Der HSH Nordbank-Verkauf
Trauriger Schlusspunkt eines Lehrstücks über Staatsversagen

Die HSH Nordbank, ein Zusammenschluss der Landesbanken von Hamburg und Schleswig-Holstein, galt einst als ein Vorzeigeinstitut der deutschen Landesbanken-Szene. Ihr Absturz in den vergangenen Jahren war dramatisch. In diesen Tagen wird die Bank nun befreit von Altlasten an zwei amerikanische Finanzinvestoren verscherbelt. Die beiden norddeutschen Bundesländer als bisherige Eigentümer werden dafür im schlimmsten Falle 10 bis 15 Milliarden Euro zuschießen müssen. Ihre Bürger werden die Hybris ihrer Landesregierungen und der Bankmanager, die mit der Bank ganz hoch hinauswollten, ausbaden müssen. Ein Lehrstück über Staatsversagen – ohne Aussicht auf Besserung.

Rückblende: Im Jahr 2004 befand sich ein frisch promovierter Volkswirt auf der Suche nach einer Stelle in Norddeutschland. Er bewarb sich bei der HSH Nordbank und hoffte auf eine Anstellung in der volkswirtschaftlichen Stabsabteilung. Jedoch wurde ihm mitgeteilt, dass er zwar sehr qualifiziert für eine derartige Stelle sei, dass aber die Hamburger und Kieler Stabsstellen fusioniert würden, um Personal einzusparen. Es gäbe aber eine aufstrebende Abteilung am Standort Kiel (sic!), die mit strukturierten Kreditprodukten handeln wolle und die ganz dringend nach Mitarbeitern suche. Der Volkswirt (heute Verfasser dieser Zeilen) lehnte das Angebot dankend ab, weil er keinerlei Ahnung von CDOs, MBOs & Co. hatte, was aber – so wurde ihm damals nachdrücklich versichert – auch nicht wirklich nötig wäre.

Offenbar muss die HSH Nordbank noch genügend Mitarbeiter für diese Geschäfte gefunden haben, denn schon bald spielte man fleißig mit in der Liga der ehemals braven Landesbanken mit neuem globalen Anspruch. Der Auslöser dafür war ebenso simpel wie aufschlussreich. In der damaligen Zeit stand der Wegfall der Gewährträgerhaftung bevor, einer Staatsgarantie, die den Landesbanken höchste Bonität und damit günstige Finanzierungsbedingungen sicherte – ein ebenso wettbewerbsverzerrendes wie nicht EU-konformes Privileg. Da die Landesbanken bis dahin mit ihren künstlich erhöhten Gewinnen und Abführungen an die Landeshaushalte zu den Lieblingsspielzeugen der Landespolitik gehörten, drängten viele Aufsichtsräte, besetzt mit reichlich lokaler Politikprominenz, ihre Vorstände zu glamouröseren und ertragreicheren, aber – wie man mit ein wenig volkswirtschaftlichem Sachverstand leicht hätte erahnen können – eben auch deutlich riskanteren Geschäften. Offenbar ohne größere Expertise (siehe Stellenangebot) drehte man auch bei der HSH Nordbank mit am großen Rad der globalen Finanzindustrie, bis mit der Lehman-Pleite und der einsetzenden Finanzkrise der Zusammenbruch begann und ein erstes großes Rettungspaket für die Bank nötig wurde.

Bis hierhin ist die Geschichte der HSH Nordbank nicht viel anders verlaufen als beispielsweise die der längst untergegangenen WestLB. Doch in Hamburg und Kiel wollte man die Geschichte unbedingt noch weiterschreiben und kam auf eine neue Geschäftsidee, die alles noch viel teurer machte, als es ohnehin schon war. Das in der Finanzkrise nötig gewordene Rettungspaket und das Anziehen der Konjunktur in Deutschland hatten die Situation der HSH Nordbank um das Jahr 2010 herum aus Sicht der Anteilseigner und Vorstände so weit stabilisiert, dass man allen Ernstes glaubte, die vermeintlich einmalig günstige Gelegenheit nutzen zu können, zu einem der – wenn nicht sogar zu dem – weltgrößten Schiffsfinanzierer zu werden, ein zumindest für einen Hamburger absolut stimmiger Gedanke. Während anderswo, etwa bei der Commerzbank, die Schiffsfinanzierungen abgestoßen wurden, um die Bankbilanzen zu stabilisieren, baute man in Hamburg das Geschäft munter aus.

