Homeoffice und Produktivität

Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PWC hat im letzten Jahr eine Studie veröffentlicht, nach der im Zeitraum 2020 bis 2023 zunehmend mehr Arbeitgeber der Ansicht sind, dass ihre Beschäftigten im Homeoffice produktiver seien als im Büro. Mittlerweile (Stand 2023) sei, so das Ergebnis der Umfrage, schon über die Hälfte der deutschen Arbeitgeber dieser Ansicht. Nur sechs Prozent sind gegenteiliger Meinung, sie halten die Arbeit im Homeoffice für unproduktiver.

Die Einschätzung zur Produktivität im Homeoffice ist bei den deutschen Arbeitgebern im Wandel. Die bisherige Forschung sieht die Produktivität im Homeoffice ohnehin besser als die deutschen Arbeitgeber diese lange sahen. Allerdings ist es empirisch noch keineswegs geklärt, wie sich die Produktivität im Homeoffice entwickelt: In Bezug auf die Auswirkungen von mobiler Arbeit und Homeoffice auf die Produktivität der Belegschaften, auf die Motivation der Beschäftigten und auf das organisatorische Engagement existiert eine Vielzahl von gemischten Befunden in der Literatur. Insgesamt lässt sich jedoch in den meisten Quellen festhalten, dass die Auswirkungen auf die Produktivität weitgehend positiv sind, solange die Tätigkeitsausübung von außerhalb der betrieblichen Einrichtungen anteilig nicht überwiegt. Homeoffice führt, so die Studienlage, nicht unbedingt zu einer Abnahme der Produktivität, sondern kann diese auch steigern, solange der Homeoffice-Anteil nicht bei 100 Prozent liegt, sondern deutlich darunter.

Doch verallgemeinern lässt sich die Produktivitätswirkung von Homeoffice ohnehin nicht, was die Vielzahl unterschiedliche Befunde erklärt. Stets muss für jeden Fall geschaut werden, ob die Produktivität im Homeoffice tatsächlich höher ist. Denn dies hängt von der Art der Aufgabe, dem Typ des Beschäftigten, der Art der Führung und den Organisationsstrukturen des jeweiligen Unternehmens ab. Eine ebenfalls 2023 von mir durchgeführte Fallstudie im Konzern Wüstenrot und Württembergische zeigt anhand der geführten Interviews deutlich auf, dass die Produktivitätswirkung insgesamt unklar ist und auch bleiben wird, weil je nach Situation das Für oder das Wider überwiegen kann (Neumann, 2024).

Gründe für einen Anstieg der Produktivität im Homeoffice gibt es einige. Die Produktivität des Einzelnen kann aus verschiedenen Gründen im Homeoffice höher sein: 

