Eine Einigung über die Reform der Grundsteuerbemessungsgrundlage wird insbesondere auch durch die damit verbundenen Belastungsverschiebungen auf Länder- und Gemeindeebene erschwert. Diese Schwierigkeiten sollten jedoch politisch lösbar sein – insbesondere, wenn realistische Annahmen zugrunde gelegt werden. Ebenfalls zur Diskussion steht in diesem Kontext die Umlagefähigkeit der Grundsteuer als Betriebskosten auf den Mieter. Berücksichtigt man die daraus resultierenden Rückwirkungen auf das Mietspiegelsystem, dürfte der Vorteil für die Mieter aber deutlich geringer ausfallen, als oftmals angenommen.
Seit 20 Jahren wird in Deutschland um eine Reform der Grundsteuerbemessungsgrundlage gestritten.[1] Mit seinem Urteil vom 10. April 2018 (1 BvL 11/14 – Rn. (1-181)) hat das Bundesverfassungsgericht die bislang zugrunde gelegten Einheitswerte für verfassungswidrig erklärt. Der Gesetzgeber muss bis spätestens Ende 2019 eine Neuregelung treffen. Andernfalls darf die Grundsteuer nicht mehr erhoben werden, wo- mit die Kommunen eine ihrer wichtigsten Finanzierungsquellen verlieren würden.
Der jüngste Kompromiss zwischen Bund und Ländern sieht vor, dass in die Bemessungs-grundlage zur Bewertung von Wohnungen zukünftig die durchschnittlichen Nettokaltmieten laut Mikrozensus, die Bodenrichtwerte und das Baujahr einfließen.[2] Damit haben sich die Befürworter eines wertabhängigen Modells (WAM) zunächst durchgesetzt. Allerdings gibt es weiterhin großen Widerstand aus dem Lager der Befürworter eines wertunabhängigen Modells (WUM), bei dem nur Kennzahlen zur Fläche des Grundstücks und der Bebauung einfließen. Nicht weiter diskutiert wird das Bodenwertmodell, das zahlreiche Ökonomen aus allokativen Gründen bevorzugen.
Aufkommensneutralität – Ja, aber wie?
Die Reform der Grundsteuerbemessungsgrundlage erweist sich als politisch schwierig, weil damit Verschiebungen in der Steuerlast verbunden sind. Um die reformbedingten Belastungssprünge gering zu halten, soll das Steueraufkommen durch die Reform nicht erhöht werden. Die Aufkommensneutralität kann auf verschiedenen Wegen sichergestellt werden: zum einen durch Anpassung der Steuermesszahl und zum anderen durch Anpassung der kommunalen Hebesätze. Beide Vorgehensweisen haben deutlich unterschiedliche Verteilungswirkungen.
Aufkommensneutralität mittels Steuermesszahl
Durch eine Anpassung der Steuermesszahl kann der Bund das Aufkommen der Grundsteuer auf gesamtwirtschaftlicher Ebene konstant halten. Dieses Vorgehen hat den Vorteil, dass der Bund hier unmittelbare Gesetzgebungskompetenz besitzt. Allerdings gilt die Aufkommensneutralität dann nur über das gesamte Bundesgebiet hinweg. Auf Länder- und Gemeindeebene könnte es dennoch zu massiven Verschiebungen kommen. Mehrbelastungen einzelner Länder und Gemeinden stünden Entlastungen anderer Länder und Gemeinden gegenüber.
Das ifo-Institut hat im Rahmen einer Simulationsstudie die Verteilungswirkungen einer Grundsteuerreform untersucht, bei der die gesamtgesellschaftliche Aufkommensneutralität ausschließlich über eine Anpassung der Steuermesszahl erreicht wird.[3] Referenzwert ist der Status quo, also die Berechnung der Grundsteuer anhand der Einheitswerte. Die Berechnungen zeigen, dass bei Modellen mit Wertbezug (konkret: Verkehrswert- und Bodenwertmodell) das Steueraufkommen in den Stadtstaaten und den westdeutschen Flächenländern steigt, während es in den ostdeutschen Flächenländern entsprechend zurückgeht. In Westdeutschland würden die Grundsteuereinnahmen in den kleinen Gemeinden (je nach Modell bis 100.000 Einwohner) zurückgehen und in den großen Gemeinden zum Teil deutlich ansteigen. In den ostdeutschen Flächenländern würden die großen Gemeinden mit mehr als 500.000 Einwohnern stark an Steueraufkommen hinzugewinnen, während die kleinen und mittleren Gemeinden massiv verlieren würden.
