Seit rund 20 Jahren wird die Vermögensteuer in Deutschland nicht mehr erhoben; sie wurde aber nicht abgeschafft. Im Bundestagswahlkampf 2013 forderten die Grünen, DIE LINKE und die SPD, die Vermögensteuer wieder zu erheben. Mit Blick auf die Bundestagswahl 2017 wird diese Forderung von verschiedenen Seiten erneuert. Jetzt hat der Bundeswirtschaftsminister erklärt, er unterstütze die Einführung einer privaten Vermögensteuer, wenn sich dieser Weg als gangbar erweisen sollte (Schäfers 2016a); das Betriebsvermögen solle nicht belastet werden. Eine Studie zu den möglichen Mehreinnahmen des Staates hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung veröffentlicht (Bach und Thiemann 2016). Sie verweist freilich auf Ausweichreaktionen der Steuerpflichtigen, die das Mehraufkommen nennenswert verringern könnten.
Der Ökonom staunt: Vermögen ist das auf die Gegenwart diskontierte Einkommen der Zukunft. „Vermögen erhält seinen Wert durch die Antizipation erwarteter Erträge in Form zukünftiger Überschüsse. Aufgrund dieses funktionalen Zusammenhangs kann man … beide Besteuerungsbereiche vereinheitlichen und die Steuerwirkung von Substanzsteuern in eine … Belastung von Erträgen umrechnen et vice versa“ (Knoll 2014).
Das bedeutet: Wenn schon – als Alternative zu einer Einkommensteuer – eine Konsumsteuer, für die Effizienzüberlegungen sprechen, abgelehnt wird, dann sollte entweder eine Einkommensteuer oder eine Vermögensteuer erhoben werden. Beides zu tun, verursacht unnötig hohe Kosten.
Es wird freilich – schon immer – argumentiert, dass Vermögen ein eigenständiger Indikator für die Fähigkeit sei, zur Finanzierung der Staatsausgaben beizutragen (vgl. aktuell Iara 2016, S. 23). Dieses Argument erscheint aber unsinnig angesichts der Definition von Vermögen. Das gilt umso mehr, als eine Vermögensteuer nach den traditionellen Regeln das Humankapital nicht belasten würde und das Vermögen in Form von Ansprüchen an die Gesetzliche Rentenversicherung oder an Systeme der betrieblichen Altersvorsorge nicht treffen würde.
Wenn die Einkommensteuerbelastung politisch als unzureichend eingestuft wird, dann ist die Einkommensteuer zu ändern und nicht die Vermögensteuer wieder zu erheben. Freilich sollte beachtet werden, dass die Einkommensteuerbelastung – auch infolge der kalten Progression – hoch ist und dass deshalb eine Entlastung angezeigt ist (Boss 2015). Selbst der Bundesfinanzminister räumt ein, dass eine Entlastung angebracht sei. „Es kann doch … nicht sein, dass ein Alleinstehender schon bei rund 53Â 000 Euro Jahreseinkommen den Spitzensteuersatz zahlt“ (Wolfgang Schäuble in Schäfers 2016b).
Literatur
Bach, Stefan, und Andreas Thiemann (2016). Hohes Aufkommenspotential bei Wiedererhebung der Vermögensteuer, in: DIW Wochenbericht Nr. 4, S.79-89.
Boss, Alfred (2015). Die „kalte Progression“: Was ist zu tun? WiST 44 (5), S. 252-258.
Iara, Anna (2015). Wealth distribution and taxation in EU Members. Taxation Papers, Working Paper N. 60 – 2015. European Commission, Office for Official Publications of the European Communities, Luxembourg.
Knoll, Leonhard (2016). Die beliebtesten Irrtümer in Steuerdiskussionen.
Schäfers, Manfred (2016a). Gabriel liebäugelt mit Vermögensteuer. Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 132, 9. Juni, S. 17.
Schäfers, Manfred (2016b). Schäuble zeigt sich spendabel und ist doch knickerig. Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 132, 9. Juni, S. 19.
- Die Bundesagentur für Arbeit „schwimmt im Geld“: Was tun? - 5. August 2017
- Arbeitslosengeld für einen verlängerten Zeitraum? - 2. März 2017
- Mehr Steuerwettbewerb nach dem Brexit? - 21. Dezember 2016