  • Ein erster Erklärungsansatz für eine höhere Produktivität ist, dass Homeoffice mit einer Intensivierung der Arbeit einhergehen kann (Kelliher/Anderson, 2010). Ermöglicht wird dies durch eine höhere Konzentration aufgrund des Fehlens von Unterbrechungen. Dies gilt vor allem dann, wenn am Arbeitsplatz Großraumbüros mit einem entsprechenden Geräuschpegel genutzt werden.
  • Die Autonomie am Arbeitsplatz ist ebenfalls ein wichtiger Faktor für die Produktivitätsentwicklung. Je nach Personentyp werden Beaufsichtigung und Kontrolle bei der Arbeit negativ wahrgenommen, weil sie zu vermehrtem Stressgefühl führen. Höhere Autonomie reduziert bei diesem Personentyp das Stressniveau. Insofern ist die Zufriedenheit mit dem Arbeitsplatz daheim höher, wenn durch Homeoffice die gefühlte Autonomie des Beschäftigten ansteigt. Dies wirkt sich auch förderlich auf die Produktivität.
  • Auch die mit der Autonomie gewonnene Flexibilität erhöht via Arbeitszufriedenheit bei vielen Beschäftigten die Produktivität (Angelici/Profeta, 2020).
  • Auch die eingesparte Pendelzeit gilt als Ursache für eine höhere Produktivität, wobei hier eher nicht der Output pro Stunde nach der klassischen Messung von Produktivität steigt, sondern mehr Arbeitszeit insgesamt eingesetzt wird und dadurch der Output steigt (Barrero et al., 2020). Sowohl können mehr Stunden für die Arbeit täglich genutzt werden, ohne dass dies zulasten anderer Tätigkeiten geht, als auch Krankheitstage entfallen, weil die Anforderungen an den Gesundheitszustand im Homeoffice geringer sind als im Büro. Da allerdings eingesparte Pendelzeit die allgemeine Lebenszufriedenheit steigert (Clark et al., 2020), ist auch hier eine dadurch verursachte Produktivitätsauswirkung möglich, wenn zufriedene Beschäftigte motivierter arbeiten.
  • Auch aus Dankbarkeit für ein flexibles Arbeitsverhältnis gegenüber dem Arbeitgeber kann der Arbeitnehmer seine Produktivität steigern. Die Idee entstammt dem Gift-Exchange-Ansatz und erklärt sich durch reziprokes Verhalten. Es ist indes zu vermuten, dass diese Ursache nur übergangsweise als Erklärung dienen kann und nicht bei der Nutzung von Homeoffice über einen längeren Zeitraum hinweg, weil die Beschäftigten sich an die Situation gewöhnen und damit auch die Dankbarkeit nachlässt (Kelliher/Anderson, 2010).

Doch selbst wenn die einzelnen Beschäftigten individuell nicht produktiver werden, kann das Unternehmen insgesamt trotzdem vom Homeoffice profitieren. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn es auf der Kostenseite Vorteile wahrnehmen kann (Chriscuolo et al., 2021):

  • Weniger Bürofläche und Equipment können hier Ersparnissen führen und damit die multifaktorielle Produktivität erhöhen.
  • Ist der Lohn flexibel verhandelbar, kann im Austausch für die Ermöglichung von Homeoffice bei den Beschäftigten ein Lohnzugeständnis erwartet werden. Erste Forschungsergebnisse für die USA zeigen, dass Beschäftigte hier zumindest geringfügig zu Zugeständnissen bereit sind (Mas/Pallais, 2017). In diesem Fall würden die Arbeitskosten bei gleichem Output sinken. In Deutschland ist dies jedoch derzeit noch schwer vorstellbar.
  • Ebenso kann die Vergrößerung des Pools an Arbeitskräften eine bessere Übereinstimmung zwischen den Arbeitsanforderungen und den Qualifikationen der Arbeitnehmer bewirken. Bessere Rekrutierungsmöglichkeiten am Arbeitsmarkt sollten sich dem Unternehmen dank Homeoffice eröffnen – und wenn Beschäftigte in den Einstellungsverhandlungen Homeoffice fordern, dann verschafft die Gewährung von Möglichkeiten zum Homeoffice dem Unternehmen einen Vorteil. Dieser Punkt dürfte gerade in Deutschland derzeit ein wesentlicher Treiber des arbeitgeberseitigen Homeoffice-Angebotes sein, denn er ist insbesondere dann wichtig, wenn der Markt für Fachkräfte weitgehend leergefegt ist und damit intensive Konkurrenz um Fachkräfte herrscht. 
  • Letztlich können auch die Fluktuationskosten gesenkt werden, wenn durch eine höhere Zufriedenheit die Rate der arbeitnehmerseitigen Kündigungen reduziert wird.