Bei einem ausschließlich an der Fläche orientierten Modell würde sich ein nahezu vollständig anderes Muster der reformbedingten Grundsteuermehr- und -mindereinnahmen auf Länder- und Gemeindeebene ergeben. Hier käme es in den westdeutschen Flächenländern und den Stadtstaaten zu geringeren Einnahmen, denen Hinzugewinne bei den ostdeutschen Flächenländern gegenüberstehen. Während in den ostdeutschen Flächenländern Gemeinden aller Größenklassen profitieren würden, könnten in Westdeutschland nur die Gemeinden mit bis zu 20.000 Einwohnern mit Mehreinnahmen rechnen. Größere westdeutsche Gemeinden würden Grundsteueraufkommen verlieren.
Die Belastungsverschiebungen auf Länderebene haben Rückwirkungen auf den Länderfinanzausgleich. Diese Rückwirkungen dürften zum Teil die Schwierigkeiten erklären, einen tragfähigen Kompromiss für die Grundsteuerreform zu finden. Bayern etwa würde bei einem wertabhängigen Modell zusätzliche Mittel in den Länderfinanzausgleich einzahlen müssen. Entsprechend groß sind dort die Vorbehalte gegen eine Reform mit wertabhängiger Basis. Vorschläge, wie mögliche Verteilungskonflikte zwischen den Ländern gelöst werden könnten, sind aber durchaus vorhanden: So könnte im Rahmen eines „Grandfathering“-Verfahrens die aktuelle Aufkommensverteilung zunächst für einige Jahre festgeschrieben werden. Erst nach Ablauf dieser „Schonfrist“ käme es zu Belastungsverschiebungen aufgrund veränderter Finanzkraftverhältnisse im Länderfinanzausgleich.[4]
Aufkommensneutralität durch Anpassung der kommunalen Hebesätze
Neben dem Bund haben allerdings auch die Gemeinden eine Möglichkeit, die Aufkommensneutralität einer Reform sicherzustellen. Die Grundsteuer ist neben der Gewerbesteuer die wichtigste kommunale Einnahmequelle mit kommunalem Hebesatzrecht. Jede Kommune kann den Grundsteuerhebesatz entsprechend ihres Finanzbedarfs anpassen. Von diesem Recht haben die Kommunen in der Vergangenheit auch entsprechend Gebrauch gemacht. Im Durchschnitt sind die kommunalen Hebesätze im Zeitraum von 2005 bis 2017 um 20 Prozent gestiegen. Die Einnahmen aus der Grundsteuer B sind im selben Zeitraum von 9,9 Mrd. auf 13,6 Mrd. Euro angestiegen.[5] Insbesondere immobilienwirtschaftliche Verbände befürchten daher, dass die Kommunen die Reform der Grundsteuerbemessungsbasis nutzen könnten, um die Grundsteuer noch weiter zu erhöhen. Je nach Reformmodell fielen einigen Gemeinden zum Teil massive Steuererhöhungen sozusagen in den Schoß. Dabei wird allerdings ausgeblendet, dass den Gemeinden mit reformbedingten Mehreinnahmen Gemeinden mit deutlichen Steuerverlusten durch die Reform gegenüberstehen. Die tatsächliche Verteilungswirkung einer Grundsteuerreform auf Länder- und Gemeindeebene hängt daher letztlich vom Verhalten der Kommunen ab. Es ist unmittelbar einleuchtend, dass Gemeinden mit reformbedingen Steuerausfällen gezwungen wären, die Hebesätze entsprechend anzupassen, um die kommunale Handlungsfähigkeit zu sichern. Auf der anderen Seite ist in Kommunen mit massiven Mehreinnahmen durch die Re- form, mit einer Senkung der Hebesätze zu rechnen. Die mit den Mehreinnahmen verbundene Mehrbelastung dürfte andernfalls die Kommunalpolitiker politische Zustimmung kosten und deren Wiederwahl gefährden. Auch verschiedene empirische Arbeiten zur Grundsteuer deuten darauf hin, dass die Kommunalpolitik die politischen Kosten einer Grundsteuererhöhung gegen die Mehreinnahmen abwägt.[6]
Im Ergebnis ist also damit zu rechnen, dass aufgrund der Anpassung der kommunalen Hebesätze die Veränderungen des Grundsteueraufkommens auf Länder und Gemeindeebene deutlich geringer ausfallen als bei einer ausschließlichen Anpassung der Steuermesszahl. Zumal die Anpassung der Hebesätze an ein aufkommensneutrales Niveau den Kommunen ebenfalls durch ein vorrübergehendes Einfrieren der Zahlungsströme im kommunalen Finanzausgleich – analog zum diskutierten Vorgehen auf Länderebene – erleichtert werden kann.[7] Innerhalb einer Gemeinde sind Veränderungen in der Steuerlast zwischen den Grundstückseigentümern aber unausweichlich – unabhängig davon, ob die Aufkommensneutralität über eine Anpassung der Steuermesszahl, der kommunalen Hebesätze oder einer Kombination aus bei- dem hergestellt wird.
