Die Werte der Wirtschaft (14)
Konsequenzen von Statuskämpfen um Positionsgüter

Warum wird heute so viel über Umverteilung diskutiert? Warum wächst die Kluft zwischen Arm und Reich? Warum wird in armen Bevölkerungsschichten nicht mehr an das Versprechen geglaubt: Wer mehr leistet, bringt es im Leben weiter?

Die Antwort darauf dürfte zumindest zum Teil darin begründet liegen, dass auch ärmere Menschen heutzutage primär nicht mehr nach materiellen Gütern streben, sondern nach Statusgewinn in der Gesellschaft. Das obige Versprechen klingt auch hierfür verlockend, kann aber zu unangenehmen Trugschlüssen führen. Denn wenn es beinhalten sollte, dass man es bei entsprechender Leistung weiterbringen werde im Leben als andere, so muss sich dieses Versprechen nicht unbedingt erfüllen. Leistung führt nicht automatisch zu höherem Status und damit zu mehr Lebenszufriedenheit. Wenn aufgrund dieses Versprechens nämlich alle gleichermaßen mehr leisten, passiert mit Blick auf den individuellen Status: gar nichts.

Für jeden Statusgewinn gibt es nämlich bei anderen Personen immer entsprechende Statuseinbußen. Solange es hierbei nur um relative Positionen in einer Gesellschaft geht, mag eine solche Verschiebung von Status ein Nullsummenspiel darstellen: Wo Statusgewinne bei den einen entstehen, kommt es zu Statusverlusten bei den anderen. Doch wenn Statuskämpfe Auswirkungen durch die Nachfrage nach Positionsgütern auf dem Gütermarkt haben, so kann es  auch zu Ineffizienzen kommen. Diese lassen aus dem vermeintlichen Nullsummenspiel dann ein Negativsummenspiel werden. Das individuelle Statusstreben kann dann sogar alle schlechter stellen.

Vor allem die Nutzung sogenannter Positionsgüter zur Abbildung von Status ist für die Gesellschaft problematisch, da die Positionsgüter ja nur ein Proxy sind für den Wunsch nach Anerkennung. Sie werden daher eigentlich zu stark nachgefragt, was allokative und distributive Verzerrungen mit sich bringt. Um dies näher zu erläutern, wird im Folgenden besseren Verständnis zuerst die Theorie der Positionsgüter in Kürze dargestellt (vgl. Hirsch, 1980).

Positionsgüter sind Güter, die deshalb nachgefragt werden, weil ihr Kauf einen bestimmten Status in der Gesellschaft kennzeichnet. Wer das Positionsgut inne hat, zeigt, dass er sich dieses leisten kann. Das Angebot an Positionsgütern ist dadurch gekennzeichnet, dass es vergleichsweise starr ist. Es wächst nicht mit, wenn es zu einem positiven Wirtschaftswachstum kommt. Dies führt bei vielen Positionsgütern zu absoluter physischer Knappheit. Beispiele für solche Knappheit sind die Verfügbarkeit von Boden oder von natürlichen Ressourcen. Es kommt aber mitunter auch zu gesellschaftlicher Knappheit, die sich entweder daraus ergeben kann, dass die Knappheit selbst unmittelbar die Befriedigung auslöst (wie zum Beispiel beim Besitz seltener Kunstwerke), oder die daraus entsteht, dass Engpässe durch den vermehrten Konsum des Gutes auftauchen und sich störend auf eben diesen Konsum auswirken (Hirsch, 1980, S. 41ff.). Die Einsamkeit beim Wandern in schöner Landschaft ist ein gutes Beispiel hierfür. In diesem Fall wird die individuelle Zufriedenheit, die sich aus der Nutzung eines Gutes ergibt, davon beeinflusst, in welchem Ausmaß andere dieses Gut konsumieren.

Der heute viel zu wenig beachtete britische Ökonom Fred Hirsch (1980, S. 58ff.) beschreibt drei unterschiedliche Prozesse (Auktion, Andrang und Siebung), wie die Nachfrage nach Positionsgütern gesteuert werden kann. Daraus lässt sich dann herleiten, zu welchen gesellschaftlichen Problemen diese Prozesse jeweils führen.

