V und U Déjà Vu?

Erwartete bzw. erhoffte Konjunkturverläufe werden derzeit gerne mit Buchstaben beschrieben. Am wünschenswertesten ist das V; der tiefen Krise folgt die Erholung nach dem Bunjee-Prinzip. Das W beschreibt den überraschenden Einbruch nach der schnellen Erholung; beispielsweise wenn Konjunkturprogramme auslaufen und die monetäre Flutung endet, folgt die Katerstimmung. Eine zögerlichere Genesung nach einer lang anhaltenden Krise beschreibt das U. Das schlechteste Szeanrio ist das L: Die Krise ist das Eintrittstor in die Stagnation wie etwa nach der Weltwirtschaftskrise oder wie in Japan seit dem Platzen der Bubble Economy.


Blickt man derzeit auf die Wachstumsperspektiven von China (sowie ganz Ostasien außer Japan) und den USA bis in das Jahr 2010, so steht China für das V und die USA für das U. Der IWF prognostiziert für 2009 ein reales Wachstum in China von 9,3% (2010: 9,8%). Konsum und Investitionen steigen wieder. Aktien- und Immobilienpreise schießen nach oben. Dank einer expansiven Geld- und Finanzpolitik und einer stabilisierenden Währungspolitik ist der Koloss sicher durch den globalen Sturm gelangt und beschleunigt wieder. Hingegen taumeln die USA zum U. Das reale Wachstum wird 2009 nahe 0% liegen. Die IWF-Prognose für 2010 liegt bei mageren 2%. Das Image des amerikanischen Wachstumsmodells ist angekratzt. Ungezügelte Finanzmärkte, hemmungsloser Konsum auf Pump und persistente Leistungsbilanzdefizite stehen in der Kritik. Die Auswirkungen von expansiver Geld- und Fiskalpolitik als Krisentherapie sind ungewiss.

Aus Gütermarktsicht mag die rasche Erholung in Ostasien den USA Hoffnung geben. Aus Kapitalmarktsicht kommen Bedenken, wenn man sich auf Japan und Ostasien in den 90 Jahren besinnt. Dort führte die Kombination aus U (Japan) und V (südostasiatische Tigerstaaten) in die bis dahin größte Krise der internationalen Finanzmärkte seit der Weltwirtschaftskrise. Das japanische U formte sich nach dem Platzen der Bubble Economy im Dezember 1989, als sich das Wachstum aufgrund fallender Aktien- und Immobilienpreise und immenser fauler Kredite des Bankensystems in den Jahren 1991 bis 1996 nur mühsam erholte. Japan reagierte mit einer expansiven Geld- und Finanzpolitik, die die Wirtschaft nicht zurück auf den Wachstumpfad brachte. Stattdessen nährte der Export des billigen Geldes über Carry Trades Investitionen in den kleinen ostasiatischen Nachbarstaaten, wo das Wachstum V-förmig nach oben schnellte. Die Folgen sind bekannt. Das südostasiatische Wirtschaftswunder mündete in die Asienkrise (1997/98), die die japanische Finanzmarktkrise (1998) nach sich zog. Japan war von der Asienkrise aus zwei Gründen besonders stark getroffen. Zum einen brachen die japanischen Exporte in die Region ein. Zum anderen häuften die japanischen Banken, die gehofft hatten mit Gewinnen aus Südostasien ihre Verluste aus der japanischen Blase zu kompensieren, neue faule Kredite an. Seitdem hat sich für Japan trotz Nullzinspolitik, quantitativer Lockerung und expansiver Finanzpolitik die Lage zum L (wie Liquiditätsfalle) gewandelt.

Bekanntlich verläuft jede Krise und jede Euphorie vor der Krise anders, so dass aus Erfahrungen anderer Länder und Regionen keine klaren Prognosen für die Zukunft geschmiedet werden können. Dennoch gibt es Parallelen zwischen Japan und Südostastasien in den 1990er Jahren sowie den USA und China heute, die zu denken geben. In den USA setzt (wie in Japan nach der Bubble) die Erholung nach der Hypothekenmarktkrise nur zögerlich ein. Dies spiegelt sich sowohl in den Wachstumsprognosen als auch in den Erwartungen hinsichtlich der Geldpolitik wider. Das Ende der quantitativen Lockerung ist noch nicht klar determiniert. Eine Abkehr von der Nahe-Nullzins-Politik wird nicht vor der zweiten Jahreshälfte 2010 erwartet. Hingegen hat sich in China und den kleinen Nachbarstaaten (wie damals in den südostasiatischen Tigerstaaten) die Wirtschaftsentwicklung schnell zum Positiven gedreht. Der Economist titelt „Asia’s Astonishing Rebound“. Wie in Japan und Südostasien in der erste Hälfte der 90er Jahre kommt es zwischen den USA und Ostasien mit dem Wachstumsmotor China zur einer Kombination von U und V, die Ausgangspunkt für einen neuen Boom-und-Krisen-Zyklus sein könnte.