Belastungsverschiebungen innerhalb der Kommunen
Eine Prognose der zu erwartenden Belastungsverschiebungen innerhalb der Gemeinden für die unterschiedlichen Reformmodelle ist über- aus komplex. So müssen Verschiebungen zwischen unterschiedlichen Nutzungsarten (Wohnnutzungen vs. Nichtwohnnutzungen), zwischen verschieden Formen der Wohnnutzung (Ein-, Zwei- und Mehrfamilienhäuser) sowie zwischen unterschiedlichen Nichtwohnnutzungen (z.B. Büro-, Handels- und Industrienutzung) berücksichtigt werden. Zudem hängen die quantitativen Effekte wiederum davon ab, wie Steuermesszahl und Hebesätze im Zuge der Reform verändert werden. Tendenziell sind die Belastungsverschiebungen innerhalb einer Gemeinde bei den wertabhängigen Modellen höher als bei den wertunabhängigen.[8] Dies ist dem Umstand geschuldet, dass die Einheitswerte zuletzt 1964 in Westdeutschland und 1935 in Ostdeutschland aktualisiert wurden und die aktuellen Wertverhältnisse nicht angemessen wiedergeben. Entsprechend groß fallen die Belastungsverschiebungen aus, wenn eine Bemessungsgrundlage auf Basis der aktuellen Immobilienwerte gewählt wird. In der Debatte wird immer wieder auf Konstellationen verwiesen, in denen eine Reform der Grundsteuer zu untragbaren Belastungen für Eigentümer führen würde. Zwar sind solche Fälle möglich, sie dürften aber – insbesondere bei Anpassung der kommunalen Hebesätze – in der Gesamtschau kaum ins Gewicht fallen. Zu- dem könnten gesellschaftlich nicht akzeptable Belastungssprünge in allen Reformvorschlägen durch ergänzende Vorschriften zur Gestaltung des Übergangs und zum Umgang mit Härtefällen abgefedert werden.
Umlagefähigkeit der Grundsteuer auf den Mieter
Jenseits möglicher Härtefälle auf Seiten der Immobilieneigentümer wird in letzter Zeit verstärkt diskutiert, ob die Umlagefähigkeit der Grundsteuer im Rahmen der Reform ebenfalls geändert werden sollte. Schuldner der Grundsteuer ist derjenige, dem der Steuergegenstand zugerechnet wird (§ 10 Absatz 1 Grundsteuergesetz). Das ist in der Regel der Eigentümer des Grundstücks. Im Falle der Vermietung kann der Eigentümer aber die auf die Mietsache entfallende Grundsteuer nach § 2 Ziffer 1 Betriebskosten Verordnung (BetrKV) auf den Mieter umlegen. Befürworter einer Neuregelung der BetrKV fordern, die Umlegbarkeit der Grundsteuer in der Betriebskostenverordnung zu streichen, um Mieter finanziell zu entlasten. Weil die Grundsteuer ansonsten in ihrer Höhe nicht in Frage gestellt wird, käme es zu einer entsprechen- den Mehrbelastung von vermietenden Eigentümern.
