Daumen hoch für die „Libra“?

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Vor einigen Wochen hat Facebook angekündigt, eine eigene globale Kryptowährung mit Namen „Libra“ einzuführen und im ersten Halbjahr 2020 in Umlauf zu bringen. Geplant ist, eine wertstabile Währung bereitzustellen, über die mittels der zu Facebook gehörenden Messegerdienste und über Partnerdienste für Transaktionen verfügt werden kann. Während die Finanzminister der G7-Staaten den Absichten skeptisch gegenüberstehen, erwartete Facebook, dass die Libra insbesondere für Menschen in Schwellenländern ohne Zugang zu regulären Bankdienstleistungen attraktiv sein wird.

Charakteristika

Bereits seit etwa zehn Jahren sind verschiedene Kryptowährungen im Umlauf, deren bekannteste der Bitcoin ist. Kryptowährungen erfüllen eingeschränkt die Geldfunktionen und basieren auf der Blockchain-Technologie. Dabei handelt es sich um eine dezentrale Kontoführung in einem Netzwerk von Computern, die miteinander verbunden sind. Diese Netzwerke produzieren und übertragen digital definierte Werteinheiten, die als Krypto-Token, bezeichnet werden und für Zahlungs- und Wertaufbewahrungszwecke verwendbar sind. Token können auf Tauschbörsen erworben oder durch „Mining“ geschaffen werden, d.h. durch Lösung eines Algorithmus, was aber hohe Energiekosten verursacht und beträchtliche Speicherkapazitäten benötigt.

Weil der Wert der bestehenden Kryptowährungen in nationalen Währungen (wie dem USD) stark schwankt, eignen sie sich kaum als Zahlungsmedium. Derzeit entstehen aber mit den sogenannten „stable coins“ alternative Krypto-Token, deren Wert an eine bestehende Währung oder an einen Währungskorb gekoppelt ist und die durch Sicherheiten gedeckt sind. Sie weisen deshalb ein höheres Potenzial als Zahlungsmedium auf (Deutsche Bundesbank, 2019). Die Libra stellt solch eine „stable coin“ dar. Emittent ist die „Libra Association“ mit Sitz in Genf, die von einem „Council“ geleitet wird, wo namhafte Firmen als Gründungsmitglieder durch jeweils eine Person vertreten sind. Die Zahl der Gründungsmitglieder soll bis auf 100 anwachsen.

Auch die „Libra“ basiert auf einer Blockchain-Technologie, wobei die Mitglieder des Councils als „Validatoren“ innerhalb des Netzwerkes fungieren und die Echtheit von Krypto-Token bei Zahlungsvorgängen im Netzwerk bestätigen. Im Unterschied zu den herkömmlichen Kryptowährungen erfolgt die Produktion von Libra-Token nicht durch Mining im Netzwerk, sondern durch Einzahlung von gesetzlichen Zahlungsmitteln an die Libra Association. Diese legt ihr zufließende Mittel in ein Portfolio an Bankeinlagen und Staatsanleihen in verschiedenen Währungen von „stabilen und angesehenen Zentralbanken“ an. Die Vermögenswerte in der Libra-Reserve werden durch ein geografisch verteiltes Netzwerk von Administratoren mit „Investment Grade“-Bonitätsbewertung verwahrt, um Sicherheit und Dezentralisierung zu gewährleisten. Die Korbzusammensetzung ist derzeit noch unbekannt, jedoch dürfte der USD ein hohes Gewicht haben und der chinesische Yuan nicht enthalten sein.

Obwohl Libra-Token damit durch Sicherheiten gedeckt sind, besteht keine Verpflichtung der Libra Association zum Rücktausch, und der Halter von Libra hat – anders als bei einem Bankkonto, aber ähnlich wie bei einer Banknote seit Ende des Goldstandards – keinen rechtlich abgesicherten Anspruch auf Rücktausch in gesetzliche Zahlungsmittel. Die Besitzer von Libra bekommen auch keine Zinserträge, und die Libra Association nutzt die auf die Vermögenswerte in der Reserve anfallenden Zinsen, um – nach Abzug der Betriebskosten – Dividenden an Investoren auszuzahlen, die mit ihrem Kapital den Start des Libra-Systems ermöglicht haben. Libra-Token können als Zahlungsmittel in den am Netzwerk beteiligten Unternehmen benutzt und mittels Messanger-Diensten transferiert werden. Facebook bietet dazu eine App mit Namen „calibra“ an, die direkt in WhatsApp und Messenger-Apps integriert und dort genutzt werden kann.

Rechtliche Aspekte

Weil die Schaffung von Libra in die Währungsordnung viele Länder eingreift, stellt sich die Frage nach den rechtlichen Aspekten, die hier allerdings noch nicht abschließend beantwortet werden kann. Zunächst ist offen, welcher Regulator zuständig sein wird; da die „Libra Association“ ihren Sitz in Genf hat, dürften die Schweizer Aufsichtsbehörden zuständig sein. Facebook hat erklärt, dass es die Libra auch der US-amerikanischen Aufsicht unterstellen will. Für die Libra besteht kein Annahmezwang, weil beispielsweise in der Eurozone der Euro alleiniges gesetzliches Zahlungsmittel ist. Die bloße Ausgabe von Krypro-Währungen ist nicht erlaubnispflichtig, auch wenn es beispielsweise nach §35 BBankG untersagt ist, unbefugt Geldzeichen oder unverzinslichen Inhaberschuldverschreibungen auszugeben oder zu verwenden, selbst wenn ihre Wertbezeichnung nicht auf Euro lautet. Geldzeichen sind dabei definiert als „Marken, Münzen, Scheine oder andere Urkunden, die geeignet sind, im Zahlungsverkehr an Stelle der gesetzlich zugelassenen Münzen oder Banknoten verwendet zu werden.“ Dies trifft für die Libra als digitales Zahlungsmittel nicht zu, weil das „Merkmal der Körperlichkeit“ fehlt (Wissenschaftliche Dienste, 2019).