Der erste Prozess der Nachfragesteuerung ist eine Art der Auktion, bei welcher der Preis über die Vergabe des Positionsgutes entscheidet. Angelehnt an Hirsch lässt sich hier als Beispiel ein Feriendomizil am Strand heranziehen: War es bei geringem Einkommen der Menschen vor einigen Jahrhunderten noch vergleichsweise wertlos, da niemand Zeit für Urlaub hatte, ist es heute von erheblichem Wert. Mit zunehmendem Wohlstand werden solche Feriendomizile begehrter. War bei niedrigem Wohlstand der Bevölkerung der Grundstückswert eines solchen Feriendomizils kaum höher als der landwirtschaftliche Nutzwert, so ist bei hohem Wohlstand, wenn viele sich solch ein Feriendomizil leisten wollen, der Grundstückswert relativ zum Preis anderer Güter wesentlich höher, so dass wiederum nur wenige Personen sich ein solches Grundstück mit Feriendomizil leisten können.

Die Villa am Strand ist zum Statussignal geworden. Ihr Preis ist überproportional zu den anderen Preisen angestiegen. Ist sie hinreichend knapp, so wird beim Verkauf des Feriendomizils der Verkäufer zum Monopolisten, der über eine Auktion die Nachfrage des Höchstbietenden für ein Unikat abschöpfen kann.

Wer bereits früh eine große Menge des Positionsgutes erwerben kann, profitiert deshalb langfristig vom Preisanstieg des Gutes. Um im Beispiel des oben bereits angeführten Feriendomizils zu bleiben, wird derjenige zunehmend reicher, der bereits früh dieses Domizil gekauft hat, als es noch relativ günstig war. Wollen mit allgemein zunehmendem Wohlstand immer mehr Menschen ein solches in seinem Angebot begrenztes Feriendomizil erwerben, gewinnt das Feriendomizil an Wert und verschafft demjenigen, der zu Beginn einen geringen Startvorteil hatte, einen relativ immer größeren Vorteil. Dies ist jedoch nicht nur ein Statusvorteil, sondern wird auch zunehmend zu einem finanziellen Vorteil. Das Vermögen des frühen Feriendomizilkäufers wird durch die Wertsteigerung des Feriendomizils wachsen, ohne dass er dafür etwas unternehmen muss. Dies zementiert natürlich Einkommens- und Vermögensunterschiede und unterhöhlt langfristig die Umsetzung von Chancengerechtigkeit.

Für eine Marktwirtschaft ist diese Distributionswirkung äußerst problematisch, denn eine Zementierung bestehender Verhältnisse nimmt dem notwendigen „spirit of competition“, der Akzeptanz von Wettbewerbsprozessen, den Wind aus den Segeln. Die einen, die früh ein Positionsgut billig erwerben konnten, profitieren ohne jegliche Leistung von seiner Wertsteigerung. Die anderen, die sich anfangs kein Positionsgut leisten konnten, überbieten sich in ihren Leistungen, können aber mitunter die Preissteigerungen des Positionsgutes trotzdem nicht durch Mehrleistung kompensieren und gehen daher leer aus.

Der zweite Prozess der Nachfragesteuerung nach Positionsgütern ist ein übermäßiger Andrang nach dem entsprechenden Gut, ohne dass ein Preisanstieg den Andrang reguliert. Dies führt zu einer Entwertung des Gutes in seiner Eigenschaft als Positionsgut (Hirsch, 1980, S. 64ff.). Hierfür ist ein kostspieliger Urlaub am vergleichsweise menschenleeren Traumstrand ein gutes Beispiel. Am Traumstrand sucht man Ruhe und Zuflucht vor den Nachteilen des heimischen Arbeitsstresses; gleichzeitig ist man unter sich, da Angehörige niedriger Statusgruppen sich den Urlaub am Traumstrand nicht leisten können. Doch stetes Einkommenswachstum und damit eine Zunahme des Tourismus zum Traumstrand verändern den Charakter des Traumstrandes und berauben ihn seiner Vorteile. Dies führt dazu, dass neue Traumstrände gesucht und touristisch aufbereitet werden, die mit weiterer Expansion des Tourismus wiederum ihre Vorteile verlieren. Ein übermäßiger Nachfragedruck nach solchen Gütern führt damit unweigerlich entweder zur Qualitätsverschlechterung durch übermäßige Nutzung oder zu protektionistischen Maßnahmen.

