Donald Trump nimmt nicht viel Rücksicht auf seine Verbündeten. Um das Vormachtstreben des Iran im Nahen Osten zu stoppen, verbietet er den Handel mit diesem Land nicht nur für amerikanische Unternehmen, sondern für die europäischen Unternehmen gleich mit. Wer die Sanktionsmaßnahmen nicht befolgt, muss ab dem 6. August mit saftigen Geldbußen rechnen oder wird sogar vollständig von den amerikanischen Absatzmärkten verbannt. Der Bannstrahl hat jetzt auch die im iranischen Staatsbesitz befindliche Europäisch-Iranische Handelsbank getroffen, die 330 Millionen Euro in bar aus Deutschland nach Teheran ausfliegen lassen möchte. Richard Grenell, US-Botschafter in Deutschland, fordert die Bundesregierung auf, den Geldtransfer zu untersagen, was nur unter Missachtung von Recht und Gesetz möglich wäre.
Die Empörung in Europa ist groß. Und verständlich, denn schon die Aufkündigung des Atomabkommens durch die Vereinigten Staaten geschah gegen den Widerstand der europäischen Vertragspartner, und auch gegen die jetzt verhängte Verschärfung der Handelssanktionen hatten die europäischen Partner protestiert. Dass sich dieser transatlantische Disput vor dem Hintergrund der amerikanischen Schutzzölle auf Stahl, Aluminium und möglicherweise mehr vollzieht, heizt die Debatte zusätzlich an. Europas Politiker wollen diese erneute Provokation aus Washington nicht einfach tatenlos hinnehmen, sondern mutig und entschlossen Gegenmaßnahmen ergreifen. Aber welche?
Die betroffenen Unternehmen werden kaum aus eigenem Antrieb den Vereinigten Staaten die Stirn bieten. Denn der Export dorthin macht immerhin 8,7 Prozent der deutschen Gesamtexporte aus, während der Anteil der Exporte in den Iran gerade einmal bei 0,3 Prozent liegt. Aber vielleicht könnte man die Unternehmen per Strafandrohung dazu bringen, die US-Sanktionen nicht zu befolgen. Für diesen Zweck haben zunächst der EU-Ratspräsident und dann die Europäische Kommission angekündigt, die so genannte Blocking Regulation reaktivieren zu wollen. Es handelt sich dabei um eine EU-Verordnung aus dem Jahr 1996, gerichtet gegen die Drittlandeffekte der damaligen US- Sanktionen gegen Kuba, Iran und Libyen. Nach Vorstellung der EU-Kommission sollen die neuen Iran-Sanktionen in die Verordnung aufgenommen werden. Dann wäre es verboten, diesen US-Vorschriften nachzukommen. In Deutschland ist die Blocking Regulation mit einem Bußgeld von 500.000 Euro pro Verstoß bewehrt.
Mit der Reaktivierung der Blocking Regulation ließe sich allerdings nur der Vollzug bereits geschlossener Verträge durchsetzen, aber kein Abschluss neuer Verträge erzwingen. Zudem würden gerade jene europäischen Unternehmen belastet, die ohnehin die Leidtragenden der US-Sanktionen sind. Schon 1996 wurden aus der Blocking Regulation keine Bußgelder verhängt, und das wäre heute wahrscheinlich nicht anders.
Aus Kreisen der Bundesregierung kam der Vorschlag, einen Fonds einzurichten, aus dem diejenigen Unternehmen entschädigt werden, die wegen der Fortführung ihrer Iran-Geschäfte mit US-Strafgeldern belegt würden. Damit würde allerdings den US-Behörden quasi ein Selbstbedienungsladen eröffnet, denn es könnten ja beliebig hohe Strafgelder verhängt werden, die allesamt aus dem Fonds beglichen würden. Außerdem könnten die Unternehmen Ersatz begehren für entgangene US-Geschäfte, wenn sie zur Strafe für ihre Iran-Geschäfte vom US-Markt verbannt würden. Bei einem Volumen der gesamten deutschen Exporte in die Vereinigten Staaten von rund 100 Mrd. Euro pro Jahr könnten sich Entschädigungsansprüche ergeben, die schnell die Grenzen des Machbaren überschreiten würden.
Doch selbst für jene Unternehmen, die trotz US-Drohungen an ihren Iran-Geschäften festhalten möchten, könnte es künftig schwer werden, den damit verbundenen Zahlungsverkehr abzuwickeln. Aus Furcht vor US-Reaktionen trauen sich schon heute viele europäische Banken kaum noch, Finanzgeschäfte mit dem Iran zu tätigen. Die Deutsche Bank beispielsweise ist auf diesem Feld schon seit längerem äußerst zurückhaltend, und die Commerzbank hat ihre Iran-Aktivitäten mittlerweile vollkommen eingestellt. Jetzt haben auch die DZ-Bank und mehrere Landesbanken (darunter die Bayerische Landesbank und die gerade erst privatisierte HSH-Nordbank) verkündet, keine Finanzgeschäfte mehr mit dem Iran abwickeln zu wollen. So bleiben fast nur noch einige unentwegte Sparkassen und Volksbanken übrig.