Grundsätzlich ist es im ökonomischen Lehrbuchmodell irrelevant, ob die Zahllast der Steuer formal auf Seiten der Anbieter (Vermieter) oder Nachfrager (Mieter) liegt. Die tatsächliche Traglast der Steuer ergibt sich aus dem Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage. In den beliebten Märkten mit hohen Mietsteigerungen ist anzunehmen, dass die Mieter auch einen Großteil der Grundsteuer tragen. Dafür werden die Vermieter in weniger nachgefragten Märkten und mit hohem Leerstand Abstriche bei der Nettomiete aufgrund der Grundsteuer hinnehmen müssen. Allerdings ist der Mietwohnungsmarkt in seiner Funktionsweise deutlich komplexer als das Lehrbuchmodell. Grundsätzlich muss auf dem Wohnungsmarkt zwischen Neuvermietungen und Bestandsverträgen unterschieden werden, weil für diese unterschiedliche Regelungen greifen. Mieter und Vermieter können sich nur bei Neuvermietungen frei über die Miethöhe einigen. Allerdings ist die Vertragsfreiheit auch bei Neuvermietungen durch die sogenannte Mietpreisbremse in den letzten Jahren eingeschränkt worden (§§ 556d – 556g BGB). Dennoch können Mieter und Vermieter bei Abschluss eines neuen Mietvertrags am ehesten gemäß dem Standardmodell über die Höhe der Nettomiete unter Berücksichtigung der Betriebskosten verhandeln. In laufenden Mietverträgen hingegen gelten andere Rahmenbedingungen (§§ 557 – 561 BGB). In der Regel wird mietvertraglich vereinbart, dass die Betriebskosten auf den Mieter umgelegt werden. Ein Recht zur Minderung der Nettomiete hat der Mieter aufgrund einer Grundsteuererhöhung nicht. Mögliche Mietminderungen müsste er mit seinem Vermieter individuell aus- handeln. Dabei dürfte der Mieter aber aufgrund seiner hohen Mobilitätskosten eine schwache Verhandlungsposition haben. Daher ist in Bestandsmietverträgen damit zu rechnen, dass die Mieter regelmäßig die Erhöhung der Grundsteuer tragen.
Welche Folgen hätte nun eine Streichung der Grundsteuer aus der Betriebskostenverordnung? Auch hier ist zwischen Neu und Bestandverträgen zu unterscheiden. Bei Neuverträgen dürfte sich die Verhandlungssituation nicht wesentlich verändern. In den beliebten Ballungs- räumen, in denen die Vermieter eine starke Verhandlungsposition haben, dürften die geforderten Nettomieten im Umfang der Grundsteuer steigen. Wirtschaftlich bringt dies weder dem Mieter noch dem Vermieter einen Vorteil. Die Mieter müssen zwar die Grundsteuer nicht mehr zahlen, aber dafür steigt die Nettomiete entsprechend. Die höhere Nettomiete bedeutet aber auch für den Vermieter keinen Gewinn, da die Grundsteuer nicht mehr als Betriebskosten auf den Mieter umlegt werden kann.
Die Auswirkungen auf Bestandsmietverträge sind vielschichtiger. Grundsätzlich können Vermieter in laufenden Mietverhältnissen Anpassungen der Mieten bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete vom Mieter verlangen. Die ortsübliche Vergleichsmiete entspricht der Miete, die innerhalb einer Gemeinde für eine vergleich- bare Wohnung üblicherweise verlangt werden kann. Bestimmt wird die ortsübliche Vergleichs- miete in der Regel durch einen Mietspiegel, wo- bei auf die Nettomiete abgestellt wird.[9] Fällt die Umlagefähigkeit der Grundsteuer weg, können Vermieter die Einnahmeausfälle nur dann über eine höhere Nettomiete kompensieren, wenn sie bislang den gesetzlich erlaubten Spielraum nicht ausgeschöpft haben. Sofern die Bestandsmiete das ortsübliche Niveau bereits abbildet oder darüber liegt, ist eine Erhöhung aufgrund des Wegfalls der Umlegbarkeit der Grundsteuer nicht möglich. Inwiefern dies juristisch mit dem Rückwirkungsverbot vereinbar ist, soll hier nicht diskutiert werden.
