Für Universitäten und Forschungseinrichtungen gilt in Deutschland seit dem Jahr 2007 ein Sonderarbeitsrecht, das sogenannte Wissenschaftszeitvertragsgesetz (Wissenschaftszeitvertragsgesetz vom 12. April 2007 (BGBl. I S. 506), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 11. März 2016 (BGBl. I S. 442) – WissZeitVG), das mit Wirkung vom 17. März 2016 novelliert wurde. Dieses Arbeitszeitgesetz, das eine zeitliche Befristung der Arbeitsverträge für wissenschaftliches und künstlerisches Personal zulässt, steht mit einer gewissen Regelmäßigkeit zur öffentlichen Debatte. Die ursprüngliche Regelung sah im wesentlichen eine Begrenzung der befristeten Arbeitsverträge für wissenschaftliches und künstlerisches Personal des akademischen Mittelbaus auf insgesamt zwölf Jahre (sechs Jahre vor der Promotion und sechs Jahre danach) vor.
Anlass für die Neuregelung war, dass aus Sicht der Regierung die Befristungen im Wissenschaftsbetrieb ein Ausmaß erreicht haben, das so nicht mehr vertretbar sei. Vor diesem Hintergrund wurde mit dem Gesetz geregelt, daß sich zukünftig die Befristung der Arbeitsverträge für wissenschaftliches Personal an der Länge der Qualifikationsphase (z. B. des Promotionsvorhabens) oder des betreffenden Drittmittelprojektes auszurichten habe. Die an einigen Hochschulen gängige Praxis von Halbjahresverträgen solle fortan nur als Überbrückungsphase dienen bzw. nur in Einzelfällen durch spezielle Gründe ermöglicht werden. Ziel des Gesetzes ist v.a. die bessere Planbarkeit von Karriere und Familie der Wissenschaftler. Vor diesem Hintergrund wurde die zulässige Befristungsdauer um 2 Jahre pro Kind unter 18 Jahren erhöht und die befristeten Arbeitsverträge um die in Anspruch genommene Elternzeit verlängert.
Wie ist nun das Wissenschaftszeitvertragsgesetz aus ordnungsökonomischer Sicht zu beurteilen?
Die Interessenlagen sind weitgehend offenkundig: Im Interesse des akademischen Mittelbaus dürfte es vornehmlich sein, eine vernünftige Perspektive zu erhalten, die eine sinnvolle Planung u.a. auch der Familie ermöglicht und die Existenzängste beseitigt. Der akademische Mittelbau dürfte damit nach einem unbefristeten Arbeitsvertrag streben, der aber von seiner Seite mit entsprechenden Kündigungsfristen auflösbar ist.
Die Universität (natürlich ist die Universität keine anthropomorphe Handlungseinheit; besser wäre hier zu sagen: die Universitätsleitung und die Professorenschaft) hat ein Interesse an der Durchsetzung des Rotationsprinzips, das für einen schnelleren Generationswechsel im Hochschul- und Forschungsbetrieb sorgen soll und vor allem vor dem Hintergrund zu sehen ist, daß unbefristete Verträge an den Universitäten nahezu nicht von Seiten der Universität wohl aber von Seiten der Beschäftigten kündbar sind. Die Universität hat somit ein Interesse, sich insbesondere vor moral hazard zu schützen.[1] Dies gelingt ihr am besten durch die Befristung von Arbeitsverträgen oder eben durch die Möglichkeit, einen unbefristeten Arbeitsvertrag entsprechend zu kündigen.
Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz kommt damit zunächst einmal den Interessen der Universität entgegen, da es zeitlich befristete Arbeitsverträge ohne weitgehende Begründung ermöglicht. Die Novellierung engt wiederum den Spielraum der Universität zugunsten des akademischen Mittelbaus wieder etwas ein. Fakt ist jedoch, daß das Gesetz den Interessen des akademischen Mittelbaus auf Planungssicherheit nur sehr eingeschränkt entgegenkommt. Gleichwohl sind auch die Spielräume der Universität, bewährte Kräfte aus dem akademischen Mittelbau langfristig zu binden, sehr eingeschränkt.
Damit stellt sich aus ordnungsökonomischer Sicht die Frage, ob es überhaupt einer besonderen Regelung bedarf. Wenn man annimmt, daß man Arbeitsverhältnisse von beiden Seiten unter Einhaltung angemessener (was auch immer das sein mag) Kündigungsfristen auflösen kann, so wäre eine besondere Stärkung der Interessen des akademischen Mittelbaus dann zu rechtfertigen, wenn hier entsprechende Informationsnachteile auf Seiten des akademischen Mittelbaus oder eben Marktmacht auf Seiten der Universität vorlägen.
Tatsächlich handelt es sich beim akademischen Mittelbau um eine Bevölkerungsgruppe, der man (und wem dann überhaupt sonst) unterstellen kann, daß sie ihre Interessen kennt, diese formulieren und auch die Folgen ihrer Entscheidungen einschätzen kann. Das Argument der Informationsasymmetrie ist hier also kaum anwendbar. Besteht Marktmacht auf Seiten der Universität? Die Universität hat ein Interesse, die fähigsten Köpfe bzw. die besten Absolventen eines Jahrgangs für die Forschung und die Lehre zu gewinnen. Damit stehen Universitäten in einem zunehmend sich intensivierenden Wettstreit mit privatwirtschaftlichen Arbeitgebern um die besten Akademiker. In den meisten Branchen werden dabei Berufseinsteigern Gehälter gezahlt, mit denen die Universitäten nicht im entfernsteten mithalten können. Die Universität muß also zur Rekrutierung des akademischen Mittelbaus noch andere Aktionsparameter wie etwa die Möglichkeit, einen Doktorgrad zu erwerben, einsetzen. Insofern dürfte die Marktmacht der Universität auf diesem Markt als nicht existent bezeichnet werden. Damit können wir festhalten, daß unter der Maßgabe, daß man Arbeitsverhältnisse von beiden Seiten kündigen kann, eine Sonderregelung für den akademischen Mittelbau eigentlich nicht notwendig wäre.
Tatsache ist jedoch, daß die Möglichkeiten der Auflösung eines unbefristeten Arbeitsvertrags durch die Universität allenfalls als sehr eingeschränkt zu beurteilen sind. Unter diesen Umständen kann eine Kompensation in Form der Zulässigkeit befristeter Arbeitsverträge durchaus sinnvoll sein. Das moral hazard-Risiko läßt sich damit für die Universität einschränken.
Zu fordern wäre also aus ordnungsökonomischer Sicht eher eine Abschaffung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes und die Möglichkeit für beide Seiten, Arbeitsverhältnisse unter Berücksichtigung einer angemessenen Kündigungsfrist auflösen zu können.
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[1] Die Problematik des adverse selection läßt sich durch die Probezeit weitgehend beseitigen.
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