Insbesondere die Commerzbank weiß ein Lied davon zu singen, welche Folgen es haben kann, US-Sanktionen zu missachten. Sie wurde dafür im Jahr 2015 mit einem Strafgeld in Höhe von 1,5 Milliarden US-Dollar belegt. Noch härter traf es die BNP Paribas, der Strafzahlungen in Höhe von 9 Milliarden US-Dollar auferlegt wurden, weil sie gegen damalige US-Sanktionen verstoßen hatte. Angesichts der ausgeprägten Dominanz der Wall Street auf den internationalen Finanzmärkten kann es sich praktisch keine europäische Bank erlauben, in den offenen Konflikt mit US-Behörden zu gehen. Trump hat also gute Aussichten, dass sich auch solche europäischen Unternehmen an den Sanktionen beteiligen werden, die selbst gar keine ausgeprägten Handelsinteressen in den Vereinigten Staaten haben.
Aber auch zu diesem Problemkreis hat die Europäische Kommission eine Idee. Sie hat jetzt einen Prüfauftrag an die Mitgliedstaaten erteilt, mit dem geklärt werden soll, inwieweit die nationalen Notenbanken dazu herangezogen werden können, Zahlungen an die iranische Nationalbank zu leisten, für welche die Geschäftsbanken nicht mehr zur Verfügung stehen. Dann könnte der Iran weiterhin sein Erdöl in Europa verkaufen und bekäme einen Zahlungskanal eröffnet, der ihm die Devisen verschafft, von denen die Trump-Administration ihn eigentlich abschneiden wollte.
Wie zu erwarten, sind die Notenbanken der EU-Mitgliedstaaten nicht begeistert. Sie verweisen unter anderem darauf, dass auch sie über die internationalen Finanzmärkte mit der Federal Reserve und der Wall Street verflochten sind und deshalb unnötige Konflikte mit den Vereinigten Staaten meiden möchten. Vor allem aber würden derartige Geschäfte weit über den gesetzlichen Auftrag der Zentralbanken hinausgehen. Falls dieser Vorstoß aus Brüssel wider alle Vernunft doch erfolgreich sein sollte, würden damit die Reputation und die Funktionsfähigkeit des europäischen Geld- und Währungssystems nachhaltig beschädigt.
Das Ergebnis all dieser Überlegungen ist zugegebenermaßen unbefriedigend: Donald Trump kündigt ohne hinreichende Begründung den Atomvertrag mit dem Iran (immerhin hat der Iran nach Bekunden der anderen beteiligten Länder – Deutschland, China, Russland, Frankreich und Großbritannien – sämtliche Auflagen des Vertrags buchstabengetreu erfüllt). Auf diesen Vertragsbruch stützt sich die Verhängung von US-Sanktionen, an denen sich die europäischen Unternehmen zu ihrem eigenen Schaden zwangsweise beteiligen müssen. Und den europäischen Regierungen fällt nichts ein, wie sie diesem dreisten Treiben Einhalt gebieten können.
Der oft zu hörende Hinweis, die EU sei mit ihrer Wirtschaftskraft durchaus auf Augenhöhe mit den Vereinigten Staaten und müsse sich deshalb solches Gebaren nicht bieten lassen, verkennt leider die Realität. Denn auf die Größe des Sozialprodukts kommt es hier nicht an. Auch nicht auf die uneinheitliche politische Stimme Europas. Entscheidend ist vielmehr die Dominanz der Vereinigten Staaten auf den internationalen Finanzmärkten, die sich auch mit EU-Reformen à la Macron nicht überwinden lässt. Hinzu kommt die vergleichsweise hohe Exportorientierung der europäischen Wirtschaft, die Strafmaßnahmen der Vereinigten Staaten für Europa ungleich schmerzhafter macht als entsprechende Vergeltungsmaßnahmen in die entgegengesetzte Richtung.
In Zukunft könnte vielleicht der Bitcoin helfen – oder eine andere, weniger spekulationsanfällige Krypto-Währung. Denn für Transaktionen mit Krypto-Währungen braucht man keine Banken, die durch US-Sanktionen eingeschüchtert werden könnten.
Überarbeitete Fassung eines Beitrags, der unter dem Titel „Iran-Sanktionen: Optionen für die EU“ als Leitartikel im Juni-Heft der Zeitschrift Wirtschaftsdienst erschienen ist.
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Eine Antwort auf „Iran-Sanktionen und die EU
Zum Mitmachen gezwungen?“