Gastbeitrag:
Marktwirtschaft

Die Krise auf den internationalen Finanzmärkten hat nicht nur immense direkte Kosten zur Folge, sondern bringt zudem eine Reihe von Kollateralschäden mit sich, wie unter anderem die zunehmend schwindende Akzeptanz eines marktwirtschaftlichen Systems. Schon seit geraumer Zeit verneint Umfragen zu Folge ein zunehmender Anteil der Bevölkerung die Frage, ob sich die Soziale Marktwirtschaft hierzulande bewährt habe. Denn die Soziale Marktwirtschaft sei mitverantwortlich dafür, dass die Geldgier der Finanzmarktakteure die Finanzwelt an den Abgrund geführt habe. Die Gewinne würden bei den Reichen privatisiert, die Verluste den Steuerzahlern aufgebürdet.

Als zweiter Vorwurf gegen die Marktwirtschaft wird angeführt, dass wirtschaftliche Erfolge nicht bei den Arbeitnehmern ankämen, sondern zu höherer Armut führten.

Zunächst gilt es, bei der Finanzmarktkrise die Schuldzuweisungen zurechtzurücken. Bekanntlich liegt die Ursache der Finanzmarktkrise in den Vereinigten Staaten und dortiges Politikversagen spielt bei der Ursachenanalyse eine gewichtige Rolle. Die Geldpolitik der Fed war eindeutig viel zu expansiv und hat die Entwicklung der Immobilienpreisblase angefeuert. Ebenso wenig wie dieses geldpolitische Fehlverhalten kann der Marktwirtschaft angelastet werden, dass die staatliche Wirtschaftspolitik die staatsnahen Hypothekenbanken Fanny Mae und Freddy Mac nachdrücklich gedrängt hat, Kredite selbst an „Ninja-Haushalte“ zu gewähren (Ninja: no income, no job, no assets).

Auf dieses Politikversagen aufmerksam zu machen, bedeutet keinen Freispruch für Banker. Jedoch hat niemand im Ernst behauptet, die Akteure in einem marktwirtschaftlichen System seien gegen Irrtümer gefeit. Risikobehaftete Geschäfte können eben auch scheitern. Und was die dämonisierte Raffsucht der Bankmanager anbelangt – die Jagd der Kleinanleger nach hohen Renditen ist natürlich etwas Edles –, so sitzen auf Grund der Unternehmensmitbestimmung Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat, welcher über die Vergütung der Vorstandsmitglieder befindet und allfällige Veränderungen vornehmen kann.

Die beklagte, als unzureichend empfundene Teilhabe der Arbeitnehmer am zu Ende gegangenen Konjunkturaufschwung eignet sich ebenfalls nicht für einen Frontalangriff auf das hiesige marktwirtschaftliche System. Dass in der öffentlichen Diskussion mitunter suggeriert wird, rund ein Fünftel der Bevölkerung sei von Armut betroffen, grenzt an Volksverdummung. Die betreffenden Armutsfunktionäre verwenden nämlich mit Vorliebe relative Armutsmaße – mit der abenteuerlichen Konsequenz, dass die Armutsquote etwa in Entwicklungsländern niedrig ist, weil dort fast alle Bürger arm sind, wohingegen bei uns die Armutsquote unverändert bleibt, selbst wenn sich sämtliche Einkommen verdoppelten!

Die Ursachen für die zunehmende Spreizung der Markteinkommen liegen in einem technischen Fortschritt, der insbesondere gering qualifizierte Arbeit freisetzt und in einer Internationalisierung der Güter- und Arbeitsmärkte. Die hiesigen Systeme der sozialen Sicherung sind jedoch ziemlich erfolgreich bei der Umverteilung von Einkommen. Des Weiteren entspricht es erklärten arbeitsmarktpolitischen Zielen, wenn gering qualifizierte Arbeitslose niedrig entlohnten Tätigkeiten auf dem Arbeitsmarkt nachgehen und ihre Arbeitseinkommen mit Hilfe des Arbeitslosengelds II aufgestockt werden, sodass es zum Lebensunterhalt reicht. Die damit einhergehende Ausdifferenzierung der qualifikatorischen Lohnstruktur als Versagen eines marktwirtschaftlichen Systems zu brandmarken, ist abwegig. Und schließlich ist in diesem Zusammenhang wiederum Politikversagen zu konstatieren. Die Lohnpolitik hat in den vergangenen Jahren untere Lohngruppen überproportional begünstigt und die Sozialpolitik hat dafür gesorgt, dass für die Empfänger der seinerzeitigen Sozialhilfe eine Arbeitsaufnahme finanziell bestraft wurde.