Längst nicht alle Arbeitsplätze können ins Homeoffice verlagert werden, und auch dann, wenn dies möglich ist, gilt es auf die Charakteristika der Beschäftigten und die Art der Aufgaben zu achten, wenn über einen Wechsel ins Homeoffice entschieden wird. Aufgaben, die ein kreatives Vorgehen erfordern, sind oft besonders geeignet für eine Bearbeitung im Homeoffice. Bei solchen kreativen Aufgaben steige, so hat es Dutcher (2012) ermittelt, die Produktivität um bis zu 20 Prozent.

  • Dutcher (2012) zeigt aber auch Risiken für die Produktivität im Homeoffice auf, indem er nachweist, dass es bei der Ausübung unkreativer Aufgaben im Umkehrschluss zu einer Verringerung der Produktivität kommen kann. Diese trete in erster Linie bei Beschäftigten, welche ohnehin vergleichsweise unproduktiv sind, auf.
  • Battiston et al. (2017) betonen, wie wichtig die persönliche Kommunikation mit den Kollegen ist. Das Fehlen dieser Interaktion wirke nachteilig auf die Produktivität. Homeoffice ohne die Möglichkeit, immer wieder persönlichen Kontakt zu pflegen, sei damit ein Risiko für die Produktivität.
  • Isolation im Beruf wirkt sich, dass berichten viele Quellen übereinstimmend, negativ auf die Produktivität aus. Dies zeigt sich umso mehr, je mehr Zeit prozentual im Homeoffice verbracht wird (Golden et al., 2008). 
  • Negativ wirkt ebenso der durch die Isolation im Homeoffice schwindende Zusammenhalt in der Belegschaft. Dies geht auch mit negativen Folgen für die Unternehmenskultur einher.
  • Auch gesundheitliche Folgen des Homeoffice können der Produktivität abträglich sein. Arbeiten am PC kann bei ungeeignetem Büromobiliar nachteilige Auswirkungen für die Gesundheit haben. Oft sind im Homeoffice keine geeigneten Büromöbel vorhanden. Dies sorgt dann mittelfristig für eine Abnahme der Produktivität.
  • Weil die neuen Technologien nicht nur zur erfolgreichen Ausführung ihrer Arbeitsaufgaben beitragen, sondern auch die Gefahr von permanenten Unterbrechungen bieten, lässt sich in Anlehnung an Leonardi et al. (2010, S.99) von einem Konnektivitätsparadoxon sprechen. Dieses zeichnet sich dadurch aus, dass Beschäftigte im Homeoffice ihre dauerhafte Erreichbarkeit nutzen, um gegenüber Vorgesetzten und Kollegen zu signalisieren, dass sie tatsächlich arbeiten (Greer/Payne, 2014; Fonner/Roloff, 2012). Die ständige Erreichbarkeit führt langfristig aber wiederum zu einer entsprechenden Erwartungshaltung bei Kollegen und Vorgesetzten (Leonardi et al., 2010). Dies sorgt in der Gesamtheit wiederum für häufigere Unterbrechungen der Arbeit. Somit kann die Erreichbarkeit unmittelbar dazu beitragen, dass die eigentlichen Vorteile von Homeoffice untergraben werden (Greer/Payne, 2014). Das Konnektivitätsparadoxon und der hiermit verbundene Rückfall in traditionelle Normen der Kontrolle am Arbeitsplatz sprechen dagegen, dass Arbeitnehmer durch Homeoffice tatsächlich autonomer und selbstbestimmter werden (Sewell/Taskin, 2015, S. 1525). 

Es sei somit abschließend darauf hingewiesen, dass der Anstieg der Produktivität durch die Homeoffice-Nutzung keineswegs so positiv ausfallen muss wie in den meisten Studien dargestellt. Damit aber ist es schwierig, dass Argument der Produktivität zu nutzen, wenn es um die Wahl für oder wider Homeoffice geht. Letztlich ist dies eine Entscheidung zwischen dem jeweiligen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, und auch wenn beim Arbeitgeber viel dafürspricht, einheitliche Regelungen in seinem Unternehmen zu nutzen, um Konflikte im Betrieb zu vermeiden, so ist dies doch keine Angelegenheit für ein übergreifendes Regelungswerk, sondern sollte als Entscheidung dort verbleiben, wo sie hingehört, nämlich im jeweiligen Unternehmen.

