Die Freiheit hat die Mehrheit

Im Zeitalter der Demokratie wird unter „Freiheit“ meist der Schutz des Einzelnen oder der Minderheit vor der Mehrheit verstanden. Diese Sichtweise drängt sich vor allem dann auf, wenn „Demokratie“ nicht allgemein als Herrschaft des Volkes, sondern speziell als Herrschaft einer einfachen Mehrheit interpretiert wird. Die einfache Mehrheit maximiert die Minderheit. Es entsteht dann der Eindruck, dass Freiheit und Mehrheit Gegensätze seien, dass wir zwischen Freiheit und Mehrheitsprinzip wählen müssen. Mehrheit oder Freiheit?

Wenn sich die Verteidiger der Freiheit nur auf die Interessen einer Minderheit berufen könnten, hätten sie keine guten Chancen. Sie könnten dann zwar bei jeder einfachen Mehrheitsentscheidung argumentieren, dass der Nutzen für die Mehrheit geringer sei als der Schaden für die viel stärker betroffene Minderheit. Aber solche interpersonellen Nutzenabwägungen sind stets angreifbar, weil sie nicht objektiv nachgeprüft werden können. Sie werden die Mehrheit nicht beeindrucken. Deshalb sollten die Verteidiger der Freiheit eine Begründung wählen, die sie nicht mit dem Mehrheitsprinzip in Konflikt bringt, sondern es ihnen im Gegenteil erlaubt, sich auf die Interessen einer Mehrheit zu berufen.

Für eine freiheitliche Wirtschaftsordnung gibt es mehrere gute Gründe. Da in der Regel jeder selbst am besten weiß, was für ihn gut ist, hat die freie Marktwirtschaft den großen Vorteil, dass sie die maximale Nutzung nur dezentral vorhandenen Wissens – privater Information – ermöglicht. Selbst wenn Andere – die Regierenden? – ausnahmsweise besser wüssten, was für mich gut ist, so würden sie doch nicht danach handeln, was für mich gut ist, sondern was für sie gut ist. Nur die Freiheit ist anreizkompatibel. Doch in unserem Zusammenhang ist noch wichtiger, dass die Minderheit der innovativen Menschen – ohne es zu wollen – auch der Mehrheit nützt. Jeder Neuerer befindet sich zunächst in der Minderheit. Die freiheitliche Wirtschaftsordnung erlaubt es ihm sich zu entfalten. Jeder Produzent, der eine kostensenkende Erfindung macht und daher seinen Preis senken kann, nützt – wie von einer „unsichtbaren Hand“ geleitet (Adam Smith) – auch den vielen Konsumenten, obwohl es ihm nur darum ging, seinen Gewinn zu erhöhen.

Überdies herrscht in einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung Wettbewerb. Durch die Vielzahl der Experimente entsteht mehr Raum für Innovation, als wenn die Mehrheit alles auf eine Karte setzen würde. Deshalb ist der Wettbewerb ein „Entdeckungsverfahren“ (Friedrich v. Hayek). Entdeckungen können patentiert werden, aber der Patentschutz währt nicht lange. Wenn er abläuft, steht die Erfindung allen – auch der Mehrheit – kostenlos zur Verfügung.

Das neue Wissen nützt nicht nur den Lebenden, sondern auch und viel mehr den zukünftigen Generationen. Jede Generation ererbt einen Bestand von Wissen und kann darauf aufbauen. Die Mehrheit des Tages neigt dazu, den Nutzen der zukünftigen Generationen zu wenig zu berücksichtigen, denn die Ungeborenen haben an der Wahlurne keine Stimme. Zu ihren Lasten steigen die Staatsschulden und die Zahlungsverpflichtungen der umlagefinanzierten staatlichen Rentenversicherung, wird die Umwelt unwiederbringlich geschädigt. Zu ihren Lasten vergreift sich aber auch die Mehrheit jeder Generation an der Minderheit der kreativen Eliten.

Bezieht man die zukünftigen Generationen mit ein, so haben die Anhänger der Freiheit eine überwältigende Mehrheit auf ihrer Seite. Ihre Aufgabe ist es, die Zukünftigen vor der Mehrheit des Tages zu schützen. Der beste Schutz ist der Wettbewerb – der Wettbewerb zwischen Staaten. Er zwingt die Mehrheiten der einzelnen Staaten, um die innovativen Eliten zu konkurrieren. Das war von jeher das Erfolgsgeheimnis Europas. Heute nennen wir es Globalisierung.

