Kurz kommentiert
Aufstand der 18
Inter-generative Verteilungskonflikte vor einer Zeitenwende?

Das System der umlagefinanzierten Alterssicherung ist in Schwierigkeiten. Vor allem die Gesetzliche Rentenversicherung pfeift finanziell aus dem letzten Loch, morgen noch mehr als heute schon. Die (Renten)Ausgaben übersteigen die (Beitrags)Einnahmen. Demographie und staatliche Umverteilung treiben die finanziellen Ungleichgewichte. Bisher hat der Staat die finanziellen Löcher gestopft. Er finanziert die Bundeszuschüsse über Steuern und Kredite. Nur: Die Defizite in der Gesetzlichen Rentenversicherung werden immer größer, sie wird zu einem Fass ohne Boden.

Das alles ist nicht neu. Das Problem ist seit Jahrzehnten bekannt. Die Wissenschaft hat immer wieder darauf hingewiesen. Und die Politik weiß darum. Nur passiert ist in den letzten Jahren nichts. Nun hat ein kleiner Satz einen rentenpolitischen Tsunami ausgelöst, der Umgang mit der Haltelinie nach 2032. Die Bundesregierung plant eine partielle Rentenreform. Die CSU bekommt die Mütterrente, die SPD eine Verlängerung der Haltelinie. Das gefällt 18 jungen Abgeordneten der CDU nicht. Sie befürchten (zu Recht) zusätzliche Lasten für künftige Generationen.

Die Rezepte, wie mit den Problemen der umlagefinanzierten Gesetzlichen Rentenversicherung umzugehen ist, liegen seit langem auf dem Tisch. Die Mütterrente, die Rente mit 63 und die Verlängerung der Haltelinie gehören ganz sicher nicht dazu. Eine neue Renten-Kommission braucht es nicht. Notwendig ist ein Kompromiss, wie die nicht-wegreformierbaren Lasten auf die Generationen aufgeteilt werden sollen. Diese Entscheidung muss die Politik treffen. Die Bundesregierung unter Gerhard Schröder hatte den Mut, es zu tun, Friedrich Merz hat ihn offensichtlich nicht.

Einen inter-generativen Konsens zu finden, ist schwierig. Das Verursacher-Prinzip (Handlung und Haftung gehören zusammen), auf das Ökonomen gerne verweisen, ist zwar richtig, aber schwierig umzusetzen. Es ist schon wahr, die Generation der Boomer hat zu wenig Kinder in die Welt gesetzt. Dafür müssen sie zahlen. Allerdings muss bedacht werden, dass die Boomer die Generation sind, die erst den Wohlstand von heute für alle geschaffen haben. Das entlastet sie. Die Jungen stehen materiell auf den Schultern der Alten (hier). Wie sollen nun die Lasten aufgeteilt werden?

Die gegenwärtige Bundesregierung will einem inter-generativen Verteilungskampf aus dem Weg gehen. Sie handelt nach dem Motto „Kick the can down the road“. Warum? Die Regierungsparteien haben Angst vor dem alternden Wähler. Gerhard Schröder kann ein Lied davon singen. Friedrich Merz hat es treffend formuliert: „Ich möchte uns nicht in einem Unterbietungswettbewerb sehen: Wer bietet das niedrigste Rentenniveau an? Damit gewinnen wir keine Wahl“. Die „alten“ Parteien – CDU/CSU und SPD – leben vor allem von älteren Wählern.

Gibt es Wege, den inter-generativen Verteilungskampf zu entschärfen? Alles, was den Kuchen größer macht, erhöht die Verteilungsmasse. Die Bundesregierung könnte mit einem goldenen „Herbst der Reformen“ zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Das wirtschaftliche Wachstum erhöhen und inter-generative Verteilungskonflikte dämpfen. Dieser Weg scheint verbaut. Eine konsequente Angebotspolitik ist nicht in Sicht, eine Wende in der wirtschaftlich selbstzerstörerischen Energie- und Klimapolitik auch nicht. Aber: Die Bundesregierung badet gerne lau im Sondervermögen.

Blog-Beiträge zum Thema:

Bernd Raffelhüschen (ALU, 2025): Rentenversicherung generationengerecht reformieren

Norbert Berthold (JMU, 2024): Rentenpolitische Raubüberfälle. Leben die Boomer auf Kosten der Kinder anderer Leute?

Norbert Berthold (JMU, 2021): Demographie, Klimawandel und Generationenkonflikte. Hat die Demokratie eine inter-generative Schlagseite?

Podcasts zum Thema:

Sanierungsfall Sozialversicherungen?! Reformansätze für Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung

Prof. (em.) Dr. Norbert Berthold (JMU) im Gespräch mit Prof. (em.) Dr. Bernd Raffelhüschen (ALU).

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