Gastbeitrag
Keynesianismus – ein fatales Missverständnis

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Seit zehn Jahren werden mit Verweis auf die Theorie des Ökonomen John Maynard Keynes Rettungsschirme, Geldflutung und immer höhere Staatsschulden gerechtfertigt. Dabei ist die Konjunkturtheorie als ein Instrument für kurzfristige Schwankungen gedacht.

So, wie der einzelne Bürger sich nicht reich konsumieren kann, kann es auch einer Volkswirtschaft nicht gelingen. Doch in der internationalen Geld- und Finanzpolitik dominieren keynesianische Therapieansätze, die genau das proklamieren. Anhänger dieser Denkschule sind der Überzeugung, dass sich Notenbanken und Regierungen bei Krisen direkt in die Wirtschaft einmischen und durch Staatsausgaben und frisch gedrucktes Geld konjunkturelle Abschwünge lindern sollten.

Seit knapp zehn Jahren werden mit diesem Argument Rettungsschirme, Geldflutung und immer höhere Staatsschulden gerechtfertigt. Dabei ist die keynesianische Konjunkturtheorie explizit als ein Instrument nur für kurzfristige Schwankungen ausgestaltet. Höchste Zeit also, Fragen zu stellen: Was ist, wenn dieser Ansatz falsch ist? Was, wenn sich eine Krise, die durch billiges Geld verursacht wurde, nicht mit mehr billigem Geld bekämpfen lässt? Die größte Wette der Geschichte beruht auf einem fragwürdigen Konzept.

Wir erliegen der Illusion, statt Einkommen könnten Kredite, Schulden und frisches Geld uns dauerhaft einen höheren Lebensstandard ermöglichen. Als Konsequenz dieser Sichtweise gilt es mittlerweile fast als unanständig, einen ausgeglichenen Haushalt anzustreben. Es wird suggeriert, dass nur schwungvolle Ausgaben auf Kredit die Wirtschaft richtig ankurbeln können. Zudem sei die Belastung aufgrund niedriger Zinsen doch gering. Ein Spielverderber, wer sich trotzdem dagegen wehrt, die Schwarze Null aufzugeben oder die Schuldenbremse zu lockern. Aber anders als suggeriert wird, gibt es in der Ökonomie keinen „free lunch“.

Was wir erleben, ist eine gefährliche Symbiose zwischen der keynesianisch geprägten Geldpolitik und einer Politik, die gern Geschenke verteilt, aber ungern notwendige Strukturreformen durchführt. Die Folge ist ein immer wiederkehrendes geld- und fiskalpolitisches Handlungsmuster. Im Abschwung werden Schulden gemacht, im Aufschwung werden sie aber nicht wieder abgebaut. Die Zentralbanken senken im Abschwung die Leitzinsen, erhöhen sie im Aufschwung aber nicht auf annährend gleiche Weise. Das geht seit Jahrzehnten und über viele Konjunkturzyklen hinweg so.

Auf diese Weise sind wir in die Nullzinsfalle geraten: Die Schuldenstände sind weltweit auf einem Rekordhoch. Die Zinsen können deshalb nur begrenzt steigen, andernfalls droht vielen Staaten und Unternehmen die Zahlungsunfähigkeit. Die rekordtiefen Zinsen ermuntern jedoch dazu, immer mehr Schulden aufzunehmen. Die Zinsen können also wegen der unkontrollierbaren Ansteckungsgefahren nicht mehr steigen.

Schuldenberge des Staates lösen Probleme nicht

Auf der anderen Seite kann eine Marktwirtschaft auch nicht dauerhaft mit einem Nullzins funktionieren. Fehlallokationen, Spekulationsblasen, erodierende Bankenerträge, lahmende Wirtschaftsdynamik und wackelnde Altersvorsorge – die Risiken der geldpolitischen Versuchsküche treten bereits sichtbar hervor. Unübersehbar baut sich so ein Zielkonflikt auf, zwischen mehr Stimulierung heute und einem immer schmerzhafteren Ausstieg aus dieser Geldpolitik morgen.

Durch höhere Schuldenberge und Interventionen des Staates beziehungsweise der EZB werden die Probleme nicht gelöst. Sie werden vielmehr vergrößert und in die Zukunft verschoben. Der große ungarische Ökonom János Kornai prägte den Begriff „weiche Budgetrestriktionen“ für defizitäre Staatskonzerne die im Sozialismus durch Zuschüsse am Leben erhalten wurden. Er zeigte, welch verheerende Wirkungen es hat, wenn ineffiziente Unternehmen, die dauerhaft Verluste machen, nicht aus dem Markt ausscheiden.

Heute drohen sich Staaten, Unternehmen und private Haushalte aufgrund der scheinbar unbegrenzten Verfügbarkeit von billigem Kredit ebenfalls an die früher nur im Sozialismus üblichen weichen Budgetrestriktionen zu gewöhnen. Das ist das Gegenteil von Sozialer Marktwirtschaft und ihrem Kernprinzip der Einheit von Handlung und Haftung. Mehr Erhard, weniger Keynes sollte deshalb die Devise heißen.

Wolfgang Steiger
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2 Antworten auf „Gastbeitrag
Keynesianismus – ein fatales Missverständnis“

  1. Herzlichen Dank für diesen Beitrag, mögen ihn viele Politiker lesen. In Wahrheit handelt es sich doch nicht, wie oftmals behauptet, um eine Krise des Kapitalismus. Vielmehr wird deutlich, was permanente Staatseingriffe und eine zentrale Steuerung der Geldmenge bewirken, von Kapitalismus kann dabei keine Rede sein.

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