6 Antworten auf „Die Freiheit hat die Mehrheit“

  1. Auch hierzu fünf Anmerkungen:
    1. Sie schreiben: “ Da in der Regel jeder selbst am besten weiß, was für ihn gut ist, hat die freie Marktwirtschaft den großen Vorteil, dass sie die maximale Nutzung nur dezentral vorhandenen Wissens – privater Information – ermöglicht. Selbst wenn Andere – die Regierenden? – ausnahmsweise besser wüssten, was für mich gut ist, so würden sie doch nicht danach handeln, was für mich gut ist, sondern was für sie gut ist.“ Durch den Zusatz „in der Regel“ sichern Sie sich ab. Dennoch sollten Sie hier meritorische, demeritorische Güter, Allmende, Gefangenendilemma etc. wenigstens erwähnen. Es ist z.B. sehr die Frage, ob in der Klimafrage jeder Einzelne nicht nur so handelt, wie es für ihn am besten ist, sondern auch wie es für seinen Enkel am besten ist.
    2. „Jeder Produzent, der eine kostensenkende Erfindung macht und daher seinen Preis senken kann, nützt – wie von einer „unsichtbaren Hand“ geleitet (Adam Smith) – auch den vielen Konsumenten, obwohl es ihm nur darum ging, seinen Gewinn zu erhöhen.“ Wenn es nur um Kostensenkung geht, wird hier wohl auch niemand widersprechen. Wenn die Kostensenkung aber mit anderen Werten kollidiert (z.B. im Bereich der grünen Gentechnik, der Haltung von Nutztieren,…), hat die Mehrheit schon eine Berechtigung mitzuentscheiden, ob diese Erfindung auch gesellschaftlich akzeptabel ist. Im übrigen sollten Sie Smith nicht nur auf die beiden Wörter beschränken. Er hatte als Ethiker weitaus mehr zu sagen.
    3. „Durch die Vielzahl der Experimente entsteht mehr Raum für Innovation, als wenn die Mehrheit alles auf eine Karte setzen würde. Deshalb ist der Wettbewerb ein „Entdeckungsverfahren“ (Friedrich v. Hayek).“ Auch das wieder viel zu platt. In der Landwirtschaft hat der Wettbewerb z.B. dazu geführt, dass es heute viel weniger Äpfel-, Birnen- etc. -sorten gibt als noch vor 100 Jahren. Sollte sich ein Schädling entwickeln, der sich vor allem auf diese wenigen Sorten spezialisiert, hätten wir ein Problem. Auch ansonsten setzen sich im Wettbewerb oft Einheitsgüter durch (z.B. hat sich nach allgemeiner Erkenntnis im Videobereich nicht das technisch effizienteste Produkt, Video2000, durchgesetzt), einfach weil Massenproduktionen natürlich in der Regel billiger sind.
    4. „Entdeckungen können patentiert werden, aber der Patentschutz währt nicht lange. Wenn er abläuft, steht die Erfindung allen – auch der Mehrheit – kostenlos zur Verfügung.“ Das ist natürlich richtig, aber Patente können schon Jahrzehnte währen. Und ob sie danach überhaupt noch einen Wert haben, hängt sehr vom Produkt ab. Auf jeden Fall gilt auch hier „in the long run we are all dead“. Das ist jetzt natürlich kein Argument gegen Patente allgemein sondern gegen diese sehr simple Betrachtung. Sind Patente sinnvoll? Es kommt darauf an…
    5. „Bezieht man die zukünftigen Generationen mit ein, so haben die Anhänger der Freiheit eine überwältigende Mehrheit auf ihrer Seite.“ Das ist nur noch lustig. Die zukünftigen Generationen können sich nicht zu Wort melden, so dass niemand weiss, wie sie sich äußern würden. Ob sie (hier wieder die Klimafrage) wirklich immer auf der Seite der „Freiheit“ stehen würden (so wie Sie sie durchaus falsch definieren), würde ich jedenfalls sehr bezweifeln. Könnte doch jeder Einzelne zu Recht sagen: „Ich lasse meine Freiheit nicht beschneiden und handele so, wie es in meinem persönlichen Interesse liegt. Meine persönliche CO2-Bilanz spielt ja in der gesamten CO2-Bilanz des Planeten eh keine Rolle.“