Folgen für die Mietspiegel
Allerdings stellt sich die Frage, ob der Wegfall der Umlagefähigkeit der Grundsteuer nicht auch Rückwirkungen auf die Mietspiegel haben müsste. Mietspiegel basieren in der Regel auf den innerhalb der letzten vier Jahre abgeschlossenen oder geänderten Nettomieten. Die Höhe der Nettomiete aber hängt, wie gezeigt, von der Umlagefähigkeit der Grundsteuer ab. Daher wären die Mietspiegel bei Wegfall der Umlagefähigkeit der Grundsteuer nicht mehr geeignet, die Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete wiederzugeben.
Eine Erhebung der benötigten Daten zur Berechnung der neuen Mietspiegelwerte ist aufgrund des Vergangenheitsbezugs der Mietspiegel nicht möglich. Daher müsste der Gesetzgeber die kontrafaktische Frage beantworten, wie hoch die Nettomiete bei in den letzten vier Jahren neu abgeschlossenen oder geänderten Mietverträgen gewesen wäre, wenn zum Zeit- punkt des Vertragsabschlusses oder der Mietänderung die Grundsteuer nicht umlagefähig gewesen wäre?
Das Problem ist im Mietrecht keineswegs unbekannt, da es bereits gegenwärtig sogenannte Inklusiv- oder Teilinklusivmietverträge gibt, bei denen die Betriebskosten insgesamt oder teil- weise in der Vertragsmiete enthalten sind. In diesen Fällen dürfen Vermieter einen Aufschlag in Höhe der tatsächlich angefallenen Betriebskosten auf die im Mietspiegel ausgewiesene Nettomiete vornehmen.[10] Ein pragmatisches Vorgehen bei einer Änderung der Überwälzbarkeit der Grundsteuer könnte also darin bestehen, Vermietern in Vorreform Bestandsverträgen einen Zuschlag auf die in den Mietspiegeln ausgewiesene ortübliche Vergleichsmiete in Höhe des tatsächlich anfallenden Grundsteuerbetrags zu erlauben. Damit wird implizit unterstellt, dass die Grundsteuer in Bestandsverträgen vollständig auf den Mieter überwälzt werden kann. Diese Annahme ist aufgrund der Verhandlungssituation in laufenden Verträgen zumindest in den Mietwohnungsmärkten der großen Ballungsräume nicht unplausibel.
Bei der Erstellung von Mietspiegeln nach der Betriebskostenverordnung ist zu berücksichtigen, dass für einen Zeitraum von bis zu vier Jahren[11] Mieten einfließen können, die vor der Reform vereinbart bzw. geändert wurden. Ein pragmatisches Vorgehen könnte wiederum darin bestehen, die Vorreform-Mieten um den Grundsteuerbetrag zu erhöhen. Die Mietspiegel würden dann die ortsübliche Vergleichsmiete ausweisen, die sich bei vollständiger Überwälzbarkeit der Grundsteuer während des betrachteten Vorreform-Zeitraums ergeben hätte.
Überwälzbarkeit in gesamtwirtschaftlicher Betrachtung
Eine gesamtwirtschaftliche Analyse der Überwälzbarkeit der Grundsteuer kann zu anderen Ergebnissen führen als die oben vorgenommene Partialbetrachtung für einen einzelnen Markt.[12] Der Unterschied liegt darin, dass bei einer gesamtwirtschaftlichen Betrachtung auch die Rückwirkungen der Grundsteuer auf andere Märkte wie z.B. den Arbeits- und Kapitalmarkt einbezogen werden. Wie sich die Überwälzbarkeit aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive letztlich darstellt, hängt von zahlreichen Faktoren ab: So macht es einen Unterschied, ob nur eine Gemeinde die Grundsteuer erhöht oder ob auch benachbarte Gemeinden die Hebesätze anheben. Zudem ergeben sich unterschiedliche Überwälzungswirkungen in Abhängigkeit von der Bemessungsgrundlage. So dürfte die Überwälzbarkeit bei einer nur am Gebäudewert orientierten Grundsteuer höher sein als bei einer Grundsteuer, die die Bodenrenten zur Bemessungsgrundlage hat.[13] Und auch der betrachtete Zeithorizont spielt eine wesentliche Rolle, da Anpassungsprozesse auf dem Immobilienmarkt in der Regel einige Jahre benötigen. Eine grundsätzliche Aussage zur Überwälzbarkeit der Grundsteuer aus gesamtwirtschaftlicher Sicht in Deutschland, wo die Kommunen die Hebesätze autonom bestimmen können und sowohl der Boden als auch die Gebäude in die Bemessungsgrundlage einfließen, ist daher schwierig. Neuere empirische Ergebnisse sprechen dafür, dass eine Grundsteuererhöhung kurzfristig zu sinkenden Nettomieten in Neuverträgen führt. Mittelfristig nähern sich die Neuvertragsmieten aber wieder dem Niveau vor der Grundsteuererhöhung an.[14]
