Bereits zweimal (hier; Â hier) wurden in diesem Blog die jüngsten Entwicklungen in Sachen Erbschaftsteuer dokumentiert. Gerade in den jüngsten Wochen vergeht kaum ein Tag ohne entsprechende Meldungen in den Medien über die schon beinahe hektischen Entwicklungen, nachdem ein erster Referentenentwurf des Bundesfinanzministeriums auf teilweise harsche Kritik gestoßen ist.
Dass die Diskussion dabei zumeist am Kern der Problematik vorbeigeht, kann hier nach den beiden ersten Beiträgen ebenso außer Acht bleiben wie Spekulationen, warum dies selbst in einschlägigen Fachmedien mitunter der Fall ist. Vielmehr soll ein aktueller Blick über den Zaun erfolgen, denn die fachliche Lücke in einschlägigen Kommentaren wird zumeist mit Thesen zu der „Gerechtigkeit“ und der „Stimmung in der Gesellschaft“ gefüllt, die freilich ohne empirische Befunde nichts weiter als belanglose Sprechblasen sind.
Immerhin weisen derartige Argumentationsmuster tendenziell auf den „Gemeinsinn“, der sich freilich in einer Demokratie weniger in unverbindlichen Befragungen als in Wahlen und Abstimmungen zu Sachfragen ablesen lässt, die der Politik verbindliche Vorgaben machen. In der plebiszitfreundlichen Schweiz kam es nun am 14.6.2015 zu einer Volksabstimmung, die von der Volksinitiative für eine nationale Erbschaftsteuer auf den Weg gebracht worden war. Für die nicht zuletzt aus dem Kreis von Sozialdemokraten und Gewerkschaften stammenden Initiatoren wurde das Referendum zum Desaster: Über 70 Prozent stimmten gegen den Vorschlag. So bleibt es bei der Zuständigkeit der Kantone, deren bisherige Gesetzgebung gegenüber dem Plebiszitvorschlag zu einem dramatisch geringeren Steueraufkommen führt und fast überall direkte Nachkommen von der Steuer befreit.
Volkes Stimme spricht also bei unseren Nachbarn im Südwesten für ein völlig anderes Gerechtigkeitsgefühl als die Apologeten einer Verschärfung der Erbschaftsteuer hierzulande behaupten. Würde man sich an Schweizer Verhältnissen orientieren, wäre vielmehr eine deutliche Reduktion der deutschen Steuerbelastung angesagt und insbesondere der unmittelbare Generationenübergang von Vermögen müsste in der Reformagenda ganz anders angegangen werden. Das Mindeste, was man aus dem Votum vom 14.6.2015 für die hiesige Erbschaftsteuerdiskussion schließen muss, ist jedenfalls, dass man mit dem Gerechtigkeitsempfinden vorsichtiger umgehen sollte, wenn man den Griff in fremde Portemonnaies fordert.
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„dass man mit dem Gerechtigkeitsempfinden vorsichtiger umgehen sollte, wenn man den Griff in fremde Portemonnaies fordert“
Es ging ja gar nicht um Gerechtigkeit. Gerechtigkeit wofür? Dass mein Nachbar mehr verdient als ich? Dass mein kinderloser Freund sein Einkommen lieber ausgibt, als es zu sparen? Dass mein Vater das Geld erspart hat, um mir und meinen Geschwistern eine gute Ausbildung zu ermöglichen oder um im Falle einer längeren schweren Krankheit der Arbeitslosigkeit ohne fremde Hilfe für sein Wohlergehen sorgen zu können.
Mit der Annahme der Steuer wäre zwar der Staat reicher geworden, aber die einzelnen Bürger hätten nicht einmal Krumen abbekommen. Von Umverteilung keine Rede, der Staat steckt alles in seine Tasche und käme nie und nimmer auf die Idee, dafür andere Steuern zu ermässigen.
Es ist wohl eher Missgunst, die hinter dieser Initiative stand; es gibt eben Leute die sparen, andere die stattdessen ihr Geld ausgeben. Sowohl Einkommen als auch Vermögen (und ihre Zinsgewinne) werden besteuert. Niemand käme auf die Idee, diese Vermögen schon zu Lebzeiten zu kappen (Industrie und Banken arbeiten mit diesem Geld), sobald aber der Vermögensinhaber die Augen schliesst, stehen die Aasgeier am Grab.