Statuskämpfe können in einem solchen Szenario zu Ressourcenverschwendung führen (Hirsch, 1980, S. 64ff.). Die steigende Nachfrage nach einem Urlaub am Traumstrand führt nicht nur zu einer Qualitätsverschlechterung des Traumstrandes an sich. Es kommt zudem zu einer Entwertung des Strandes in seiner Funktion als Positionsgut und infolge dessen zur Suche nach einem neuen Traumstrand, der wohlmöglich ferner als der vorherige Strand liegt, auf jeden Fall aber teurer ist als jener. Der Effekt lässt sich vergleichen mit einer Menschenansammlung, in der einige Personen sich auf die Zehenspitzen stellen, um besser sehen zu können. Sie wenden Ressourcen auf, um einen individuellen Vorteil (das Positionsgut) zu erlangen. Wenden dann alle diese Ressourcen auf und stellen sich auf die Zehen, sieht niemand besser, aber alle müssen sich zusätzlich anstrengen, um auf Zehen zu stehen. Die bessere Position verliert ihren Wert. Mithin werden zusätzlich Ressourcen aufgewendet, ohne dass diese irgendjemandem einen höheren Nutzen erbringen.

Es gibt keinen Gewinner aus dieser Art des Positionsgüterwettbewerbs – das Nullsummenspiel wird hier in der Tat zum Negativsummenspiel. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn ein Allmendegut zum Positionsgut wird. Die Eigenschaft der Nichtausschließbarkeit von Allmendegütern sorgt für eine übermäßige Nutzung, die durch die steigende Wertschätzung des Gutes als Positionsgut noch weiter anwächst. Der negative externe Effekt, der von der Nachfrage nach einer besseren Position auf die anderen Mitglieder der Gesellschaft ausgeübt wird, verbraucht Ressourcen, die an anderer Stelle fehlen. Die Nachfrage nach Positionsgütern sorgt hier für Ressourcenverschwendung.

Als dritten Prozess der Nachfragesteuerung nennt Hirsch (1980, S. 70ff.) die Siebung. Bestes Beispiel hierfür ist der Kampf um Führungspositionen im Unternehmen. Die Organisation unserer Arbeitsabläufe ist hierarchisch aufgebaut, wobei Vorgesetzte auf jeder Ebene üblicherweise mehrere ihnen unterstellte Mitarbeiter beauftragen und kontrollieren. Hieraus ergibt sich eine pyramidenförmige Organisation der Arbeitsprozesse. Ein Arbeitsplatz an der Spitze der Pyramide würde aus Gründen der gesellschaftlichen Anerkennung und des damit verbundenen Status einem Arbeitsplatz an der Basis selbst dann vorgezogen, wenn die Entlohnung (und die zu erbringende Anstrengung) auf beiden Arbeitsplätzen gleich hoch wäre. Eine solche Führungsposition ist aufgrund der gesellschaftlichen Anerkennung ein typisches Positionsgut.

Weder eine Expansion der Wirtschaft durch Wachstum, eine zunehmende Kapitalakkumulation noch eine steigende Bildung und damit mehr verfügbares Humankapital sorgen dafür, dass diese Art des Positionsgutes in ihrem Angebot reichlicher vorhanden sein wird. Mit zunehmendem Einkommensniveau und Bildungsniveau werden Führungspositionen als mögliche Arbeitsplätze von den Beschäftigten stärker nachgefragt. Da sich Führungspositionen nicht am Markt kaufen lassen, scheidet der Preis als Regulierungsinstrument aus. Um den Zugang nach solchen Positionsgütern zu erschweren, bietet es sich zum einen an, sie durch eine geringere relative Vergütung der Führungskräfte unattraktiver zu machen (was einem Preisanstieg im Falle eines Verkaufes einer Führungsposition gleich kommt), oder aber, den Prozess der Siebung durch den Einbau zusätzlicher Filter länger und schwieriger zu gestalten.

