Was Schwarz-Rot verspricht (8)
Wachstumslokomotive oder Wachstumsbremse?

Deutschland braucht Reformen. Doch der Koalitionsvertrag von Union and SPD setzt auf ein Weiter-so. Ohne Reformen bleibt Deutschland eine europäische Wachstumsbremse.

1. Deutschland braucht Wachstum

Union und SPD haben seit dem Zweiten Weltkrieg Westdeutschland und dann Gesamtdeutschland gelenkt. Erhielten beide Parteien bei der Bundestagswahl 2002 zusammen noch 77 Prozent der Stimmen, waren es 2025 nur noch 45 Prozent.

Das liegt nicht zuletzt daran, dass das Wachstum schon lange lahmt. Seit 2018 sinken die Industrieproduktion und das Geschäftsklima. Zwar haben beide Parteien das Thema Wachstum immer wieder thematisiert. Doch in Regierungsverantwortung haben sie nur wenig dafür unternommen. Umverteilung  und Klimaschutz standen im Vordergrund.

Nun wollen die beiden Volksparteien mit dem Koalitionsvertrag mit dem Titel „Verantwortung für Deutschland“ dem Land „neues Wirtschaftswachstum“ und „gute Arbeit“ bringen. Kann das nach dem holprigen Start gelingen?

2. Der Vertrag steht für Interventionismus

Die 144 Seiten mit 4.588 Zeilen sprechen für die Fortsetzung des Interventionismus. Es wimmelt von Sektoren, die von staatlichen Zuwendungen profitieren sollen: Elektroautos, Wasserstoff, Wohnungsbau, Sprunginnovationen, Moonshot-Technologien oder PostCOVID-Forschung, um nur einige zu nennen.

Trotz der Wahlschlappe der Grünen wird die Klimapolitik fortgesetzt. Der Klimaschutz wurde ins Grundgesetz geschrieben und 100 Milliarden Euro Verschuldungsspielraum dafür reserviert. Das klingt nicht danach, dass die große Umwelt-Klima-Regulierungs-Welle abebben wird.

Für den in Deutschland großzügig ausgestatteten Wissenschaftssektor wird nicht nur die Fortführung der Finanzierung signalisiert. Es  werden auch strategische Forschungsfelder wie Gesundheit, Klima, Nachhaltigkeit, Demokratie, Verteidigung und Raumfahrt vorgegeben.

3. Zögerlicher Reformwille

Bei den Reformplänen ist das Bild gemischt. Man müsse in „vielen Bereichen besser werden und staatliche Entscheidungen, Prozesse und Strukturen modernisieren“, um das Vertrauen in den Staat zu stärken, heißt es. Besonders lobenswert: Ein Sofortprogramm für den Bürokratieabbau, von dem insbesondere kleine und mittlere Unternehmen profitieren sollen. Vorsichtige Steuersenkungen sind zumindest angedacht.

Bei dem überbordenden Sozialstaat, der einen Umfang von über 1.250 Milliarden Euro erreicht hat, zeigt man sich bei Einschnitten jedoch zurückhaltend. Zwar wird ein effizienterer Einsatz bei den Sozialausgaben anvisiert, doch soll auf Kosten der Steuerzahler das Rentenniveau bei 48% bleiben. Die Mütterrente wird sogar auf Kosten der jungen Generation noch ausgebaut.

Nachdem seit 2008 die Anzahl der Erwerbstätigen im öffentlichen Sektor um ca. 2,5 Millionen gewachsen ist und damit der Staat zu dem für die Unternehmen kostspieligen Arbeitskräftemangel maßgeblich beigetragen hat, will die neue Koalition die Beschäftigung im öffentlichen Sektor noch attraktiver machen.

4. Schuldenfinanzierte Staatsausgaben schaffen Inflation

Da die Pläne teuer werden dürften, hat die neue Koalition mit Hilfe der Grünen die Schuldenbremse aufgeweicht und zusätzliche Finanzierungsspielräume von 1.000 bis 1.700 Milliarden Euro für Verteidigung und Infrastruktur geschaffen.

Das deutet darauf hin, dass die Subventionen weiter großzügig fließen werden. Allein die Finanzhilfen des Bundes betrugen laut Kieler Subventionsbericht 2023 155 Milliarden Euro und 2024 127 Milliarden Euro. Bald könnte es einen neuen Rekord geben. Doch Subventionen senken die Anreize bei den Geförderten und erhöhen die Lasten beim Rest.

Nachdem die Staatsschulden bereits in Italien, Spanien und Frankreich über der 100 Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegen, dürfte Deutschland nun nachziehen. Damit dürfte der Druck auf die EZB weiter steigen, wieder Staatsanleihen zu kaufen. Das spricht für mehr Inflation, die negative Wachstums- und Verteilungseffekte hat.

5. Statt Wachstumslokomotive Wachstumsbremse

Unter den Regierungen von Angela Merkel hat sich Deutschland auf der Grundlage einer zunehmend expansiven Geld- und Finanzpolitik sowie wuchernder Regulierung schrittweise von ordnungspolitischen Prinzipien wie Geldwertstabilität, Wettbewerb, Haftung, Vertragsfreiheit und Konstanz der Wirtschaftspolitik abgewandt.

Unter der Ampel-Koalition hat sich dieser Prozess trotz weitreichender Transformationspläne verlangsamt, weil die FDP unter Finanzminister Christian Lindner auf eine Einhaltung der Schuldenbremse gepocht hat. Zudem hat die Europäischen Zentralbank aufgrund der seit 2021 steigenden Inflation die Geldpolitik gestrafft.

Unter Friedrich Merz hätte mit einer ordnungspolitischen Wende Deutschland wieder zur Wachstumslokomotive von Europea werden können. Im Koalitionsvertrag gibt es durchaus Lichtblicke wie der geplante Bürokratieabbau, strengere Vergabekriterien beim Bürgergeld und das Bekenntnis zum Freihandel. Doch tiefgreifende Reformabsichten gibt es nicht. Mit dem Weiter-so bleibt Deutschland eine europäische Wachstumsbremse.

Referenz

Schnabl, Gunther 2024: Deutschlands fette Jahre sind vorbei. Wie es dazu kam und wie wir ein neues Wirtschaftswunder schaffen können. Finanzbuch Verlag, München.

Serie: „Was Schwarz-Rot verspricht

Oliver Holtemöller (IWH): Staatsverschuldung und mehr Staatsausgaben als Allheilmittel?

Joachim Weimann (OVGU): Beim Klima nichts Neues

Tobias Just (IREBS): Bezahlbar, verfügbar, umweltverträglich. Der Koalitionsvertrag verspricht eine moderate Neuausrichtung der Wohnungspolitik

Stefan Seuffert (ALU): Rente im Koalitionsvertrag. Wiederbelebung der doppelten Haltelinie – doppeltes Versprechen oder doppelte Last?

Alexander Eisenkopf (Zeppelin): Was bleibt vom Sondervermögen Infrastruktur für den Verkehr?

Markus Brocksiek (BdSt): Bürokratieabbau quo vadis?

Holger Schäfer (IW): Was wird neu an der „Neuen Grundsicherung für Arbeitsuchende“?

Norbert Berthold (JMU) und Jörn Quitzau (Bergos): Was Schwarz-Rot verspricht

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