Die Bundesregierung will den CO2-Ausstoß in den nächsÂten Jahren drastisch senken, um den Klimawandel und seine negativen Auswirkungen auf die Menschen aufzuÂhalten. Die Höhe der notwendigen CO2-Einsparungen ist GeÂgenstand naturwissenschaftlicher Berechnungen. Die Politik muss die Glaubwürdigkeit dieser Berechnungen einschätzen, daraus ordnungsrechtliche Vorgaben ableiten und im politiÂschen Prozess umsetzen. Spätestens im Umsetzungsprozess ist ökoÂnomischer Sachverstand notÂwenÂdig als Korrektiv zu einem technischen MachÂbarkeitsÂwahn, der ausschließlich auf dem Stand der TechÂnik beruht.
Energieeinsparziele voraussichtÂlich nicht umsetzbar
Ökonomischer Sachverstand ist auch bei den energetiÂschen Anforderungen an Wohnimmobilien gefragt, die einen zentralen Pfeiler der KlimaÂschutzstrategie der ReÂgierung darstellen. Bis 2050 soll der Wohnungsbestand nahezu klimaneutral sein. Als BegrünÂdung wird das hohe Energieeinsparpotenzial im Wohnungssektor bei AusnutÂzung des technisch Möglichen angegeben.
Allerdings werden die Vorgaben mit großer WahrscheinÂlichkeit verfehlt, weil ihnen die ökonomiÂschen Realitäten des Wohnungsmarkts entgegenstehen. Zudem sind schwerwiegende NebenÂwirkunÂgen zu erwarÂten, die das Ziel an sich in Frage stellen.
Ordnungsrechtliche Vorgaben für Neubauten mit geringem Klimabeitrag
Die energetischen Vorgaben für Neubauten wurden jüngst mit der Novellierung der Energieeinsparverordnung (EnEV 2014) weiter verschärft. Ab 2016 sinken die zuÂlässigen Grenzen für den Primärenergieverbrauch um 25Â Prozent. Die Anforderungen an den Wärmeschutz steigen. Ab 2021 sollen alle Neubauten dem von der EU festgeÂlegten Niedrigstenergie-Gebäudestandard entÂsprechen.
Die Wirkung der verschärften Neubaustandards für den Klimaschutz ist jedoch aufgrund der niedrigen NeubauÂquote (0,5 Prozent bezogen auf den Bestand) gering. Weniger strikte Vorgaben würden vergleichbare KlimaÂwirÂkungen zu geringeren Kosten bewirken.
ÖffnungsklauÂseln für niedrigpreisiges WohnungssegÂment
Obwohl die hohen Anforderungen an den Neubau nur wenig zur Entlastung des Klimas beitragen, sind die dadurch ausgelösten Preiseffekte spürbar. Je nach GebäuÂdetyp stehen Baukostensteigerungen von bis zu 5 Prozent durch die EnEV 2014 im Raum. Neubau im niedrigen bzw. mittleren Preissegment wird dadurch unatÂtraktiv. Das gilt insbesondere für den sozialen WohÂnungsbau, für den bereits jetzt kaum private Investoren gewonnen werÂden können. Abhilfe könnten geringere energetische AnÂforderungen im preisgünstigen Neubausegment schaffen, auch wenn dies aus Gründen der Gleichbehandlung ordÂnungspolitisch umstritten wäre.
Vorgaben für Bestandsgebäude bereits ambitioniert
Entscheidend für die Erreichung des angestrebten klimaÂneutralen Wohnungsbestands ist die energetische „ErtüchÂtigung“ des Bestands. Darunter fallen alle SanieÂrungs- und ModernisierungsÂmaßnahmen, die die energetiÂschen Eigenschaften von Bestandsgebäuden verbessern. Die EnEV 2014 verschärft die Anforderungen für BeÂstandsgebäude nur geringfügig. Die Politik hat erkannt, dass die Vorgaben bereits ambitioniert sind und die UmÂsetzung Probleme beÂreitet.
Marktstruktur erschwert Umsetzung
Ein Grund hierfür liegt in der Marktstruktur. So gehören drei Viertel aller Wohnungen Privatpersonen, die diese entweder selbst bewohnen oder vermieten. Der AdressaÂtenkreis ist entsprechend groß und unübersichtlich. AufÂgrund der Heterogenität des Bestands hinsichtlich des Baujahrs, architektonischer BesonÂderheiten und SanieÂrungszustands, sind allgemeine Vorgaben kaum mögÂlich.
Private Wohnungseigentümer führen wirtschaftliche Maßnahmen ohne Zwang durch
Oftmals wird (privaten) Wohnungseigentümern unterÂstellt, sie seien unzureichend über die betriebswirtschaftÂlichen Vorteile energetischer Sanierungen informiert und würden daher auf lohnende Maßnahmen verzichten. Es liege also Marktversagen vor, was – so der logische KurzÂschluss – den Staat ins Spiel bringe, um die InformaÂtionsdefizite zu beseitigen.
Energetische Sanierungen sind komplex und für den einÂzelnen Hausbesitzer eine Herausforderung. Aber die priÂvaten Hausbesitzer sind dieser Herausforderung durchaus gewachsen. Der Wohnungsbestand weist in der Breite eine beachtliche Energieeffizienz auf, weil kosten-günstige Maßnahmen mit großem EnergieeinsparpotenÂzial (z. B. Dämmung von oberen Geschossdecken) von den Eigentümern aus wirtschaftlichem Eigeninteresse durchÂgeführt werden.