Auch im dritten Prozess der Nachfragesteuerung, sind die gesamtwirtschaftlichen Folgen des individuellen Zieles, ein Positionsgut zu erlangen, negativ (Hirsch, 1980, S. 75ff.). Im Prozess der Siebung kommt es zu einem Phänomen, dass Ökonomen als Rattenrennen bezeichnen. Entscheidend geprägt wurde die Analyse des Rattenrennens als ineffizientes Wettbewerbsergebnis und damit als Marktversagen durch Akerlof (1976, S. 603ff.). Zur Veranschaulichung der Auswirkungen sei das Beispiel des Rattenrennens genauer erläutert:

Mehrere Ratten starten ein Wettrennen. Im Ziel wartet als Belohnung für eine vordere Platzierung ein Stück Käse. Der Käse wird geteilt. Die erste Ratte erhält die eine Hälfte, die zweite Ratte ein Viertel, die dritte ein Achtel des Käsestücks. Nach diesem Verfahren wird das letzte Achtel an die Ratten auf den weiteren Rängen verteilt, so dass jeweils die Nächstplatzierte wieder eine Hälfte des verbliebenen Käses erhält.

Zwei Einflüsse mögen den Ausgang des Wettrennens bestimmen: Erster Einfluss ist das individuelle Talent der Ratte. Es ist eine unveränderliche Eigenschaft. Zweiter Einfluss ist die Bereitschaft, sich im Kampf um den Käse anzustrengen. Dieser Einfluss kann von der Ratte verändert werden. Um im Wettrennen gut abzuschneiden, werden sich aber alle Ratten anstrengen. Die Größe des Käsestücks wächst jedoch nicht mit den Anstrengungen der Ratten an. Käse dient in diesem Beispiel als ein typisches Positionsgut.

Die Siegerratte wird nun maximal so viel Anstrengung aufbringen, wie ihr der halbe Käse als Siegpreis wert ist. Aber auch die anderen werden sich entsprechend anstrengen, in ihren Erwartungen jedoch enttäuscht werden. Ihre Anstrengungen werden nicht belohnt. Theoretisch – wenn die individuellen Talente unterschiedlich sind, alle Ratten sich jedoch maximal anstrengen – ist die Verteilung der Käsestücke die gleiche, wie wenn alle Ratten sich gar nicht anstrengen, sondern zum Ziel spazieren würden. Nur das angeborene Talent entscheidet letztlich bei gleicher Anstrengung über die Platzierungen. Die einzelne Ratte geht jedoch davon aus, dass ihr die Investition in das Positionsgut Käse eine bessere Position und damit mehr Käse einbringt – wenn jedoch alle in die Erlangung dieses Positionsgut gleichermaßen investieren, ist eine Positionsverbesserung nicht möglich. Selbst, wenn eine Ratte dieses Spiel durchschaut, ist sie jedoch zur Investition gezwungen, da sie ansonsten – wenn alle anderen investieren – hinter diese zurückfällt und ihre bisherige Position (und damit auch Käseanteile) verliert.

Das Ergebnis von Statuskämpfen im marktwirtschaftlichen Prozess führt zu derselben systematischen Verzerrung der Signale, die dem einzelnen Entscheider für seine Wahlmöglichkeiten gesendet werden. Der ausgelobte Preis der vorderen Position verleitet zu übermäßigen Anstrengungen oder Investitionen, ohne dass er deshalb auch erreicht wird. Nach Akerlof (1976) stellt dies ein Marktversagen dar. Neben übertrieben hohen Anstrengungen und Überinvestitionen ist es auch möglich, dass einzelne Teilnehmer des Rattenrennens sich entmutigen lassen und den Wettbewerb um Status und Positionsgüter komplett meiden (Rauscher, 1993). In einer menschlichen Gesellschaft wird dies dafür sorgen, dass zunehmend mehr Menschen den Wettbewerbsprozess kritisch sehen.

In einer Demokratie, wo Mehrheitsentscheidungen die staatlichen Regeln bestimmen und damit auch die Eingriffe in die Wettbewerbswirtschaft festlegen, kann dies für die Zukunft der Marktwirtschaft langfristig ein riesiges Dilemma auslösen. Denn der Wunsch nach Status dürfte in einer materiell immer reicher werdenden Gesellschaft noch deutlich zunehmen. Und mit ihm auch die Enttäuschung über Wettbewerbsprozesse, in denen Leistung nicht mit Statusgewinnen entlohnt werden.

Quellen:

Akerlof, G. (1976): The Economics of Caste and of the Rat Race and Other Woeful Tales, The Quarterly Journal of Economics, Vol. 90, No. 4, S. 599-617.

Hirsch, F. (1980): Die sozialen Grenzen des Wachstums, Cambridge.

Rauscher, M. (1993): Demand for Social Status and the Dynamics of Consumer Behavior, Journal of Socio-Economics, Vol. 22, S. 105-113.

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