Fazit
Die Reform der Grundsteuer wird zu Belastungsverschiebungen führen, auch wenn die Reform aufkommensneutral durchgeführt wird. Das folgt unmittelbar aus der Verfassungswidrigkeit der Einheitswerte, die die aktuellen Wertverhältnisse unzulässig verzerren. Die Höhe der Belastungsverschiebungen wird in der Diskussion aber oftmals überschätzt, weil Anpassungsreaktionen auf kommunaler Ebene vernachlässigt werden. Es bleibt daher zu hoffen, dass die Politik rechtzeitig einen tragbaren Kompromiss findet und nicht leichtfertig eine wichtige kommunale Einnahmequelle aufs Spiel setzt. Sollte im Zuge der Reform der Grundsteuerbemessungsgrundlage die Umlagefähigkeit der Grundsteuer als Betriebskosten auf den Mieter ebenfalls geändert werden, müssen die Rückwirkungen auf das Mietspiegelsystem berücksichtigt werden. Wenn das Mietspiegelsystem nicht für verteilungspolitische Ziele instrumentalisiert werden soll, dürften die finanziellen Entlastungswirkungen einer Streichung der Umlagefähigkeit der Grundsteuer für die Mieter begrenzt sein.
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[1] Hier wird nur die für bebaute und unbebaute Grundstücke relevante Grundsteuer B diskutiert. Die für land- und forstwirtschaftliche Flächen geltende Grundsteuer A wird nicht behandelt
[2] http://docs.dpaq.de/14480-eckpunkte_zur_grundsteuerreform_01.02.2019.pdf
[3] Vgl. Fuest et al (2018): Die Grundsteuer in Deutschland: Finanzwissenschaftliche Analyse und Reformoptionen, Studie im Auftrag von Haus & Grund Deutschland – Zentralverband der Deutschen Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer e.V. sowie ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss e.V.
[4] Vgl. Bach/ Michelsen(2018): WAM statt WUM, auf Makronom.de: https://makronom.de/grundsteuerre- form-wam-statt-wum-29565.
[5] Vgl. Destatis (2018): Realsteuervergleich, Fachserie 14, Reihe 10.1.
[6] Vgl. Blesse et al (2018): Higher Taxes on Less Elastic Goods? Evidence from German Municipalities, ZEW Dis- cussion Paper No. 18-039 und Füss/Lerbs (2017): Do Local Governments Tax Homeowner Communities Differently? ZEW Discussion Paper No. 17-036.
[7] Vgl. FN 4
[8] Vgl. Löhr (2017): Grundsteuerreform: Ende einer Odyssee? Ergebnisse einer zahllastbezogenen Analyse, in: Wirtschaftsdienst, Heft 11, S. 809-816. Allerdings könnte es sein, dass das Flächenmodell (abhängig von der konkreten Ausgestaltung) zu einer deutlichen Mehrbelastung von Nichtwohnnutzungen insbesondere abseits der Ballungsräume führt.
[9] Vgl. Börstinghaus/Clar (2013): Mietspiegel, Ziffer 265
[10] Vgl. Börstinghaus/Clar (2013): Mietspiegel, Ziffer 463 und die dort angegeben Quellen.
[11] Sollte der Betrachtungszeitraum verlängert werden, müsste die Übergangsphase entsprechend verlängert werden
[12] Vgl. für verschiedene Ansätze Mieszkowki (1972): The Property Tax: An Excise Tax or a Profits Tax? In: Journal of Public Ecnomics, Heft 1, S. 73-96.
[13] Vgl. Löhr (2019): Grundsteuerreform: Abschaffung der
Umlagefähigkeit? In: BetriebsBerater, 74. Jg., S. 9596.
[14] Vgl. Löffler/Siegloch (2018): Property Taxation, Housing, and Local Labor Markets: Evidence from German Municipalities, mimeo.
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