Allerdings fällt die Libra unter die E-Geld-Definition der Europäischen Union, worunter „elektronisch gespeicherte monetäre Werte in Form einer Forderung gegenüber einem Emittenten“ fallen. Das Betreiben von E-Geld-Geschäften ist erlaubnispflichtig, wobei auf E-Geld keine Zinsen gezahlt werden dürfen (was bei der Libra erfüllt ist). Bislang ist nicht abschließend geklärt, welche Lizenzpflichten bestehen. Nach Einschätzung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundetags käme im Fall der Libra eine Lizenzpflicht für Finanztransaktionsgeschäfte in Betracht. Unklar ist, ob eine Banklizenz notwendig sein wird, solange mit der Libra keine Kreditvergabe verbunden ist (was abzuwarten bleibt); abzuwarten bleibt auch, ob die Libra Assoziation als „Narrow Bank“ einzustufen ist, und welche Lizenzerfordernisse im Zusammenhang mit der Verwaltung der Libra-Reserven entstehen.

Erfolgschancen und Konsequenzen für die Geldpolitik

Die Mitglieder der Libra Association sind neben Facebook namhafte Unternehmen der Finanz- und Technologiebranche (wie Mastercard, Visa, Paypal, Vodafone oder ebay) mit einer beträchtlichen Marktkapitalisierung, die ihren Kunden erhebliche Netzwerkvorteile bieten. Allein Facebook und damit verbundene Unternehmen weisen einen Nutzerkreis von derzeit etwa 2,7 Milliarden Menschen auf. Aus Sicht der Libra Association dürfte die Libra interessant vor allem für Nutzer in weniger entwickelten Ländern sein, wo ein Großteil der Bevölkerung kaum Zugang zu Finanzdienstleistungen hat und über kein Bankkonto verfügt, jedoch ein Mobiltelefon mit Internetzugang besitzt (Libra Association, 2019). Zudem ist zu erwarten, dass in Ländern mit hohen Inflationsraten auch Nutzer mit Zugang zum lokalen Finanzsektor auf die Libra ausweichen, die dort Chancen hat, als Nebenwährung verwendet zu werden.

Bedeutsam ist der Start der Libra auch für entwickelte Volkswirtschaften, weil ein echter Konkurrent zu den gesetzlichen Zahlungsmitteln entsteht, der auch geldpolitisch von Relevanz ist. Konzeptionell unterscheidet sich die Libra von den übrigen etwa 2.000 Krypto-Währungen, die zusammen eine Marktkapitalisierung von weniger als 300 Mrd. USD aufweisen und damit nur etwa 4 % der engen Euro-Geldmenge M1 ausmachen (Deutsche Bundesbank, 2019. Während sie durch „Mining“ produziert werden, ist die Schöpfung von Libra technologisch nicht begrenzt, sondern davon abhängig, wie viele Geldnutzer ihre nationalen Währungen in Libra eintauschen. Es ist möglich, dass viele Geldhalter die im Titel des Beitrages gestellte Frage mit „Ja“ beantworten, weil die Libra einfach und mit geringen Gebühren zu transferieren ist. Dann verlieren viele Geschäftsbanken ihre Marktposition im Zahlungsverkehr und es ist nicht auszuschließen, dass es in einigen Ländern zu einer „Libra-isierung“ der Volkswirtschaft und zu einem Verschwinden der nationalen Währung kommt.

Spannend ist die Frage, ob die Libra Association zukünftig auch Kredite in Libra vergeben wird. Bislang wird dies in Pressemitteilungen verneint, allerdings lehrt die Erfahrung, dass die Geldproduktion mit hohen Seigniorage-Gewinnen verbunden ist, die auch für die Mitglieder der Libra Association verlockend sein dürften. Dann wird dieses Gremium auch Zinssätze bei der Kreditvergabe festlegen, sodass wichtige geldpolitische Entscheidungen nicht mehr in Frankfurt/Main. London oder Washington, sondern in Genf oder in Menlo Park, dem Firmensitz von Facebook, getroffen werden.

Literatur

Deutsche Bundesbank (2019), Krypto-Token im Zahlungsverkehr und in der Wertpapierabwicklung, in: Monatsbericht, Juli, S. 39-60.

Libra Association (2019), Whitepaper. Einführung in Libra, https://files.static-nzz.ch/2019/6/18/b93a15f0-9eb2-455e-b5cb-13e02498d6bf.pdf

Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestags (2019). Ausarbeitung: Aufsichtsrechtliche Einschätzung des Projekts Libra, Aktenzeichen: WD 4 – 3000 – 102/19, Berlin.

Blog-Beiträge zum Thema:

Uwe Vollmer: Geldpolitik 4.0. Brauchen wir digitales Zentralbankgeld?

Uwe Vollmer: Krypto-Währungen: Fluch oder Segen?

Mathias Erlei: Bitcoins

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