Den Zentralbanken und Regierungen in China und Ostasien dürften heute – im Gegensatz zu Japan und den südostasiatischen Staaten in den 90er Jahren – die Risiken bekannt sein, die mit spekulativen Kapitalzuflüssen aus großen Kapitalmärkten mit niedrigem Zinsniveau verbunden sind. Die Peoples Bank of China ist deshalb bereits im Juli von der monetären Lockerung in Reaktion auf die Krise wieder abgerückt. Das Kreditvolumen wird wieder gestrafft, und es beginnt eine schmale Gradwanderung zwischen der Freude über den erhofften Aufschwung und der Angst vor neuen spekulativen Verwerfungen.

Ob sich China und seine kleinen ostasiatischen Nachbarstaaten den Gefahren spekulativer Kapitalzuflüsse auch bei hoher Wachsamkeit entziehen können, ist fraglich.  Die Region hat eine vielversprechende Zukunftsperspektive: Die Arbeiterschaft ist jung und motiviert, das Lohnniveau gering, das Wachstumspotential von Konsum und Investitionen groß und die Sozialsysteme schlank. Das internationale Kapital dürfte auf diese Faktoren reagieren. Doch für Länder mit unterentwickelten Kapital- und Gütermärkten können starke Kapitalzuflüsse zum Fluch werden. Denn die Möglichkeiten mächtige Kapitalzuflüsse zu kontrollieren bzw. absorbieren sind begrenzt, so lange man sich nicht durch strikte Kapitalverkehrskontrollen von den Weltmärkten isolieren will. Erhöht die Peoples Bank of China die Zinsen, um Spekulationswellen  einzudämmen, dann wird zusätzliches Kapital aus den USA angelockt und die Wahrscheinlichkeit für Spekulationsblasen seigt.

Auch die Währungspolitik kann gegen spekulative Kapitalzuflüsse durch Aufwertung des Yuan keine Abhilfe schaffen. Seit Juli 2008 ist der chinesische Yuan wieder zu einem weitgehend stabilen Kurs an den Dollar gebunden. Seit März 2009 steigen die Devisenreserven wieder. Gegeben den Aufschwung in China und die monetäre Expansion in den USA, dürfte sich der Aufwertungsdruck auf den Yuan weiter verstärkten und die Kritik hinsichtlich einer merkantilistischen Währungspolitik wieder aufleben. Zwar mag die Aufwertung des Yuan ein Instrument zur Korrektur umstrittener Leistungsbilanzsalden sein. Doch würden die daraus resultierenden Aufwertungserwartungen – wie bereits im Falle der graduellen Aufwertungen vor der Krise – zusätzliche spekulative Kapitalzuflüsse nach sich ziehen. Um diesen entgegenzuwirken, wäre die Peoples Bank of China gezwungen, die Zinsen zu senken. Wie vor der Krise könnte die Kontrolle über die Geldmengenexpansion verloren gehen. Spekulationswellen würde weiter angeheizt und China könnte Japan in die Liquiditätsfalle folgen.

Die Aussichten hinsichtlich der weltwirtschaftlichen Entwicklung sind deshalb gemischt. Das V in China und Ostasien bedeutet Hoffnung für den Export der Industrieländer. Doch es bestehen Bedenken hinsichtlich der Stabilität des Aufschwungs. Das V könnte sich schnell zum W wenden, wenn die in den USA als Stabilisierung verstandene Geldpolitik zu Euphorie und Panik in den Aufstrebenden Volkswirtschaften führt. Die Geldpolitik der USA folgt ausschließlich binnenwirtschaftlichen Zielsetzungen (der Transformation des U in ein V), sie ist aber schon lange zum Dreh-und-Angelpunkt globaler Stabilität bzw. Instabilität geworden. Geringe Zinsen und Geldmengenexpansion in den USA mögen zwar dort von Konsumentenpreisstabilität begleitet sein. Der Inflationsdruck zeigt sich aber an der Peripherie des Weltwährungssystems, wo Inflation, Vermögenspreisvolatilität und Krisen zunehmen. Wie Japan und die Asienkrise zeigen, sind die Krisen an der Peripherie aufgrund ihrer wachsenden Dimension auch eine Gefahr für die Stabilität der großen Länder. Deshalb ist eine baldige, vorsichtige und entschlossene geldpolitische Straffung in den USA wünschenswert. Andernfalls könnten eine neue Welle von Spekulationsblasen und langfristig ein L für die gesamte Weltwirtschaft die Folgen sein.