Die Landespolitik schaute dem Treiben ehrfürchtig-bewundernd zu und äußerte als Eigentümer keinerlei Einwände, gilt doch in Norddeutschland der eherne Grundsatz, dass das, was für die Reeder (bzw. Werften bzw. Häfen) gut ist, auch für eine Stadt oder das Land gut sein muss. Dies führte in der Vergangenheit – gerne durch die umtriebige „Küstengang“ in Bonn und Berlin angestoßen – u.a. zu den bei Zahnärzten und Rechtsanwälten so beliebten Containerschiff-Steuersparmodellen, zu absurden Werftrettungen mit anschließendem Untergang (z.B. beim Bremer Vulkan), überteuerten Marineschiffbauten oder zur Tonnagesteuer, die – anders als es der Name suggeriert – eine Steuersubvention ist. In konsequenter Fortführung dieser Maßnahmen waren die frühen 2010er Jahre dann die Zeit der Schiffsfinanzierungsweltmarktführerphantasien, die es politisch zu unterstützen galt. Zu dumm nur, dass die flaue Weltwirtschaft, massive Überkapazitäten durch immer neue Containerschiffe sowie stark fallende Frachtraten im Containerverkehr das Geschäftsmodell mit den Schiffsfinanzierungen in kürzester Zeit einbrechen ließen. Schlecht für die HSH Nordbank, die nun endgültig zum Sanierungsfall wurde; dumm für Hamburg und Schleswig-Holstein, die als Hauptanteilseigner die Sanierungskosten schultern müssen.

Immerhin: Bei allem Unerfreulichen dieser Geschichte gab es auch einen Lichtblick (wenn auch nicht für die unmittelbar Beteiligten): das harte Durchgreifen der europäischen Wettbewerbshüter. Die EU-Kommission stellte die beiden Landesregierungen nämlich vor die Wahl zwischen der Abwicklung der Bank nach dem Vorbild der WestLB oder ihren Verkauf an private Investoren. Nicht zur Wahl stand dagegen die Option, die Bank mithilfe zusätzlicher Staatsgarantien und Steuermittel künstlich am Leben zu halten und noch mehr Schaden für den Steuerzahler, aber auch für die private Konkurrenz zu verursachen. Die Kommission hat damit ein klassisches „Ende mit Schrecken“ statt eines „Schreckens ohne Ende“ erzwungen. Man muss der EU hierfür dankbar sein, so schmerzhaft das Ergebnis für die Hamburger und Schleswig-Holsteiner Bürger auch sein mag.

Kein Mitleid verdient hat die Landespolitik in Hamburg und Schleswig-Holstein, deren Versagen so eklatant ist wie es folgenlos bleiben dürfte. Politische Konsequenzen – insbesondere für die seinerzeit Verantwortlichen – dürfte es kaum geben. Den Schwarzen Peter hat man geschickt den Managern der Bank wie dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Dirk Jens Nonnenmacher zugeschoben, die der Politik dieses Manöver durch ihr wenig schmeichelhaftes Auftreten allerdings auch leichtgemacht haben. Man könnte hierüber möglicherweise hinwegsehen, wenn das Ergebnis dieses wirtschaftspolitischen Desasters ein Lernprozess der Politik wäre, der zu einer Selbstbeschränkung der Politik im Markt und einer Rückkehr zu ordnungspolitischen Grundsätzen führte.

Deutlich wahrscheinlicher ist allerdings, dass nicht einmal ansatzweise Lehren für die Zukunft gezogen werden, weder hier noch anderswo. Denn was sich in einem immer noch überschaubaren Rahmen in Deutschlands Norden mit seinen Reedern und deren Hausbank abgespielt hat, ist auch im Rest der Republik regelmäßig zu beobachten. Anderswo mögen es andere Branchen sein, deren Nähe zur Politik für Verbraucher, Arbeitnehmer und Steuerzahler langfristig schädlich ist, der Mechanismus ist aber stets derselbe. So muss man kein Prophet sein, um zu ahnen, dass das Thema Dieselautos in den nächsten Jahren noch zur „HSH Nordbank im Quadrat“ werden könnte.

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