2 Antworten auf „Gastbeitrag:
Marktwirtschaft“

  1. Die Volksverdummung in Bezug auf die allseits beklagte steigende Armut dürfte bald offenbar werden! In der jetzigen Kreditkrise wird wahrscheinlich die Masse der Deutschen plötzlich „reicher“ werden! Da werden sich aber viele die Augen reiben!

    Viele Menschen beklagen bekanntlich unsere Bildungsmisere und verstehen nicht, daß sie selber ein Opfer dieser Entwicklung sind!

    Helmut Bernemann

  2. Die Marktwirtschaft hat versagt.

    Die Kritiker haben Recht. Denn die real existierende Marktwirtschaft ist in Wirklichkeit eine Staatswirtschaft, ein „privatwirtschaftlicher Sozialismus“. Der Markt als Koordinationsmechanismus arbeitsteiliger Produktion (anstelle zentraler Planwirtschaft) wird akzeptiert, weil man sich davon Wohlstand verspricht. Da der Markt aber die Einkommen leistungsgerecht (und damit ungleich) verteilt, muss der Staat eingreifen, um die Verteilung „sozial gerecht“ zu gestalten, was nichts anderes bedeutet als „mehr Gleichheit an Einkommen und Vermögen“ (SPD-Parteiprogramm). Der lange Marsch ins sozialistische Paradies.

    Aber der Markt schlägt zurück: Er ist nur dann effizient und erzeugt Wohlstand, wenn er frei ist, wenn der Preis sich frei bilden kann. Nur dann gleicht er Angebot und Nachfrage aus, nur dann herrscht weder Mangel noch Überfluss. Die Verteilungseingriffe des Staates durch Verordnungen, Steuern und Subvention sowie durch staatlich legalisierte Kartelle und Monopole verzerren den Markt, was dazu führt, dass entweder zu viel oder zuwenig angeboten bzw. nachgefragt wird (Angebots- und Nachfragelücken).
    Dieser Zusammenhang wird dann unter dem Verdikt „Neoliberalismus“ unter politische Quarantäne gestellt. Denn im Mittelpunkt des politischen Universums steht die soziale Gerechtigkeit, um die sich die Ökonomie zu drehen hat. Die Folgen sind unübersehbar:

    Wenn das Tarifkartell zu hohe Löhne (mit über die Produktivität hinausgehenden Umverteilungskomponenten) verordnet, dann könnte man dies als einen Sieg der sozialen Gerechtigkeit feiern, wenn nicht der Markt mit einem Rückgang der Nachfrage reagieren würde, die zur Abwanderung von Arbeitsplätzen und damit zu Massenarbeitslosigkeit führt (zu den offiziellen 3 Millionen Arbeitslosen können getrost noch weitere 3 Millionen verdeckte hinzugerechnet werden). Diese muss wiederum von denen finanziert werden, die vorher in den Genuss der Lohnerhöhung gekommen sind – ein Teufelskreis.
    Wenn die Agrarpolitiker die Preise zum Wohle der Landwirtschaft hoch halten, dann produziert der Markt prompt Milchseen und Butterberge, die der Steuerzahler finanzieren muss.
    Wenn Konjunkturpolitiker den Markt mit billigem Geld fluten, um die Bürger mit einem immerwährenden Aufschwung zu beglücken, dann bildet eben jener Markt Blasen, die mit einem lauten Knall platzen, und schon beginnt die Rezession.
    Und Bürger freuen sich über die Wahlgeschenke der Politiker, die ihnen dann der Markt über höhere Priese (infolge Mehrwertsteuer, Benzinsteuern, Energiesteuern etc.) wieder nimmt.
    Wen wundert es, dass dann die Schere zwischen Arbeits- und Kapitaleinkommen sich immer weiter öffnet, wenn seit Jahren die Reallöhne stagnieren oder rückläufig sind, während die Unternehmen bei sinkenden Inlandsrenditen lieber im Ausland investieren.

    Dies alles firmiert noch unter dem Namen „Marktwirtschaft“, um diese inneren Widersprüche dem Markt anzulasten – solange, bis man des Marktes überdrüssig geworden ist und ihn endlich wieder abschaffen kann.

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