3 Antworten auf „V und U Déjà Vu?“

  1. „Die Krise ist das Eintrittstor in die Stagnation wie etwa nach der Weltwirtschaftskrise oder wie in Japan seit dem Platzen der Bubble Economy.“

    Das ist so nicht richtig. Sicher, Japan hatte eine Blase, aber eben im Immobilisektor. Wenn Sie heute nach Tokyo fahren, denken Sie, dass ist eine Boomtown ( Das kommt vom starken Yen, der durch die positive Außenhandelsbilanz resultiert ) ! Fahren Sie hingegen nach New York, sehen Sie, dass seit 20 Jahren nicht mehr viel passiert ist. Eigentlich seit 1983 nicht mehr, aber das geht jetzt zu weit ( und hoffentlich wissen Sie warum ) … .

    Prinzipiell müssen wir uns aber überlegen, was Wachstum ist und wie wir es definieren. Ist Wachstum induziert durch Kredit für jemanden greifbar, dann bitte. Für mich jedoch nicht, da es nur eine illusorische Gaukelei ist und am Ende zumeist der Kollaps droht. Denn wozu soll ich auf Kredit leben, wenn ich es auch so könnte ? Meistens werden Kreditsystem auch benutzt um der Allgemeinheit eine Art vollkommenes Sozialsystem vorzulügen. Am Ende wird auch die soziale Marktwirtschaft zusammenbrechen ( auch wenn sich die EU noch bis Südafrika erweitern sollte … ).

    „Deshalb ist eine baldige, vorsichtige und entschlossene geldpolitische Straffung in den USA wünschenswert. Andernfalls könnten eine neue Welle von Spekulationsblasen und langfristig ein L für die gesamte Weltwirtschaft die Folgen sein.“

    Das haben Sie sehr schön erkannt. Herr Bernanke hat aber keine andere Wahl als zu inflationieren. Kennen Sie denn nicht all die Programme die die FED am laufen hat ? Da ist JEDER Sektor dieser Ökonomie betroffen. Und was revolvierende Kreditsysteme sind muss ich Ihnen ja nicht erklären…

    Wir müssen endlich erkennen, dass die USA nichts mehr haben und sich die Peripherien in der Welt dramatisch verlagern. Wenn Deutschland – oder die EU – da nicht ins hintertreffen geraten wollen ( was ich jedoch schon befürchte durch Herrn Rasmussen … ) sollten das die Entscheidungsträger erkennen.

  2. Übrigens: so interessant und professionell der IMF auch arbeiten sollte: letztlich ist er nichts anderes als das verteufelte sozialistische oder kommunistische Plansystem – nur eben über variable Bilanzen.

    Was wir daraus lernen können ist ersichtlich: Verwaltungsapparate und politische Einheiten können nichts implementieren; sie sind das Produkt aus denen, die Sie wählen UM jene die gewählt haben zu unterstützen. Andersherum endet es im Chaos und genau in dem was wir nicht haben wollen: Planwirtschaft.

  3. Um noch einmal alle hier vor einer weltweiten Hyperinflation zu warnen, hier der Schlüssel zu allem Schlamassel:

    http://www.ustreas.gov/tic/

    Die US Administration schlingt zur Zeit in einem noch nie gesehen Maße die Ersparnisse der Welt in sich hinein um sie NICHT produktiv einzusetzen und damit auch dieses „Kapital“ niemals zurückzahlen zu können. 2008 war erst der Anfang, was jetzt künstlich durch die westlichen Zentralbanken erschaffen wurde, kann man wohl mit Herrn Köhlers Worten am besten beschreiben: die Finanzmärkte sind ein Monster. Aber es sind nicht die privaten es sind die staatlichen Finanzmärkte, die den Horror verbreiten werden. Die imbalances, die von 2001 bis 2007 aufgebaut wurden ( durch die exzessive monetäre wie fiskalische Politik der westlichen Länder ) wird in den nächsten 5 Jahren ( und ich bezweifle mal, dass das noch so lange gut gehen wird ) noch gravierender.

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