Realitätsferne Modellrechnungen
Warum aber unterbleiben weitergehende energetische Ertüchtigungen, wie sie die überwiegend staatlich dominierte Deutsche Energie Agentur (Dena) mit großanÂgelegten Kampagnen bewirbt und wie sie die EnEV teilÂweise verpflichtend vorschreibt? Dena und EnEV verspreÂchen: „Dämmen lohnt sich“. Sind die privaten EigentüÂmer also doch nicht in der Lage, die betriebswirtÂschaftliÂchen Vorteile umfassender energetischer SanieÂrungen zu erÂkenÂnen? Nein! Denn anders als die bereits durchgeÂführten, mit geringem Aufwand verbundenen SanieÂrungsmaßnahmen sind umfassende energeÂtische ErtüchtiÂgungen in den meisten Fällen wirtÂschaftÂlich nicht sinnvoll bzw. bringen nur bei gleichzeitiger InanspruchÂnahme eines Kredits der staatlichen Förderbank KfW eine (geÂringe) positive Rendite. Wie lässt sich diese DiskreÂpanz erklären?
Erstens basieren die Modellrechnungen der Dena und die Vorgaben der EnEV auf einem technokratischen DenÂken, bei dem der Energiebedarf eines Gebäudes vor und nach energetischer Sanierung auf Basis der MaterialeiÂgenÂschaften verglichen wird. Menschen kommen in dieÂsen Berechnungen nicht vor. Dabei hat der menschliche FakÂtor einen großen Einfluss auf die Rentabilität der SanieÂrungsmaßnahmen, wie Untersuchungen anhand tatÂsächliÂcher Verbrauchsdaten belegen. Die Nutzer schlecht sanierter Gebäude verbrauchen deutlich weniger Energie, als aufgrund der technischen BeschafÂfenheit der Gebäude unterstellt wird. Um Energiekosten zu sparen, passen sie ihr Nutzungsverhalten entsprechend an. Die EinsparmögÂlichkeiten werden somit systematisch überschätzt.
Zweitens sind energetische Sanierungen in der Regel nur dann wirtschaftlich rentabel, wenn ohnehin eine umfasÂsende Sanierung der fraglichen Baustrukturen ansteht. Auf dieses Szenario berufen sich die Modellrechnungen. Aufgrund der langen Lebenszyklen energetisch relevanter Strukturen (z. B. bis zu 150 Jahre bei geklinkerten AuÂßenwänden) bieten sich diese Gelegenheiten nur selten. Zudem sind die realen Sanierungszyklen aufgrund regelÂmäßiger Ausbesserungen länger als unterstellt.
Drittens entspricht der Bestand in seiner architekÂtonischen Struktur oftmals nicht den Annahmen der Modellrechnungen. Insbesondere Gebäude aus der GründerÂzeit, die das Bild vieler Innenstadtkerne prägen, lassen sich nicht wie unterstellt energetisch ertüchtigen.
Viertens werden in den Modellrechnungen zukünftige Zahlungsströme diskontiert, um die Barwerte von Ein-und Auszahlungen miteinander vergleichen zu können. Die Wahl des Diskontfaktors entscheidet maßgeblich über die Rentabilität der Sanierungsmaßnahme. Die gewählten Faktoren sind für viele Wohnungseigentümer nicht zutrefÂfend, weil sie einen zu langen Zeithorizont unterstellen.
Hinzu kommen mögliche Nebenwirkungen einer umfasÂsenden Dämmung wie z. B. höhere Brand- und Schimmelrisiken, die in den Modellrechnungen nicht berückÂsichtigt werÂden.
Weniger strenge Anforderungen für mehr energetiÂsche Sanierungen
Die hohen Anforderungen der EnEV führen dazu, dass Sanierungsmaßnahmen in vielen Fällen nicht rentabel sind. Weniger umfassende, dafür aber lohnende ErtüchtiÂgungen hingegen werden durch die Vorgaben der EnEV ausgeschlossen (z. B. geringere Dämmstärken). Viele EigentüÂmer werden Sanierungen daher so lange wie mögÂlich aufÂschieben.
Die Vorschriften der EnEV sollten Spielraum für einfache und flexible Lösungen lassen, die vielleicht nicht dem technischen Maximum entÂsprechen, die aber eine deutliÂche Energieeinsparung beÂwirken und wirtschaftlich renÂtabel sind. Die Maßnahmen müssen zu dem jeweiligen Gebäude und der EinkomÂmenssituation des Eigentümers passen. Ein Weg könnte sein, den Gesamtenergiebedarf des Gebäudes in den Fokus zu stellen, anstatt die BeÂschaffenheit einzelner Bauteile vorÂzuschreiben.
Flexiblere energetische Vorgaben entschärfen KonÂflikte zwischen Mieter und Vermieter
Flexiblere Vorgaben können zudem Konflikte zwischen Mietern und Eigentümern vermeiden. Bislang sind EigenÂtümer zu Sanierungsmaßnahmen verpflichtet, deren KosÂten nicht durch Nebenkosteneinsparungen gedeckt sind. Bei vollständiger Umlegung der Investitionskosten auf die Kaltmiete steigt die Gesamtbelastung für den Mieter. Ist das nicht möglich – sei es aufgrund gesetzlicher RegeÂlungen oder aufgrund der Marktlage – erleidet der Vermieter einen Einkommensverlust. Die fehlende RenÂtabiliÂtät macht eine beiderseitig vorteilhafte Einigung unmögÂlich. Flexiblere energetische Anforderungen bieten dageÂgen einen Ausweg, insbesondere wenn nur warmÂmietenÂneutÂrale Sanierungen verpflichtend gemacht würden.
Dieser Text ist zugleich als Ausgabe Nr. 08/2014 der Reihe Ordnungspolitischer Kommentar des Instituts für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln und des Otto-Wolff-Instituts für Wirtschaftsordnung erschienen.
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