung „Trotz einiger ihrer strukturell bedingten Dimensionen, die nicht zu leugnen sind, aber auch nicht verabsolutiert werden dürfen, ist die Globalisierung a priori weder gut noch schlecht. Sie wird das sein, was die Menschen aus ihr machen“.

Trefflich streiten kann man  sich  –  ebenso wie über die positive Sicht der Gewerkschaften –  über die in der Enzyklika sehr positiven Rolle von  Genossenschaften.  Ob es sich  in real-existierenden Genossenschaften wirklich  „um eine konkrete und tiefgründige Form wirtschaftlicher Demokratie“ handelt ist zumindest eine offene Frage.  Ebenfalls diskussionswürdig ist die Einschätzung, dass man sich aus dem Zusammentreffen von profitorientierten Unternehmen, staatlichen Einrichtungen  und Genossenschaften auf dem Markt erhoffen kann, „das es zu einer Art Kreuzung und Vermischung der unternehmerischen Verhaltensweisen kommt und das in der Folge spürbar auf eine Zivilisierung der Wirtschaft geachtet wird.“

Ein klares Wort

Präzise  und gegen den Zeitgeist gerichtet –  und deswegen in den Kommentaren wahrscheinlich völlig übersehen –  sind die Ausführungen zum Umweltschutz. Alle Kommentatoren haben das bislang übersehen. Umweltschutz wird klar und deutlich in seiner Funktion für das Überleben der Menschheit gesehen. Ein Eigenwert „der“ Natur wird abgelehnt, die  sich ohne Bewusstsein im Lauf der Jahrmilliarden zigmal gewandelt hat und der Ökologie schlicht wurscht ist. Die Enzyklika führt aus: „Es muss … betont werden, dass es der wahren Entwicklung widerspricht, die Natur für wichtiger zu halten als die menschliche Person. Diese Einstellung verleitet zu neu-heidnischen Haltungen oder einem neuen Pantheismus: Aus der in einem rein naturalistischen Sinn verstandenen Natur allein kann man nicht das Heil für den Menschen ableiten.“. Und lebensklug wird fortgefahren: „Allerdings muss man auch die gegenteilige Position zurückweisen, die eine vollständige Technisierung der Natur anstrebt, weil das natürliche Umfeld nicht nur Materie ist, über die wir nach unserem Belieben verfügen können, sondern wunderbares Werk des Schöpfers, das eine „Grammatik“ in sich trägt“.

Gert G. Wagner

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