  2. Dr. Ralf Henrichs: „Meine persönliche CO2-Bilanz spielt ja in der gesamten CO2-Bilanz des Planeten eh keine Rolle.“

    Nicht nur das. Selbst die Anteile des menschengemachten CO2s insgesamt – 1,2-3 Prozent nach vorliegenden Schätzungen-, spielen überhaupt keine Rolle. Darüber hinaus sogar das ganze CO2 nicht – bodennah lediglich 0,03 Promille im Luftgemisch, in den Höhen der Stratosphäre abnehmend auf gemessene 7 ppm. Daß das mickrige CO2 da oben auch als „kalter Heizkörper“ die untenliegende warme Erdoberfläche keinesfalls erwärmen kann, sollte ebenfalls bekannt sein. Ebensowenig könnte der Lichtreflex eines Stecknadelkopfes das Zimmer mehr erhellen.

    Langer Rede kurzer Sinn: Das ganze CO2-Gejammere dient nur einem Zweck: Der Bürgerabzocke, die dank Weltrettungsrhetorik als moralistisch aufgeblasenem Instrument unbesiegbar ist. Im sog. Klimaschutz hat also nicht die „Freiheit die Mehrheit“, sondern der Betrug jede Freiheit und damit die Macht.

  3. Noch eine kleine Präzisierung: Nur 0,117 Prozent des CO2s sind nach einer genauen Berechnung hier: http://www.geocraft.com/WVFossils/greenhouse_data.html vom Menschen verursacht.

    Da kann eine Reduzierung dieses Anteils um 20, meinetwegen auch 100 Prozent durch Klimaschutzmaßnahmen bestimmt Ungeheuerliches erreichen: Die dafür ausgegebenen Milliarden bringen den Profiteuren flotteste Einnahmen, gegen die sich kein Bürger wehren kann. Das ist die Freiheit, die sie meinen …

  4. @ Alexander Brunner,

    hatten Sie nicht mal angemerkt, dass Diskussionen unterbunden werden sollten, die sich nicht auf den Hauptbeitrag beziehen? Warum lassen Sie dann einen solchen Quatsch zu? Um CO2 geht es im Hauptbeitrag nicht. In meinem Beitrag war es ja auch nur ein Nebenaspekt.

    @ Konrad Fischer,

    ich werde mich nicht auf so dümmliche Diskussionen einlassen. Im Gegenteil, ich gebe Ihnen einen guten Rat:
    http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/0,1518,463887,00.html

    Wenden Sie sich ans AEI und sacken Sie die 10.000 Dollar ein.

  5. Ich gebe Herrn Henrichs recht, eine Diskussion über CO2-Emissionen führt an dieser Stelle zu weit.

    Außerdem bitte ich, den Diskussionsstil wieder in sachlichere Bahnen zu lenken. Wertungen wie „dümmlich“ und „Quatsch“ sollten bitte nicht verwendet werden.

  6. <p>Zitat:<br />
    „Da in der Regel jeder selbst am besten weiß, was für ihn gut ist…“</p>
    <p>Bedeutet das nicht, dass es im Grunde keine „Mehrheit“ gibt, sondern nur Koalitionen bei der Verfolgung egoistischer Ziele?</p>
    <p>Als Individuum steht der Mensch im Wettbewerb des sich durchsetzen müssens zum einen innerhalb der Arten und zum anderen innerhalb der eigenen Art. Ist es nicht so, dass die Wirtschaft ein Abbild genau dieses Prozesses ist?</p>
    <p>Während aber der Wettbewerb, die Entwicklung bzw. der Überlebenskampf des Einzelnen hirarchisch, untgerschieden nach Individuum, Familienverband, Gruppe und Art, erfolgt, ist dieses Prinzip in der Wirtschaft so nicht erkennbar. Im Gegenteil, hier ist es z. B. die Konzernmutter, die über den Fortbestand und das Leben ihrer Konzerntochter befindet oder der Schnelle, der den Langsamen „auffrisst“. Das schlechte Gewissen bleibt aus. Sowohl die Entscheidungs-, als auch die Leidensprozesse können anonymisirt werden und bleiben somit frei von persönlicher Verantwortung.</p>
    <p>Im individuellen Abstraktionsprozess ersetzt die „Firma“ die Gruppe. Eine Art gibt es in dieser Vorstellungswelt nicht und die Belange der Gruppe stehen zudem über denen der Familie. Insofern sind soziale Prinzipien zwar nicht aufgehoben, aber ungemein reduziert.</p>

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