Quellen:

Angelici, M. und P. Profeta (2020): Smart-Working: Work Flexibility without Constraints, CESifo Working Paper No. 8165. https://www.cesifo.org/en/publications/2020/working-paper/smart-working-work-flexibility-without-constraints

Barrero, J. M., Bloom, N. und Davis, S. J. (2020), Why Working From Home Will Stick, Becker Friedman Institute for Economics, Working Paper No. 2020-174. https://repec.bfi.uchi-cago.edu/RePEc/pdfs/BFI_WP_2020174.pdf

Battiston, D., Blanes I Vidal J. und T. Kirchmaier (2017): Is Distance Dead? Face-to-Face Communication and Productivity in Teams, CEP Discussion Paper 1473, Centre for Economic Performance, LSE. https://ideas.repec.org/p/cep/cepdps/dp1473.html

Clark, B., Chatterjee, K., Martin, A. und A. Davis (2020). How Commuting Affects Subjective

Wellbeing, Transportation, Vol. 47, No. 6, S. 2777-2805.

Criscuolo, C., Gal, P., Leidecker, L., Losma, F. und G. Nicoletti (2021): The Role of Telework for Productivity during and post COVID-19: Results from an OECD Survey among Managers and Workers, OECD Productivity Working Papers, 2021-31, OECD Publishing, Paris, https://www.oecd-ilibrary.org/docserver/7fe47de2-en.pdf?expires=1668119968&id=id&accname=guest&checksum=11952F110986421E22B4201B427751C6

Dutcher, G. (2012): The Effects of Telecommuting on Productivity: An Experimental Examination. The Role of Dull and Creative Tasks, Journal of Economic Behavior & Organization, Vol. 84, No. 1, S. 355-363.

Fonner, K. L. und M. E. Roloff (2012): Testing the Connectivity Paradox: Linking Teleworkers‘ Communication Media Use to Social Presence, Stress from Interruptions, and Organizational Identification, Communication Monographs, Vol. 79, No. 2, S. 205-231.

Golden, T. D., J. F. Veiga und R.N. Dino (2008). The Impact of Professional Isolation on Teleworker Job Performance and Turnover Intentions: Does Time Spent Teleworking, Interacting Face-to-Face, or Having Access to Communication-enhancing Technology Matter?, Journal of Applied Psychology, Vol. 93, No. 6, S. 1412-1421.

Kelliher, C. und D. Anderson (2010): Doing More with Less? Flexible Working Practices and the Intensification of Work, Human Relations, Vol. 63, No. 1, S. 83-106.

Leonardi, P. M., Treem, J. W. und M. H. Jackson, (2010): The Connectivity Paradox: Using Technology to Both Decrease and Increase Perceptions of Distance in Distributed Work Arrangements, Journal of Applied Communication Research, Vol. 38, No. 1, S. 85-105.

Mas, A. und A. Pallais (2017): Valuing Alternative Work Arrangements, American Economic Review, Vol. 107, No. 12, S. 3722-3759.

Neumann, M. (2024). Home Office in a German Financial Services Company, in: Martín López, M. M., Díaz Moreno, A. (Hrsg.): The Labor Market as a Consequence of Teleworking, Challenges for Full Integration, Volumen I-III, Madrid, S. 733-776.

PWC (2023): Flex Desks erobern die Bürowelt,

https://www.pwc.de/de/real-estate/pwcs-real-estate-institute/homeoffice-studie.html

Sewell, G. und L. Taskin (2015): Out of Sight, Out of Mind in a New World of Work? Autonomy, Control, and Spatiotemporal Scaling in Telework, Organization Studies, Vol. 36, No. 11, S. 1507-1529.

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